Bovenschulte setzt im Wahlkampf auf Sachlichkeit und Gitarre
Die SPD will weiter regieren. Im Wahlkampf setzt sie auf ihren Spitzenkandidaten Andreas Bovenschulte – und der setzt auf Sachlichkeit und manchmal auf seine Gitarre.
Dieser Tweet dürfte Andreas Bovenschulte leicht von der Hand gegangen sein: Die höchste Wirtschaftskompetenz im Land schreiben die Bremer der SPD zu, zitiert der aktuelle Bürgermeister aus einer Umfrage eine Woche vor der Wahl. Das freut den 57-Jährigen nicht nur, weil seine Partei die CDU bei deren traditioneller Kernkompetenz überholt hat, sondern auch, weil er in diesem Wahlkampf sichtlich bemüht ist, den Fokus auf Bremen neu auszurichten.
Eine der wichtigsten Botschaften des SPD-Spitzenkandidaten ist deshalb die über das Wirtschaftswachstum: Kein anderes Bundesland hatte 2022 ein höheres. 5,1 Prozent gegenüber 1,8 Prozent im Bundesschnitt laut ersten Schätzungen, unter Berücksichtigung der Inflation. Spitzenreiter statt Schlusslicht unter den Ländern. Das sollen die Menschen sehen.
Punk und Krisenmanagement
Es ist der erste Wahlkampf für Bremens Bürgermeister als Spitzenkandidat. Sein Vorgänger Carsten Sieling trat nach dem historisch schlechten Abschneiden der SPD vor vier Jahren zurück, Bovenschulte übernahm. Wenige Monate später kam die Pandemie und er lernte in Höchstgeschwindigkeit, Bremen zu regieren. Heute ist er bekannt, er gilt als souveräner Landesvater, und darauf baut die Wahlkampagne der SPD auf.
Und auf sein Image als verhinderter Rockstar. Bovenschulte singt mit Gitarre vor Ministerpräsidenten-Kollegen Queen-Songs und rappt vor Genossen und Wählern im Park. Ein bisschen Liebe zum Punk sei auch noch da, sagt er. Und trotzdem: Bovenschulte steht für Sachlichkeit in der Politik.
Also spricht er ruhig, aber mit Nachdruck über die gute wirtschaftliche Entwicklung und wirkt dabei, als wolle er das Bild von Bremen neu zeichnen: Eine starke Wirtschaft, sagt der gelernte Jurist, sei die Grundlage für sozialen Zusammenhalt und Gerechtigkeit.
Grüner Stahl made in Bremen
Da gehört es dazu, dass Bovenschulte die Flugzeugindustrie und Automobilbranche unterstützen sowie in die Häfen als wichtigstem Wirtschaftsfaktor investieren will. Und immer wieder betont er, wie bedeutsam die Umstellung des Bremer Stahlwerks auf grüne Produktion ist: Das Werk allein stößt 50 Prozent der CO2-Emissionen im Land aus, die man auf einen Schlag einsparen könne. Viele Branchen warten längst auf grünen Stahl. Wenn das Bremer Werk da nicht mitzieht, steht in paar Jahren dessen Existenz auf dem Spiel. Und 3.000 direkte und weitere 7.000 indirekte Arbeitsplätze gingen verloren.
Klimaschutz, der Arbeitsplätze sichert – das klingt unangreifbar. Das Stahlwerk dient dann auch als Musterbeispiel, um den milliardenschweren Klimafonds zu rechtfertigen, den Bremen unter Bovenschulte Ende März als Nachtragshaushalt beschlossen hat.
Verschuldungspaket oder Zukunftsinvestition?
Die Opposition in der Bremischen Bürgerschaft bringt der 2,5 Milliarden Euro schwere Fonds auf die Palme. "Verschuldungspaket" nennt die CDU die Pläne, weil sich Bremen damit Hunderte Millionen Euro an zusätzlicher Zinslast einhandelt. Doch nach Überzeugung des SPD-Politikers führt kein Weg daran vorbei. Bovenschulte betont, nur für zielführende Zukunftsinvestitionen könne Bremen die Ausnahmeklausel der Schuldenbremse ziehen.
Bürgermeister brüskiert Grünen-Senatorin
In solch kontroversen Debatten erklärt Bovenschulte gern und zeigt sich meist besonnen. Wenn er sich und seine Sache bedroht sieht, kann er sich aber auch scharf abgrenzen. So brüskierte er nur eine Woche vor der Wahl seine Koalitionspartnerin und Mobilitätssenatorin, Maike Schaefer, indem er eine ihrer Maßnahmen öffentlich infrage stellte.
Die Grünen-Politikerin und ihre Verkehrspolitik sind umstritten, die Partei muss laut Umfragen mit deutlichen Stimmenverlusten rechnen. In diesen Sog will der SPD-Spitzenkandidat nicht geraten. So zeigte er Verständnis für die Kritik an Schaefers Entscheidung, das Kurzzeitparken abzuschaffen. Er erklärte, das nach der Wahl überdenken zu wollen.
Bovenschulte: Bildungsdebatte zu simpel
Auch in diesem Wahlkampf kommt keiner am Thema Bildung vorbei. Fehlende Lehrkräfte und Erzieherinnen, das schlechte Abschneiden bei Bildungsstudien hat die Menschen mürbe gemacht. Die öffentliche Debatte darüber ist Bovenschulte aber zu einfach, nicht das Bremer Bildungssystem sei das grundlegende Problem. Die große Herausforderung, sagt er: Mehr als die Hälfte der Kinder in Bremen seien von mindestens einem Risikofaktor betroffen: Armut, ein bildungsfernes Elternhaus, eine andere Muttersprache als Deutsch.
Kurzfristig will Bremen das mit einem verpflichtenden Kita-Brückenjahr kompensieren, um Kinder vor der Einschulung zu fördern. Quereinsteiger sollen helfen, den Fachkräftemangel abzufedern. Langfristig, und hier schließt sich der Kreis des Sozialdemokraten Andreas Bovenschulte, soll sich die Bekämpfung der Armut durch eine starke Wirtschaft und gute Arbeitsplätze positiv für die Kinder im Land auswirken.
Zukünftig Rot-Grün-Rot oder Große Koalition?
Der Bürgermeister ist bekannt und populär, knapp 60 Prozent der Bremer würden ihn direkt wählen. Die SPD aber liegt laut Umfragen nur knapp vor der CDU. Eine Große Koalition wäre den aktuellen Zahlen zufolge möglich, mehr spricht aber für ein erneutes rot-grün-rotes Bündnis. Bovenschulte hält sich da naturgemäß zurück: Erst bei Verhandlungen werde man wirklich abschätzen können, wer mit wem am besten zusammenpasst.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. Mai 2023, 19:30 Uhr