Urban-Gardening in Bremen: Ein Stückchen Erde auf Zeit
Mit den eigenen Händen Gemüse anbauen: Immer mehr Stadtmenschen zieht es dazu in Bremens Gemeinschaftsgärten. Wir verraten, wo es die gibt und wie das funktioniert.
Eine graue Wolkendecke liegt über Bremen. Trotzdem sind einige in den Fleetgarten gekommen, um zu gärtnern. Möhren, Mangold, Radieschen: Auf den Beeten sprießen schon die ersten Pflanzen. Gerade in der Pandemie nutzen viele Menschen die Gartenarbeit, um dem Alltag zuhause zu entfliehen. So auch in diesem Gemeinschaftsgarten in Walle. Hier können sich interessierte Menschen für ein Stückchen Erde auf Zeit entscheiden und gemeinschaftlich ins ökologische Gemüsegärtnern einsteigen.
Die meisten verbringen hier deutlich mehr Zeit.
Fenna Zok, Projektleiterin Fleetgarten
Das Prinzip in Walle ist untypisch für Bremen: Jeder Pächter und jede Pächterin hat ihre eigene Parzelle, die für eine Saison gepachtet werden kann, um eigenes Gemüse anzubauen und zu ernten. So manches Beet wird aber auch gemeinschaftlich bewirtschaftet. Einige Familien haben sich zusammengetan und auch eine Wohngemeinschaft beackert ein gemeinsames Beet. Drei bis vier Stunden pro Woche müssen sie dafür mindestens einplanen, sagt Projektleiterin Fenna Zok: "Die meisten verbringen hier aber deutlich mehr Zeit."
Gartenbau mitten in der Stadt
Der Fleetgarten in Walle ist nicht das einzige Projekt in Bremen, dass die Menschen an Schaufel, Hacke und Spaten heranführt. Urban-Gardening-Projekte sind über die ganze Stadt verteilt und freuen sich über Interessierte.
Der Fleetgarten in Walle ist ein Projekt des Vereins Sozialökologie. Er wird durch die Umweltsenatorin und vom Projekt Biostadt Bremen gefördert. Die Beete befinden sich im Waller Kleingartengebiet und sind mit dem Fahrrad gut von Findorff, Walle und Gröpelingen aus zu erreichen. Mitte April öffnete der Garten. Ziel des Projekts ist es, stadtnah eigenes Gemüse unter biologischen Bedingungen anzubauen. Dabei ist Gärtnern hier nicht nur reiner Zeitvertreib, Entspannungsübung oder Hobby, sondern soll auch das Bewusstsein schärfen.
Uns ist es wichtig, dass die Bremer und Bremerinnen sehen, wie viel Aufwand es bedeutet und lernen, Lebensmittel wieder mehr wertzuschätzen.
Fenna Zok, Projektleiterin Fleetgarten
Im Fall des Fleetgartens besteht eine Parzelle aus einer 20 bis 30 Quadratmeter großen Ackerfläche, die gegen eine Pachtgebühr von 120 bis 150 Euro pro Saison bepflanzt und abgeerntet werden darf. Fachliche Unterstützung, Saatgut, Jungpflanzen, Geräte, Wasser und Strom sind im Pachtpreis enthalten. Parzellen in Kleingärten sind laut Zok nicht nur rar und sehr begehrt: "Zudem gehen die Menschen damit viele Verpflichtungen ein. Einigen fehlt das Wissen über das Gärtnern und die Zeit für einen eigenen Garten. Das kann durchaus überfordernd sein."
Grüne Daumen sind keine Pflicht
Im Fleetgarten können die Menschen stattdessen unter Anleitung einer gelernten Gärtnerin erste Erfahrungen sammeln und gemeinschaftlich etwas über den Anbau von Gemüse lernen. "Das Projekt wird besonders von Menschen aus Walle und Findorff angenommen. Insgesamt besteht großes Interesse an dem Projekt. Wir haben doppelt so viele Anfragen bekommen, wie wir überhaupt an Parzellen anbieten können", sagt die 30-jährige Projektleiterin. Das Projekt arbeitet deshalb mit einer Warteliste. Mit so einem großen Andrang hätten sie nicht gerechnet. "Im nächsten Jahr freuen wir uns auf neue Gesichter", sagt Fenna Zok. Auch Erweiterungen des Geländes und der Ackerflächen seien geplant.
Der Verein bietet ergänzend Workshops zum gärtnerischen Handwerk und zu ökologischen Aspekten mit Themen wie Anbauplanung, Insektenfreundlichkeit oder Kompostaufbau an. Diese Workshops sind auch offen für alle, die kein eigenes Bett haben. Aktuell sind Angebote wie diese wegen der Corona-Pandemie nicht möglich. "Wir hoffen sehr, dass sich die Lage im Sommer beruhigt hat", sagt Fenna Zok. Das Gärtnern an sich sei aber auch unter Corona-Bedingungen mit genügend Abstand jederzeit möglich.
Diese Möglichkeit nimmt auch Anja Horzizky (61) aus Gröpelingen wahr, die kurzfristig eine Parzelle zur Pacht über die Warteliste ergattert hat. Jetzt, wo sich auch die Sonne etwas zeigt, verschafft sich die Rentnerin einen Überblick und erledigt erste Arbeiten auf ihrem Beet. Wo einmal Kartoffeln, Zwiebeln und Radieschen wachsen sollen, sprießt bisher nur eine Menge Roggen. „Ich finde solche Projekte total cool. Dass einem gezeigt wird, wie man richtig gärtnern kann. Selbst angebautes und geerntetes Gemüse ist sowieso der Hammer, weil man ganz genau weiß, was drin ist."
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Mai 2021, 19:30 Uhr