Exklusiv
Wer hier wohnt, findet bei der Bremer Brebau kein neues Zuhause
Wer kämpft, um aus Hochhausblocks herauszukommen, kämpft oft gegen Windmühlen. Es zeigt sich: Die Brebau diskriminiert Menschen nicht nur rassistisch – eine falsche Adresse reicht aus.
Die systematische Diskriminierung der Brebau betrifft nicht nur nicht-weiße Menschen oder solche, die einen ausländisch klingenden Namen tragen, sondern auch Menschen, die es eh schon schwer haben. Menschen mit Suchterkrankungen, Menschen am Rand der Gesellschaft, Menschen, die hart kämpfen, um aus Hochhaussiedlungen zu kommen.
buten un binnen liegt eine Liste mit dem Titel "Schlechte Adressen!!" vor. "Diese Adressen sollten immer berücksichtigt werden, dort sollte lieber etwas in die Notizen geschrieben werden und/oder die Bonität beachtet werden!", steht als Vermerk über der Liste. Ohne Ansehen des Menschen und seiner Lebensgeschichte. Die Adresse allein genügt schon. Das bestätigt auch ein Informant aus der Brebau-Belegschaft buten un binnen.
Es läuft so: Die Brebau sagt, wenn sich jemand um eine Wohnung bewirbt, achtet darauf, ob der Interessent oder die Interessentin in einer dieser 'schlechten Adressen' wohnt. Wenn ja, dann wollen wir die nicht. So der O-Ton.
Informant aus der Brebau zu buten un binnen
Auf der Liste, die buten un binnen vorliegt, stehen 20 Adressen. Darunter ganz normale in Stadtteilen, die eher ärmer sind, aber auch Wohneinrichtungen für Geflüchtete, Einrichtungen für Straffällige und Wohnungslose oder aber Therapiestätten.
Die Straßen rund um die Grohner Düne in Vegesack lösen bei der Brebau offenbar Alarm aus. Ebenso Häuser in der George-Albrecht-Straße in Blumenthal oder am Niedersachsendamm in Huckelriede. Die werden als "schlechte Häuser" bezeichnet.
Auch Marlis Neumann und Zoe-Marie Anhalt wohnen in solchen Häusern. Sie beide zeigen sich entsetzt über den Brebau-Skandal – und vermuten nun, warum sie es so schwer haben, eine neue Wohnung zu finden. Marlis ist 32 Jahre alt, lebt in Kattenturm und ist Umschülerin. Sie berichtet, dass es besonders als Arbeitssuchende schwierig sei, eine neue Wohnung zu finden.
Ich finde das grausam und abstoßend. Das sind alles Vorurteile. [...] Sowas gehört hier nicht in unsere Gesellschaft!
Marlis Neumann
Zoe-Marie ist alleinerziehende Mama eines fünf Monate alten Sohnes. Seit einem halben Jahr sucht sie bereits eine Wohnung.
Das gestaltet sich schwierig, da die Brebau eher weniger alleinerziehende Mütter annimmt. Bis jetzt bekomme ich zumindest immer nur Absagen.
Zoe-Marie Anhalt
Besonders schwierig findet Zoe-Marie die Praktiken der Brebau mit den sogenannten "schlechten Adressen", da sich die Menschen ihre Lebensumstände meist nicht selbst ausgesucht hätten und an anderen Adressen gar keine Wohnung angeboten bekommen.
Das kann auch Tobias Helfst vom Bremer Erwerbslosenverband bestätigen. Für viele Menschen, die er begleite und unterstütze, sei dies das alltägliche Leben. Die Menschen wollen raus, haben aber keine Chance.
Durch seine Erfahrung als Berater beim Erwerbslosenverband kann Helfst die rassistische Diskriminierung durch die Brebau bestätigen. "Seit vielen Jahren berichten uns Menschen von solchen und ähnlichen Erfahrungen mit der Brebau. Immer wenn sie scheinbar nicht-deutsch erschienen, wurde entweder ihr Wohnungsgesuch gleich abgelehnt oder sie wurden auf die immer gleichen Straßenzüge verwiesen. Entscheidend waren dabei immer anscheinend Nachname und Erscheinungsbild“, erklärt Helfst.
Doch auch diejenigen, die noch stärker auf Hilfe angewiesen sind als Zoe-Marie und Marlis finden bei der Brebau wenig Unterstützung. Denn auf der Liste der "schlechten Adressen" steht zum Beispiel auch das "christliche Reha-Haus" in Kattenturm. Wenn die dortigen Bewohner nach Klinikaufenthalten und dem "neuen Zuhause in Abstinenz" weg von den Drogen sind, und mit einer eigenen Wohnung im Leben Fuß fassen wollen, werden sie es bei der Brebau genauso schwer haben wie die Bewohner von "Haus Lehe" in Bremerhaven.
Brebau hat bereits erste Konsequenzen gezogen
Nach den Diskriminierungs-Vorwürfen hat die Brebau bereits erste Konsequenzen gezogen und teilte mit, dass die aufgedeckten Vorgehensweisen bei der Wohnungsvergabe gestoppt worden sei. Ein Mitarbeiter, der in die rassistischen Vorgehensweisen eingebunden gewesen sein soll, sei freigestellt worden. Das bestätigte die Brebau auf Nachfrage gegenüber buten un binnen. Bereits am Donnerstag kündigte die Brebau ein Sofortprogramm an. Ziel sei es, dass Vergabesystem "transparenter und möglichst digitalisiert zu steuern", erläuterte Botzenhardt. Am Ende solle ein für alle Seiten nachvollziehbarer Bewerbungsvorgang stehen.
Das ist kein Einzelfall, das ist struktureller Rassismus, es ist beschämend, dass Menschen mit ausländisch klingendem Namen keine Antwort erhalten.
Dietmar Strehl (Grüne), Aufsichtsratsvorsitzender der Brebau und Finanzsenator
Auch der Aufsichtsratsvorsitzende der Brebau Dietmar Strehl (Grüne) kündigte bereits erste Schritte zur Aufklärung des Brebau-Skandals an: "Wir werden jemanden reinschicken, der da reinschaut und Maßnahmen und auch personelle Konsequenzen vorschlägt." Diese Aufgabe solle der Jurist und frühere Justiz-Staatsrat Matthias Stauch übernehmen. Stauch, der Honorarprofessor für Öffentliches Rechts an der Universität Bremen ist, werde da "viel Zeit reingeben" und in der Brebau vor Ort sein.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 21. Mai 2021, 19:30 Uhr