Interview
Darum streitet die Enquete-Kommission über Fleischverzehr und Tempo 30
Der Kommissionsvorsitzende Martin Michalik verrät, warum Klimaziele für Bremen wichtig sind und über Tempolimits und Fleischkonsum heiß debattiert wird.
Herr Michalik, was hat Bremen davon, sich Gedanken um ein Klimaschutzziel 2030 zu machen?
Der Klimaschutz interessiert uns alle und den kann man nicht wegdenken. Der Klimawandel findet ja statt. Jeder sollte dagegen seinen Beitrag leisten – auch Bremen.
Hat die Bremische Politik überhaupt einen Hebel für die großen Treibhausgasproduzenten wie zum Beispiel das Stahlwerk? Oder bleibt es bei Vorgaben für Unternehmen mit Bremer Mehrheitsbeteiligung?
Nein, da gibt es tatsächlich ganz andere Stellschrauben. Was zum Beispiel die Dekarbonisierung des Stahlwerks angeht, geht es darum, dass dem Senat gezeigt werden könnte, dass zügige Genehmigungsverfahren beim Ausbau des Stromnetzes sehr hilfreich wären. Wir brauchen auch beschleunigte Zulassungsverfahren für geplante Elektrolyseure…
…also Anlagen, mit denen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten wird.
Ja. Da kann die Politik durchaus Hebel bewegen.
Welche Punkte sind in der Kommission besonders umstritten?
Exemplarisch könnte ich dazu die Finanzierungsmöglichkeiten für die Sanierung von Gebäuden nennen. Da steht zum Beispiel im Raum, ob man irgendetwas mit der Grunderwerbssteuer macht. Das ist ein hochumstrittener Punkt. Dann gibt es auch Streit über die Verlagerung von Verkehr oder wie man Verkehr einschränken sollte. Das sind schon sehr strittige Punkte. Es gibt auch im Bereich Konsum viele Punkte, über die wir unbedingt sprechen müssen.
Soll es Tempo 30 für die ganze Stadt geben und wie viel Fleisch sollen wir essen?
Das sind genau die Punkte. Was weniger Fleisch angeht, ist es so, dass wir schon konsensual unterwegs sind. Aber die Frage ist, in welcher Größenordnung. Das ist höchst strittig. Das Gleiche gilt auch für die Maßnahmen im Verkehrssektor, zum Beispiel Tempo 30. Das ist hoch umstritten. Da muss man eine vernünftige Lösung finden. Wir warten aber auch noch auf Zahlen, um das seriös beantworten zu können.
Wie könnte ein Kompromiss oder eine Einigung bei Tempo 30 aussehen?
Indem man die Interessen der Bevölkerung abwägt. Man muss gucken, wozu das führen könnte. Wo könnte es zu Gefahren führen, weil es längere Rückstaus gibt? Es ist nicht so, dass man Sachen pauschal ablehnt, sondern man muss darüber reden.
Die Pläne der Enquete-Kommission basieren zu einem Großteil auf der Hoffnung, dass Wasserstoff ab dem kommenden Jahrzehnt fossile Energieträger ersetzen kann. Was würde ein Scheitern dieses Ansatzes für die Pläne der Kommission bedeuten?
Die Kommission erarbeitet ein Maßnahmenpaket. Es ist aber so, dass die Kommission selbst nichts umsetzen kann. Das ist Aufgabe der Exekutive. Was das Thema Wasserstoff angeht, ist es so, dass wir uns sehr stark damit auseinandergesetzt haben und auch sehr dafür sind, das Anwendungsfelder entwickelt werden. Die Enquete-Kommission hat aber keinen Einfluss auf die Faktoren, die dazu führen könnten, dass dieser Prozess an irgendeiner Stelle scheitert.
Wie sehr hat die Pandemie den Klimaschutz und die Arbeit der Kommission beeinträchtigt?
Das ist sehr bedauerlich. Wir sollten ja genau vor einem Jahr im März starten. Aufgrund der Pandemie konnten wir dann erst im Mai beginnen. Aber wir haben uns vorab schon versucht zu koordinieren und zusätzliche Termine vereinbart. Wir haben sechs Arbeitsgruppen ins Leben gerufen, die sich außerhalb der Kommission mit Schwerpunktthemen der Sektoren befassen. Aber es ist so, dass uns das in Summe zwei bis drei Monate in Richtung Abschlussbericht zurückwirft.
Was steht jetzt noch bis zum Ende des Jahres an?
Wir werden uns mit den Finanzierungsmöglichkeiten auseinandersetzen. Das ist ein ganz wichtiger Punkt. Wir werden uns mit der Bilanzierung auseinandersetzen, das heißt, welche Maßnahme hat überhaupt welchen Einfluss beziehungsweise welche CO2-Einsparpotenziale? Das ist wichtig, wenn es um die Priorisierung der Maßnahmen geht. Wir können nicht aufs falsche Pferd setzen. Wir müssen da ansetzen, wo wir die größtmöglichen Einsparpotenziale haben, die wir auch beeinflussen können. Wir werden noch weitere Themen, die wir bislang nicht so tief betrachten konnten, weiter besprechen und werden dann in Richtung Herbst anfangen, am Endbericht zu arbeiten.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. März 2021, 19:30 Uhr