Interview

"Beweislage ist erdrückend": RAF-Experte ordnet Klette-Prozess ein

Daniela Klette mit ergrautem Haar sitzt als Angeklagte im Landgericht Verden.

"Beweislage ist erdrückend": RAF-Experte ordnet Klette-Prozess ein

Bild: Imago | Noah Wedel

Der Prozess gegen die Ex-RAF-Terroristin Daniela Klette beginnt. Der Autor Butz Peters spricht über die Ermittlungen, eisernes Schweigen vor Gericht und ihre Weggefährten.

Herr Peters, hätten Sie damit gerechnet, dass es noch zu einem so großen Prozess gegen ein ehemaliges RAF-Mitglied kommen würde?

Es erschien über Jahrzehnte ausgeschlossen. Die Fahnder hatten bereits 1993 versucht, Klettes Fährte aufzunehmen. Doch sie war wirklich mehr als drei Jahrzehnte lang wie vom Erdboden verschluckt.

Es gab keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie mitten in Berlin wenig zurückgezogen gelebt hat. Und niemand ist auf die Idee gekommen, dass es sich bei ihr um die Gesuchte handeln könnte. Es liefen große Fahndungsmaßnahmen gegen sie. Es gab Plakate mit ihrem Foto, aber sie blieb unentdeckt.

Was denken Sie: Wird Klette vor Gericht eisern schweigen oder wird sie eine Aussage machen?

Anhaltspunkte dafür, was sie in der Sache sagen wird, gibt es nicht. Aber: Die Beweislage bei ihr ist relativ erdrückend. Wir reden ja nur über die Raubstraftaten in diesem Verfahren. Zeitgeschichtlich deutlich spannender ist der RAF-Komplex, der anschließend verhandelt werden soll. Und da muss sie sich überlegen, ob sie etwas sagt. Es ist das Recht eines jeden Angeklagten, im Strafverfahren zu schweigen. Sie kann aber auch angesichts der Beweislage Einlassungen machen. Das wirkt in der Regel strafmildernd.

Porträtaufnahme eines Mannes in Anzug und mit Brille.
Der RAF-Experte Butz Peters ist als Rechtsanwalt, Autor und Journalist tätig. Bild: Imago | Reiner Zensen

Von der dritten RAF-Generation, die 1984 in den Untergrund gegangen ist, wurden bisher nur zwei Mitglieder gefasst und vor Gericht gestellt. Und beide Frauen haben eisern geschwiegen. Es gab keine Kooperation mit den Ermittlungsbehörden.

Die Sicherheitsvorkehrungen in diesem Prozess sind sehr hoch. Sind die denn überhaupt notwendig?

Die Sicherheitsbehörden haben diese Maßnahmen getroffen, weil sie ein Bedrohungspotenzial sehen. Während des Stammheim-Verfahrens Mitte der 1970er-Jahre gab es ein breites RAF-Umfeld. In vielen Fällen waren das Rekrutierungsbecken für neue Mitglieder. Das gibt es heute nicht.

Die RAF hat sich 1998 aufgelöst und in ihrer Auflösungserklärung geschrieben, dass sie gescheitert sei, dass sie ihr Ziel nicht erreicht hat. Die RAF steckte in der Sackgasse, war völlig isoliert. Sie hatte kapiert, dass ihr Revolutionsmodell nicht funktioniert. Allerdings hatte sie bis dahin 34 Menschen ermordet.

Es gibt auch heute Unterstützer.

Ja, es gibt im linksextremistischen Spektrum Personen, die sie unterstützen. Aber das ist nicht zu vergleichen mit dem Unterstützer-Umfeld, das es in den 1970er-Jahren gegeben hat.

Schauen wir auf die beiden flüchtigen RAF-Mitglieder Burkhard Garweg und Ernst-Volker Staub. Rechnen Sie auch bei denen mit einem baldigen Fahndungserfolg?

Schwer zu sagen. Das ist Kaffeesatzleserei. Garweg ist es gelungen, ganz in der Nähe von Daniela Klette über viele Jahre in Berlin zu leben. Die Personen aus dem Umfeld, die dazu befragt wurden, haben gesagt, dass sie das nicht geahnt hätten. Und nun lautet die große Frage, wohin er abgetaucht ist. Ich vermute, dass er relativ weit weg ist, weil Bilder von ihm überall zu sehen sind, auch Bilder aus jüngerer Zeit.

Ernst-Volker-Staub ist mittlerweile 71 Jahre alt. Es gibt keine Hinweise, wo er die ganze Zeit gesteckt hat – jedenfalls keine, die die Ermittler bisher bekannt gegeben haben. Es schwirrt auch immer wieder mal das Gerücht um, dass er längst verstorben sei. Über Staub weiß man nichts. Bei Garweg weiß man, dass er bis vor einem Jahr sehr fidel in Berlin gelebt hat.

Müssen beide fürchten, dass Klette vielleicht über sie aussagt?

Die Gefahr halte ich für relativ gering. Unter ehemaligen RAF-Mitgliedern gilt ein eisernes Gebot des Schweigens. Bisher haben sich fast alle daran gehalten, und in der dritten Generation hat es bisher noch niemandem gegeben, der ausgepackt hat.

(Das Interview führte Michael Kruse für Bremen Eins. Das Gespräch aufgeschrieben und redigiert hat Sebastian Krüger.)

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Autor

  • Michael Kruse
    Michael Kruse Nachrichtenredakteur

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 25. März 2025, 9:10 Uhr