Bremer Parzellenglück: Wie sich jetzt das Kleingartenfieber ausbreitet
Schrebergärten sind derzeit heiß begehrt. Bis zu 800 Menschen stehen auf einer Warteliste. Doch die Hoffnung auf eine Parzelle nicht aufzugeben, lohnt sich.
Radieschen, Salat und Knoblauch sind schon längst ins Hochbeet gesetzt. Die Beete sind von Unkraut befreit, Frühblüher recken sich Richtung Sonne. Im lichtdurchfluteten Gewächshaus haben Gurke, Paprika, Tomate und Melone einen Platz gefunden. Das nächste Projekt: ein Pool von vier mal vier Metern und der Ausbau der Grillecke.
Der gebürtige Bremerhavener Jörg Reichelt und seine Frau Heike sind schon seit Januar fleißig in ihrem Schrebergarten in Loxstedt. Wie sie sind derzeit viele Pächter froh, bei mildem Wetter und während der Corona-Beschränkungen die Zeit im Grünen zwischen Pfingstrosen und Gartenlaube verbringen zu können.
Nachfrage steigt
Rund 17.000 Gartenfreunde sind im Land Bremen Mitglied in einem Kleingartenverein. Davon gibt es 86 in Bremen und 14 in Bremerhaven. Ungewöhnlich viele Menschen wollen derzeit einen Schrebergarten pachten. Ein Anstieg der Nachfrage sei jedes Frühjahr zu bemerken, sagt Katharina Rosenbaum vom Landesverband der Gartenfreunde Bremen. Doch in diesem Jahr sei er besonders hoch. Der Grund dafür ist wahrscheinlich die Corona-Pandemie mit ihren einschneidenden Auswirkungen.
In Bremen kostet eine 400 bis 600 Quadratmeter große Parzelle mit Laube rund 200 Euro Jahrespacht. Eine attraktive Möglichkeit für Menschen ohne eigenen Garten oder Balkon. So attraktiv, dass es in Bremen sogar einen Gartenverein gibt, auf dessen Warteliste 800 Personen stehen. Auch in Bremen-Nord würden derzeit Gärten – sogar ohne Laube – unbefristet verpachtet, sagt Rosenbaum. "Davon sollte man sich aber nicht abschrecken lassen. Gerade in Bremens Westen stehen die Chancen gut, eine Parzelle zu bekommen", rät Bremens Obergärtnerin. Auskunft über die einzelnen Vereine gibt der Landesverband der Gartenfreunde Bremen.
Füße hoch oder Hände in die Erde
Familie Reichelt hatte vor fünf Jahren Glück. Trotz Warteliste dauerte es nicht lange, bis sie den Schlüssel zu ihrer Datsche bekamen. Seitdem haben sie wilden Brombeersträuchern den Garaus gemacht, alte Blumenbeete umgestaltet, die Gartenlaube renoviert und einen Spielturm samt Schaukel für Sohn Max gebaut. Ein Garten ist eben nicht nur Ruhezone, sondern auch harte Arbeit. "Hier gibt es immer etwas zu tun und wir sind noch längst nicht durch", sagt der stolze Parzellist Jörg Reichelt. In ihrer 500 Quadratmeter großen Oase verbringt die Familie so viel Zeit wie möglich. "Am Wochenende sind wir von 9 bis 22 Uhr hier und in der Woche geht’s nach dem Feierabend auch direkt hierher", sagt der 48-Jährige. Die Rollenaufteilung ist klassisch: Er ist der Mann fürs Grobe, seine Frau kümmert sich um die Beete und der sechsjährige Max nutzt den Garten, um sich auszutoben.
Kleingärten können einen Großteil zur Steigerung der Lebensqualität beitragen.
Katharina Rosenbaum, Landesverband der Gartenfreunde Bremen
Die Parzelle sei allerdings nicht nur ein Ort, um es sich gut gehen zu lassen, sondern auch ihr städtebaulicher Effekt sei enorm, so Rosenbaum. Mit einer Fläche von insgesamt 1.040 Hektar sind Kleingärten in Bremen ein wichtiger Lebens- und Rückzugsort für viele Tiere und Pflanzen. Während sich Städte im Sommer in wahre Glutöfen verwandeln können, schaffen die Grünflächen in Kleingärten eine Abkühlung von 6 bis 7 Grad Celsius.
Kleingärtner-Klischees
Die Klischees von Gartenzwergen und Pächtern, die Heckenhöhe und Nachbarn ganz genau im Auge behalten, bringen Rosenbaum zum Schmunzeln.
Natürlich kenne sie diese Zeitgenossen. Die Vorschriften des Bundeskleingartengesetzes seinen allerdings wichtig, um Kleingartengebiete als solche erhalten zu können und vor Flächenfraß beispielsweise durch Industriegebiete zu schützen. "Kleingärten bilden die Vielfalt der Gesellschaft ab. In den Bremer Pachtgärten kommen ungefähr 100 verschiedene Nationalitäten zusammen." Vom Kleinkind bis zum 90-jährigen Vereinsmitglied treffe man dort auf ziemlich jede Altersgruppe. Manche von denen besitzen sicherlich auch Gärtenzwerge.
Auch bei Familie Reichelt wacht so ein Gnom mit Imageproblem geduldig über Radieschen und Knoblauch. Allerdings nur, verrät Jörg Reichelt, weil der Vorpächter ihn dort zurückgelassen hat.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Vormittag, 20. Mai 2020, 10:15 Uhr