Fragen & Antworten
Bremerhaven macht es vor: Umwelt-Aktivismus gegen Bienensterben
Insekten finden immer weniger Nahrung, was drastische Folgen haben könnte. Mit 5.000 Beuteln Saatgut möchte Bremerhaven jetzt die biologische Vielfalt der Stadt fördern.
"Wir haben ein großes Insektensterben in Deutschland zu verzeichnen", sagt Lutz Becker vom Umweltschutzamt Bremerhaven. Das könne jeder Autofahrer gut erkennen: Noch nie hätten nach Fahrten so wenig Insekten auf den Windschutzscheiben geklebt wie heute. Die krasseste Auswirkung könnte laut Becker sein, dass Menschen Nutz- und Zuchtpflanzen irgendwann mit Pinseln selbst bestäuben müssten, wie es teilweise in China schon der Fall sei. Seit 2011 gehört Bremerhaven dem Bündnis "Kommunen für biologische Vielfalt" an und die Saatgut-Aktion Teil dieser Initiative. Insgesamt 5.000 kostenlose Beutel können sich die Bremerhavener beim Umweltschutzamt und im Klimastadtbüro ab sofort abholen. Doch der Inhalt sollte nicht einfach wahllos ausgesät werden.
Wie kann man mit Saatgut Bienen helfen?
"Wenn Insekten keine Nahrung finden, bleiben sie weg", sagt Becker. "Mit dramatischen Folgen." Grund sei auch der Trend zu unnatürlichen Schotter- und Steingärten ohne Blumen. Die Aktion in Bremerhaven ist laut Becker so gedacht, dass dank der Saatgutmischung wieder "wilde Ecke" in Gärten entstehen oder sie in großen Kübeln oder Balkonkästen ausgesät werden, um so Insekten wieder mehr Nahrungsquellen zu bieten.
Was ist dabei zu beachten?
Wichtig ist, dass es sich bei den Samen um regionale Pflanzen handelt, mit denen die Insekten etwas anfangen können. Die 5.000 Tütchen in Bremerhaven enthalten Saatgut für Gräser, Kräuter, Hornklee, Schafgarbe, Glockenblume und Margerite. Die Pflanzen sind mehrjährig, so dass die Insekten auch im Folgejahr davon profitieren können. Zwei Gramm reichen laut Umweltschutzamt für einen Quadratmeter. Gut eigne sich ein Standort mit Sonne bis Halbschatten.
Was ist "Guerilla Gardening"?
Wer auch außerhalb des eigenen Gartens Pflanzen aussäht und so öffentliche Grünflächen erblühen lassen will, kommt schnell in den Bereich des sogenannten "Guerilla Gardenings" – nach Angaben der Webseite der Stadt Bremen eine besonders subversive Form des urbanen Gärtnerns. Demnach entstehen scheinbar aus dem Nichts grüne Oasen an nicht dafür vorgesehenen Orten. Dies sei von Aktivisten oft auch als Kritik an verfehlter Stadtplanung gemeint.
Was ist erlaubt, was nicht?
"Guerilla Gardening ist ein sehr weiter Begriff", sagt Kerstin Doty vom Umweltbetrieb Bremen. Was erlaubt ist, sei daher schwer pauschal zu beantworten. "Wenn man eine 'Flowerbomb' mit Samen in ein Beet schmeißt, wird sicher niemand sagen, dass das aber verboten ist", so Doty. Von einem "Guerilla Gardening"-Gesetz habe sie noch nirgends gelesen. "Aber einfach so Gurken oder Grünkohl in ein Beet zu pflanzen, das geht nicht." In öffentlichen Parks bestehe zudem die Gefahr, dass so kultivierte Blumen abgemäht würden – nicht aus Boshaftigkeit sondern, weil sie beim Rasenmähen übersehen werden. Größere Pflanzen oder gar ganze Bäume sind demnach in gestalteten Grünanlagen mit Denkmalschutz nicht gewollt: Dort gebe es oft geplante Sichtachsen. Viele Parks gehören laut Doty der Stadt, daher würden sie so gestaltet und gepflegt, dass für alle Menschen etwas dabei sei. Wer selbst Pläne zur wilden Begrünung habe, müsse bei der Umweltsenatorin nachfragen. Auch, wenn ein Anruf dem heimlichen Charakter von Guerilla Gardening schon fast widerspreche.
Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, 2. März 2020, 9:10 Uhr