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Noch vor Weihnachten gegen Grippe oder Corona impfen lassen?

Corona-Impfung vor Weihnachten? Das sagt der Bremer Experte Hajo Zeeb

Bild: Imago | Michael Weber

Ist eine Impfung vor Weihnachten noch sinnvoll? Was Experten für Kinder, Erwachsene und ältere Menschen in Bremen raten und warum, beantworten wir hier.

Atemwegserkrankungen, Grippewelle, Corona – die Krankenstände sind bundesweit und in Bremen so hoch wie selten. So meldet das vom RKI betriebene Web-Portal "GrippeWeb", das Informationen direkt aus der Bevölkerung auswertet, derzeit rund 11.400 akute Atemwegserkrankungen pro 100.000 Einwohner. Für das Land Bremen mit seinen rund 676.000 Einwohnern entspräche das aktuell gut 77.000 Krankheitsfällen.

Ist es daher bereits zu spät, sich zu impfen? Oder sollten Kinder, Erwachsene und die Generation 60 plus sich gerade deshalb jetzt piksen lassen? Bremer Experten geben Antworten.

1 Kinder: Doppelt schützt besser

Bremen hat am vergangenen Wochenende das Kinderimpfzentrum am Brill geschlossen. "Die Nachfrage war einfach zu gering", sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressorts. Auch der Vorsitzende der Bremer Kinder- und Jugendärzte, Stefan Trapp, hält diese Entscheidung für nachvollziehbar. "Ich rechne nicht mit einer weiteren Corona-Welle bei Kindern", sagt er. Die Nachfrage nach der Impfung sei derzeit so gering, dass sie in der normalen Versorgung der Praxen leistbar sei.

Ein Kindwird geimpft (Symbolbild)
Für Kinder gilt die Kombination aus Impfung und durchgemachter Corona-Erkrankung als besten Schutz vor weiteren Infektionen. Bild: Imago | Westend61

Corona-Impfung für Kinder?

Für Kinder und Jugendliche werden, je nach Alter, vier unterschiedliche Corona-Impfstoffe verabreicht. Doch nicht jede Impfung sei nötig, sagt Kinderarzt Trapp. "Tatsächlich ist die Stiko-Empfehlung, die ich auch sinnvoll finde, dass noch nicht gegen Corona geimpfte, gesunde Kinder im Alter ab fünf Jahren eine Corona-Impfstoffdosis bekommen sollten.

Im Grunde sei das beste eine Mischung aus der durch die Erkrankung ausgelöste Schleimhaut-Immunität und die durch die Impfung ausgelöste Blut-Immunität, sagt Trapp.

Die Kombination aus dem Kontakt mit dem Wildvirus und einer Impfung ergibt, nach allem was wir wissen, den besten Schutz.

Ein Mann mit grauen Haaren, Bart und Brille sitzt vor einem Monitor und schaut in die Kamera.
Stefan Trapp, Landesverbandsvorsitzender der Bremer Kinder- und Jugendärzte

Für ebenfalls ratsam hält der Mediziner eine vollständige Immunisierung durch Impfungen für Kinder, die schwere Grunderkrankungen hätten, übergewichtig seien oder mit Risikopersonen in einem Haushalt lebten. "Ab zwölf Jahren empfehlen wir dann eine ganz normale Booster-Impfung", sagt Trapp.

Grippe-Impfung für Kinder?

Eigentlich hatten Kinder- und Jugendärzte erst zum kommenden Jahresbeginn mit einer Influenza-Welle gerechnet. "Wir haben aber jetzt schon viele Influenza-Fälle in den Praxen", sagt Trapp. Daher empfiehlt er vor allem Risikogruppen, zum Beispiel Patienten mit schwerem Asthma, mit Herzproblem oder Diabetes, eine entsprechende Impfung. "Die Impfung ist auch jetzt noch möglich und aus meiner Sicht auch sinnvoll", sagt der Jugendarzt.

Ausschließlich Kinder mit Vorerkrankungen gegen Grippe zu impfen, entspricht zwar der Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko). "Da kann man aber auch liberaler vorgehen", sagt der Bremer Epidemiologen Hajo Zeeb. So empfehle beispielsweise die Weltgesundheitsorganisation, dass Kinder generell gegen Grippe geimpft werden sollten.

2 Erwachsene: Keine Eile erforderlich

Die anhand der RKI-Zahlen hochgerechneten rund 77.000 Atemwegserkrankungen in Bremen in der ersten Dezemberwoche gehen auf verschiedene Erreger zurück. Dazu zählen das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ebenso wie Grippe- und Corona-Viren. "Die Gemengelage ist daher kompliziert, der Immunstatus oft ungewiss", sagt der Bremer Virologe Andreas Dotzauer.

Die Gefahr, sich jetzt zu infizieren, ist extrem hoch.

Virologe Andreas Dotzauer steht auf einem Flur.
Andreas Dotzauer, Virologe an der Uni Bremen

Während es für RS-Viren keine Impfung gibt, besteht zumindest für Influenza und Corona die Möglichkeit, sich immunisieren zu lassen.

Corona-Impfung für Erwachsene?

"Je nach persönlichem Risiko kann der Verlauf schwer sein", sagt Dotzauer. Der Virologe verweist außerdem auf eine Studie, derzufolge mehrfache Corona-Infektionen das Risiko erhöhen, an der Krankheit zu sterben oder Organschäden zu erleiden. "Das ist ein Risiko, das jeder Mensch abwägen muss", sagt der Virologe.

Ob eine Impfung noch vor Weihnachten sinnvoll sei, hänge auch vom Abstand der letzten Impfung oder der letzten Erkrankung ab, sagt Dotzauer. Davon hänge ab, wie gut die Antikörper angeregt würden und wie sich immunologische Gedächtniszellen bildeten. "Dreifach geimpft und im Sommer eine Infektion durchgemacht, da würde ich mich jetzt nicht impfen lassen", sagt der Virologe. Da könne man ruhig sieben bis zehn Monate warten.

Ähnlich sieht es der Bremer Epidemiologen Hajo Zeeb.

Ein weitere Booster, der sollte frühestens sechs Monate nach der letzten Impfung oder Infektion gemacht werden.

Epidemiologe Hajo Zeeb in seinem Büro
Hajo Zeeb, Epidemiologe an der Uni Bremen

Der Zugewinn sei sonst bei Menschen ohne Vorerkrankungen gering.

Ein Mann wird geimpft (Symbolbild)
Vor allem Risikogruppen sollten sich unter den Erwachsenen sowohl gegen Grippe als auch gegen Corona impfen lassen. Bild: Imago | Westend61

In Bremens Impfzentren werde derzeit eine fünfte Impfung für gesunde Erwachsene, die keiner Risikogruppe angehören, nicht einmal angeboten, heißt es aus dem Gesundheitsressort. Kältebedingt werden auch die mobilen Impftrucks ab der kommenden Woche nicht mehr durch Bremen rollen. "Die mobilen Impfteams bleiben aber im Einsatz", sagt Ressortsprecher Fuhrmann. Öffentliche Impfangebote gebe es im Winter dann beispielsweise in Kirchen, Schulen, Sport- und Kulturvereinen.

Grippe-Impfung für Erwachsene?

"Es ist offensichtlich so, dass durch die sehr gering verlaufende Influenza-Welle der letzten zwei Jahre jetzt eine größere Welle da ist", sagt der Epidemiologe Zeeb. Die Basisimmunität für Influenza sei in diesem Jahr nicht mehr so groß. "Deshalb ist die Impfung vor allem für Menschen, die viel unterwegs sind oder viele Kontakte haben, eine gute Idee."

Bremens Gesundheitsressort weist darüber hinaus auf die Stiko hin, die für Menschen im Alter ab 18 Jahren vor allem für chronisch Kranke und Schwangere eine Grippe-Impfung empfiehlt.

3 Generation 60 plus: Antikörper im Vordergrund

In der Gruppe der über 60 Jahre alten Bremerinnen und Bremer sind dem RKI zufolge deutlich mehr als 90 Prozent vollständig geimpft. Doch nur gut die Hälfte hat bislang eine zweite Auffrischungsimpfung.

Corona-Impfung für ältere Menschen?

"Bei älteren Menschen ist die zusätzliche Booster-Impfung in jedem Fall empfehlenswert", sagt Zeeb. Damit liegt der Epidemiologe auf einer Linie mit der Stiko, auf die auch das Bremer Gesundheitsressort verweist.

Eine Rentnerin wird geimpft (Symbolbild)
Für Menschen ab 60 Jahren empfehlen Stiko und Bremer Experten auch angesichts der schon jetzt angesichts hoher Krankenzahlen einen umfänglichen Impfschutz. Bild: Imago | Westend61

Je älter Menschen würden, desto schwächer fielen Immunreaktion aus, sagt der Virologe Dotzauer. Vor diesem Hintergrund steige das Risiko einer Ansteckung und eines schweren Verlaufs. "Da sollten sich gerade Menschen mit erhöhtem Blutdruck, Kreislaufproblemen oder Übergewicht überlegen, ob sie sich nicht mit kürzeren Impfabständen von rund sechs Monaten anfreunden, um die Antikörpermenge im Blut hochzuhalten."

Grippe-Impfung für ältere Menschen?

Die Ständige Impfkommission empfiehlt auch die Grippe-Impfung für Menschen, die älter als 60 Jahre sind. "Wir weisen mit Nachdruck auf diese Empfehlung hin", sagt Lukas Fuhrmann, Sprecher des Bremer Gesundheitsressort. Der Grund: Würde der Hohepunkt von Grippewellen gewöhnlich Ende Januar oder Anfang Februar erreicht, sei dies in diesem Fall bundesweit viel früher der Fall als sonst.

In Bremen liegen wir aktuell nur noch leicht unter diesem Peak, bundesweit sind wir jetzt schon darüber.

Lukas Fuhrmann im Interview.
Lukas Fuhrmann, Sprecher des Gesundheitsressort

Auch parallele Impfungen gegen Grippe und Corona seien unbedingt sinnvoll. Gerade hochaltrige Menschen sollten darüber hinaus eine Pneumokokken-Impfung mit einbeziehen. "Denn Pneumokokken und Grippe können zusammen eine schwere Lungenentzündung und insgesamt eine schwere Erkrankung hervorrufen", so Fuhrmann.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 13. Dezember 2022, 19:30 Uhr