Raus aus der Bildungsmisere: Welchen Weg sehen die Bremer Parteien?
Immer wieder landet Bremen bei Bildungsstudien auf den hinteren Plätzen. In der Wahl-Mobil-Reihe haben wir Politiker gefragt, wie sie die Lage verbessern wollen.
Lehrkräftemangel, schlechte Studienergebnisse, Sanierungsstau: Bildung ist seit Jahren in Bremen ein leidiges Thema. Immer wieder belegt das kleinste Bundesland bei bundesweiten Studien den letzten Platz. Und der Fachkräftemangel macht sich auch an Schulen und in den Kindertagesstätten bemerkbar. Das sorgt für Unzufriedenheit unter Eltern, Kindern und Lehrern. Die Bremer Meinungsmelder haben der Landesbildungspolitik jüngst sogar die Note 5+ verteilt.
Wie wollen dann die Parteien im Land Bremen nach der Wahl die Lage an Bremer Schulen verbessern? Radio-Bremen-Moderator Felix Krömer hat den Vertretern und Vertreterinnen der Bremer Parteien in der Diskothek La Viva in Bremen-Mitte diese und weitere Fragen zum Thema Bildung gestellt. Die Fragen kamen aus dem Publikum vor Ort, den Menschen in den sozialen Netzwerken und den Zuschauern des Live-Streams.
Hier finden Sie die wichtigsten Themen und Aussagen des Abends:
1 Was kann man gegen den Lehrkräftemangel tun?
Der Fachkräftemangel macht auch vor Schulen und Kitas nicht halt: An den Schulen fehlen Lehrer und Lehrerinnen, dutzende Stellen bleiben unbesetzt. Das sorgt für Unterrichtsausfälle und Stress unter Lehrpersonal und Eltern. Doch wie will die Politik das Problem lösen?
Bremens Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) sah die Lösung nicht allein bei einer besseren Bezahlung. Bremen stehe dabei im Bundesvergleich gar nicht so schlecht da. "Entlastung" sei wichtig, um den Beruf attraktiver zu machen. Ähnlich betrachteten es die weiteren Politiker und Politikerinnen am Tisch. Sofia Leonidakis, Linke-Sprecherin für Kinder, forderte, mehr Geld in Ausbildung und Fachkräftesicherung zu investieren. Studiengänge müssten ausgeweitet werden.
Die Fehler der Vergangenheit fallen uns heute auf die Füße.
Sofia Leonidakis, Linke-Politikerin
Christopher Hupe, Bildungssprecher der Grünen, wies auf das nicht-lehrende Personal hin, das verstärkt eingestellt werden könnte. FDP-Landesvorsitzender Thore Schäck fügte hinzu, mehr Freiheit in der Lehre könnte ebenfalls zur Attraktivität des Berufs beitragen. Daniel Schmidt von Bürger in Wut (BiW) kritisierte hingegen die Bremer Inklusionspolitik.
Die CDU-Sprecherin für Bildung, Yvonne Averwerser, möchte den Bildungshaushalt "besser ausfinanzieren". Doch wie das geschehen soll, darüber gingen die Meinungen am Tisch auseinander. Leonidakis kritisierte, die Schuldenbremse lasse nicht zu, dass man auf Dauer Investitionen über Kredite finanziert und schlug vor, sie aufzuweichen. Schäck sprach sich jedoch dagegen aus.
Permanente Neuverschuldung kann nicht die Lösung sein.
Thore Schäck, FDP-Landesvorsitzender
2 Kann man den Quereinstieg nicht erleichtern?
Manche Meinungsmelder beklagen hohe Hürden für Quereinsteiger und ausländische Fachkräfte. Bildungssenatorin Aulepp wies darauf hin, man habe mit dem Programm für Quereinsteiger "Back to School" bereits einige Hürden abgesenkt. Averwerser mahnte jedoch an, die Qualität dürfe dabei nicht sinken. Hupe erwiderte, die Qualität werde auch geringer, wenn die Belastung der Lehrkräfte zu hoch sei.
3 Wie gut läuft es mit der Inklusion?
Inklusion ist ebenfalls immer wieder ein Streitthema. Die Ausstattung sei noch nicht gut genug, bestätigt Leonidakis. Derzeit fehlten ungefähr 160 Lehrkräfte für Inklusion. Die Quote der inklusiv beschulten Kinder in Bremen sei sehr hoch – nur 0,8 Prozent werde nicht inklusiv unterrichtet. Dafür brauche man jedoch Personal. Eine schnellere Anerkennung von ausländischen Abschlüssen wäre laut der Linken-Politikerin in diesem Zusammenhang von Vorteil.
Schäck fand, dass die bisherige Herangehensweise nicht funktioniert. Man brauche eine bessere Ausstattung an den Schulen. "Das wird auch den Schüler, die von diesem System profitieren sollen, nicht gerecht", so der FDP-Politiker. Das wollte Bildungssenatorin Aulepp nicht so stehen lassen. Die Situation habe "riesige Herausforderungen" gestellt, doch der Anteil der Kinder mit Förderbedarf, die einen berufsqualifizierenden Abschluss erwerben, habe sich in zehn Jahren verdreifacht, sagte die SPD-Politikerin.
4 Qualität an Bremer Schulen: Sollen Noten ab der 3.Klasse eingeführt werden?
Der Präsident des deutschen Lehrerverbandes, Hans-Peter Meidinger, warf Bremen neulich eine Abkehr vom Leistungsprinzip vor und sprach von "Noteninflation". Könnten dann verpflichtende Ziffernnoten bereits ab der dritten Klasse helfen? Die Regierungsparteien sprachen sich dagegen, FDP, BiW und CDU dafür aus.
Für die CDU-Politikerin Averwerser tragen Ziffernnoten zur Transparenz bei und es schade "den Kindern nicht, wenn sie wissen, wo sie stehen". FDP-Landesvorsitzender Schäck fand, die Benotung könnte so für Eltern leichter zu verstehen sein – vor allem, wenn sie der deutschen Sprache nicht mächtig seien. Für die Linken-Politikerin Leonidakis sind hingegen Gespräche am hilfreichsten. Damit könnte man am besten verstehen, was das Kind gut und was es weniger gut könne. Ähnlich sehen es die Grünen.
Wir wollen über Qualität reden und wenn wir über Noten reden, ist das einfach eine Scheindebatte, die keinen großen Unterschied machen wird.
Christopher Hupe, Grüne
5 Wie kann der Beruf des Kita-Erziehers und -Erzieherin attraktiver werden?
Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung werden in Bremen in den kommenden Jahren 5.400 Kita-Plätze fehlen. Wie man das Problem lösen kann, darüber waren sich die Parteien nicht einig. Linken-Politikerin Leonidakis wies auf den Fachkräftemangel hin. Möglich sei, dass man vorübergehend Kompromisse bei der Qualität machen müsse. Parallel müsse man das Personal weiterbilden, um das Niveau langfristig zu sichern. Und eine bessere Ausbildungsvergütung sei nötig. Vor allem in den ärmeren Stadtteilen ist der Kita-Platzmangel groß, das wirke sich auf die Chancen von Frauen und Kindern negativ aus.
Man müsse die Ausbildungskapazitäten künftig steigern, sogar verdoppeln, fügte Bildungssenatorin Aulepp hinzu. Für die FDP müsse man nicht nur für den Job werben, sondern auch "an das Geld ran". Zusätzliche Räume und Gebäude alleine könnten das Problem nicht lösen. "Es braucht nicht nur Beton, sondern es braucht am Ende auch die Erzieher und Erzieherinnen – die Menschen", so Schäck.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 24. April 2023, 18:00 Uhr