Interview

Warum gehen immer mehr Pflegeheime in Bremen pleite?

"Niemand wird auf der Straße landen": Bremer Senat zu Pflegeheimpleite

Bild: dpa | Fotostand/Gelhot

Pflegeheimbetreiber Convivo hat Insolvenz angemeldet. Auch eine Einrichtung in der Neustadt ist pleite. Reinhard Leopold vom BIVA-Pflegeschutzbund über mögliche Gründe.

Welche Gründe kann eine Pflegeheim-Pleite haben?

Es gibt verschiedene Gründe, warum Anbieter von ambulanter und stationärer Pflege in finanzielle Schieflage geraden können. Bei dem Pflegeheim im Kirchweg in der Neustadt ist es so, dass die Immobilie nicht so in Schuss gehalten worden ist, wie es notwendig gewesen wäre. Die Betreiberin des Pflegeheimes war lange auch Immobilienbesitzerin. Das alte Gebäude und die damit verbundenen Investitionen haben vermutlich zur Insolvenz geführt. Trotzdem hätte meiner Meinung nach die Heimaufsicht die baulichen Mängel schon viel früher sehen und entsprechend reagieren müssen.

Reinhard Leopold
Der Bremer Regionalleiter des BIVA-Pflegeschutzbunds, Reinhard Leopold, erklärt im Interview mögliche Gründe für Insolvenzen bei Pflegeheimen. Bild: Radio Bremen

Was Convivo angeht: Hier könnte ein überproportionales Wachstum mit hohen Renditeerwartungen der Grund sein. Wenn die Betreiber ihren Gewinn auch noch maximieren wollen, kann das zu Qualitätseinbußen führen. Mit der Folge, dass nun einzelne Einrichtungen durch Fehlkalkulation insolvent sind.

Dazu kommen die explodierten Energiekosten, sodass viele Betreiber mit den ausgehandelten Geldern nicht mehr zurechtkommen. Alles unvorhersehbare ist natürlich eine finanzielle Herausforderung. Die Heimbetreiber verhandeln mit den Pflegekassen und der Sozialbehörde einmal im Jahr über Pflegesatzkosten. Alles, was da nicht kalkuliert wurde, sind zusätzliche Kosten.

Was bedeutet eine Insolvenz für die Bewohner und Angehörigen?

Wir haben eh schon zu wenig stationäre Pflegeplätze. Insolvenzen verschärfen diese Lage noch. Wer es nicht schafft, die Menschen zu Hause zu pflegen, der braucht einen ambulanten oder einen neuen Heimplatz (Anmk. der Redaktion, falls das Heim geschlossen wird).
Ambulante Pflegedienste können auswählen, welche Menschen sie in welchen Stadtteilen pflegen. Gerade für Pflegebedürftige am Stadtrand ist das eine schwierige Situation, da manche Dienste nicht soweit fahren wollen.
Bei der stationären Pflege ist es so, dass diese zwischen Lang- und Kurzzeitpflege unterscheiden und in beiden Bereichen gibt es zu wenig Pflegeplätze.

So lange leben Bewohner in Pflegeheimen:

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Wie lange sucht man dann in Bremen und Bremerhaven nach einem neuen Betreuungsplatz?

Da gibt es keine pauschale Aussage. Einer Altenpflegeeinrichtung kommt es auf den diagnostizierten Pflegegrad und die Bedürfnisse der Menschen an. Bei Demenzerkrankungen und höherem Pflegebedürfnissen dauert es länger als bei fitteren Bewohnern.

Was muss sich ändern, um Insolvenzen zu verhindern?

Wir brauchen ein kritischeres Hinsehen, was in den Heimen passiert. Das muss die Heimaufsicht machen. Der Gesetzgeber muss dafür sorgen, dass die Vorgaben eingehalten werden. Und Mängel müssen Konsequenzen haben, das müssen gerade für gewinnorientierte Einrichtungen auch Geldstrafen sein.

Was wir vom Pflegeschutzbund seit Langem fordern, ist, Transparenz bei den Finanzen und bei der Personallage zu bekommen. Da ist die Politik in der Verantwortung, das öffentlich zugänglich zu machen, um Verbraucher zu informieren und zu schützen.

Können Sie einschätzen, ob solche Insolvenzen vermehrt vorkommen werden?

Wir werden sicher noch weitere Insolvenzen erleben. Umso wichtiger ist es, dass die Politik und Regierung sich des Themas intensiv annehmen und Lösungen im Sinne des Verbraucherschutzes erarbeiten. Gewinne und Renditen müssen auf ein erträgliches Maß begrenzt werden und Versorgungsqualität die höchste Priorität bekommen.


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Bild: dpa | Sina Schuldt

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 24. Januar 2023, 19:30 Uhr