Interview
Neues Cannabis-Gesetz? Bremer erzählt von seiner Zeit als Süchtiger
Die bundesweite Cannabis-Legalisierung rückt näher. Der Bremer Journalist Hubertus Koch war 13 Jahre lang cannabissüchtig und sagt, was er davon hält.
Das Bundeskabinett hat am Mittwoch dem Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) zur Teillegalisierung von Cannabis zugestimmt. Über die Freigabe von Cannabis wird schon lange heftig diskutiert.
Hubertus "Hubi" Koch ist ein in Bremen lebender Journalist, Dokumentarfilmer, Youtuber und Podcaster. Für Bremen NEXT produziert er den Podcast "Süchtig nach Alles", in dem er den Umgang mit menschlichen Süchten aufgreift – von der Alkoholsucht, über die Spielsucht bis zur Arbeitssucht. In seinen Podcasts erzählt der 33-Jährige auch von seinen eigenen Süchten. 13 Jahre lang war er beispielsweise abhängig von Cannabis.
Herr Koch, Sie haben zweimal den Führerschein verloren, weil sie zuvor gekifft hatten. Wäre das erste Mal nicht schon der richtige Zeitpunkt gewesen, die Finger von Cannabis zu lassen?
Das ist schon richtig. Wobei ich sagen muss, ich bin nie bekifft gefahren, hatte aber am nächsten Tag passive Abbauprodukte im Blut. Und die Rechtsprechung ist so, dass man für geringste Mengen seinen Führerschein verliert.
Haben Sie denn Konsequenzen gezogen?
Ja, ich habe nach dem ersten Mal auch für zwei Jahre aufgehört. Nur dann ging es wieder los. Wie es halt so ist. Man ist dann nicht ganz so in der Kontrolle, wie man glaubt in der Kontrolle zu sein mit seinem Konsum. Und über eine gewisse Zeit wurde es dann wieder mehr.
Warum war es für Sie so schwer, mit dem Kiffen aufzuhören?
Das Problem an Cannabis ist, dass das Suchtpotenzial bagatellisiert wird. Das heißt, dass nicht darüber gesprochen wird oder zumindest noch nicht genug. Je nachdem, in welcher psychosozialen Verfassung man ist, in welcher Lebenssituation, kann die Droge eine Rolle einnehmen, die sich recht gut in den Alltag integrieren lässt. Im Ergebnis kann es aber darauf hinauslaufen, dass Cannabis wie eine Bleikugel lähmt, wenn man ein problematisches Konsummuster entwickelt.
Was heißt das im Alltag?
Na ja, die Klischees über Kiffer, die stimmen ja in vielerlei Hinsicht. Auch wenn die Kiffer selbst das wahrscheinlich nicht gerne hören. Man wird lethargisch, der Esprit und die Lebensfreude gehen schleichend flöten. Man wird irgendwann fahrig, muss mehr Kraft aufwenden für eigentlich einfache Dinge.
Und die Couch wird zum Mittelpunkt des Lebens?
Das muss nicht sein. Es gibt ja Kiffer, die durch andere Diagnosen beziehungsweise durch Selbstmedikation dadurch erst fähig sind, am Alltag teilzunehmen. Ich habe auch in Zeiten, wo ich sehr viel konsumiert habe, immer sehr gut funktioniert. Ich habe in dieser Zeit sehr viel gearbeitet, sehr erfolgreich gearbeitet, habe Auszeichnungen gewonnen und so weiter. Denn das Kiffen war bei mir immer ein absoluter Gegenpol zu dem sehr expressiven Arbeiten. Also das Klischee, du kämpfst und hängst nur noch auf der Couch in deiner Wohnung, das kann ich für mich so nicht unterschreiben.
Wann kam die Wende?
Das war eine Selbstmedikation in missbräuchlicher Form, die natürlich kurzfristig irgendwie den Zweck erfüllt hat. Auf lange Sicht hat sie aber mehr geschadet als genutzt. Man kann ja den Stress auch regulieren, ohne dass man Drogen nimmt.
Sie haben vor zweieinhalb Jahren aufgehört zu kiffen – nach 13 Jahren. Fehlen Ihnen die viel beschriebenen Nebenwirkungen wie Lockerheit, Lachanfälle oder Kreativitätsschübe?
Nö. Diese Momente vermisse ich überhaupt nicht. Denn mit jedem Konsum werden diese Nebenwirkungen, diese positiven Erfahrungen immer mehr überstrahlt von den negativen Aspekten. Nochmals in so einer Abhängigkeitserkrankung drinzustecken, darauf habe ich keinen Bock mehr. Cannabis hatte eine viel zu große Rolle in meinem Leben. Und weil ich mit dem Feuer gar nicht mehr spielen will, lasse ich es.
Würden Sie sagen, dass es beim Kiffen langfristig kein ab und zu geben kann, sondern nur ein ganz oder gar nicht?
Doch, doch. Für ganz viele Leute gibt es ein ab und zu und kann es ein ab und zu geben. Für mich selbst aber nicht. Es gibt ja auch für ganz viele Leute ein ab und zu beim Alkohol, bei Zigaretten oder Ecstasy. Andere hingegen entwickeln eine krasse Abhängigkeit. Und für die ist ein ab und zu absolut unmöglich.
Wo hört denn das ab und zu auf und wo beginnt die Sucht?
Ich würde sagen, wenn Entspannung zum Beispiel ohne Cannabis gar nicht mehr möglich ist. Wenn ich beim Konsum eine Wirkung suche. Wenn ich etwas brauche, eine Substanz oder einen Konsum, um einen gewissen Zustand oder eine gewisse Laune oder soziale Kompatibilität zu erreichen. Da ist ein Wirkungskiffer am Ende genauso wie ein Wirkungstrinker. Ein Warnsignal ist, wenn man fremdgesteuert handelt und nicht mehr selbst entscheiden kann, ob man konsumiert oder nicht.
Haben Sie nicht ab und zu das Bedürfnis, doch nochmal an einem Joint zu ziehen?
Eigentlich nicht. Also wenn ich jetzt zum Beispiel in Bremen an einem Sommertag am Deich spazieren gehe und ich rieche Cannabis und sehe eine Gruppe von Leuten, die dasitzen und kiffen, dann denke ich auch; Ach schön, und dieser Geruch, der löst melancholische Gefühle aus. Aber nach drei Schritten weiter denke ich mir: Ach nee, komm, lass mal.
Wie stehen Sie zu einem Werbeverbot für Cannabis?
Das finde ich völlig in Ordnung. Das halte ich auch bei sämtlichen anderen Genuss- und Betäubungsmitteln für sinnvoll – genauso wie zum Beispiel für Glücksspiele. Es ist dumm, wie man es in Deutschland mit den Drogen macht und dass man so ein Bohei um diese ganze Cannabis-Legalisierung macht. Stattdessen sollten man ein Bohei um die gesamte Drogenpolitik machen und daraus den Umgang mit Cannabis ableiten. Man sollte nicht um jede einzelne Substanz so einen großen Aufwand machen, sondern alles vereinfachen und mehr am potenziell süchtigen Menschen orientieren. Daher fände auch eine Altersbegrenzung ab 21 sinnvoll.
Warum?
Naja, die Zeit, in der viele mit dem Kiffen beginnen, ist oft noch die Schulzeit. Und wenn du kurz vor dem Schulabschluss nichts mehr auf die Kette kriegst, dann verkackst du direkt bei einer der wichtigsten Weichenstellungen deines Lebens. Erwachsene, die hingegen halbwegs im Leben stehen, merken ja recht schnell, dass das hinderlich ist und nervt und dass sie irgendwie gegensteuern müssen.
Könnten Sie sich vorstellen, dass Bremen sogar eine Modellregion für Cannabis wird?
Ja. Bremen würde sich natürlich als relativ kleiner Standort eignen, wo man das in so einem Mikrokosmos ausprobieren könnte. Im Viertel, wo ich wohne, wird ja relativ offen mit Drogen gehandelt. Im Grunde macht die Polizei da jeden Tag eine Razzia – und fünf Minuten später stehen andere Dealer da. In so einem Mikrokosmos könnte man sehen, was passiert. Wie verändert sich das öffentliche Straßenbild? Wie viel wird noch bei Dealern gekauft, wie viele Leute melden sich bei den Cannabis Social Clubs an? Das wäre sicher ein guter Standort, um einen Feldversuch zu machen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. August 2023, 19:30 Uhr