Diese Bremer Orte sind Hindernisse für Menschen mit Behinderungen
Am Freitag kam das Behindertenparlament zusammen. Menschen mit und ohne Beeinträchtigung beraten darüber, wie Bremen barrierefreier werden kann. Wo es hakt, schildern zwei Bremer.
Aktuell weihnachtet es wieder in der Bremer Innenstadt. Und Weihnachten ist schließlich ein Fest für alle – oder? Ganz im Gegenteil, sagt Joachim Steinbrück von der Beratungsstelle "Selbstbestimmt Leben Bremen". Der Bremer Weihnachtsmarkt sei weit entfernt von Barrierefreiheit und damit nicht für alle Menschen zugänglich. So seien Abdeckungen von Kabeln für gehbeeinträchtigte Personen, die sich mit Rollstuhl, Rollator oder Gehhilfen fortbewegen, "nach wie vor nicht oder nur mit Schwierigkeiten zu überwinden", sagt Steinbrück, der selbst eine Sehbehinderung hat. Auch viele Verkaufs- und Essensstände seien weiterhin nur über Stufen erreichbar.
Zu einer Verbesserung könnten verbindliche Regeln für zum Beispiel barrierefreie Marktstände bei der Auswahl der Schaustellerinnen und Schausteller beitragen, schlägt Steinbrück vor. Auf Weihnachtsmärkten in anderen Städten wie Mainz oder Erfurt klappt das bereits: Dort gibt es seit mehreren Jahren intelligente Wegführungen, Buden mit abgesenkten Tischen, Speisekarten in Brailleschrift und nicht zuletzt barrierefreie Webseiten.
Behindertenparlament kommt in der Bürgerschaft zusammen
Um die Frage, wie Bremen barrierefrei gestaltet werden kann, geht es bei der Tagung des Bremer Behindertenparlaments an diesem Freitag. Zum 28. Mal kommt das Parlament im Plenarsaal der Bremischen Bürgerschaft zusammen, um für die Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen in allen Lebenslagen einzutreten. Debattiert wird zum Beispiel über Themen wie Arbeit, Wohnen und Mobilität von Menschen mit Beeinträchtigungen.
Gerade die Mobilität ist ein Hauptanliegen der Debattierenden. Denn nicht nur auf dem Bremer Weihnachtsmarkt hakt es. Zwar hat sich in den letzten Jahren Einiges getan, barrierefrei ist Bremen aber längst nicht. "Bereits der Weg von der Haustür zur nächstgelegenen Bus- oder Bahnhaltestelle wird häufig zum Hindernislauf", sagt Arne Frankenstein, Bremens Landesbehindertenbeauftragter und selbst Rollstuhlfahrer. Viele Straßen hätten zu schmale Gehwege ohne Bordsteinabsenkungen. Immer wieder versperrten zudem Werbetafeln, Tische, E-Scooter, Fahrräder oder Mülltonnen den Weg.
Auch Joachim Steinbrück hält falsch abgestellte E-Roller für ein großes Problem, das gerade für blinde Menschen schnell zur Gefahrenstelle werden könne. Als eine Lösung schlägt er vor, spezielle Flächen einzurichten, auf denen die Roller zwingend abgestellt werden müssen.
Nahverkehr voller Barrieren
Ein weiteres Problem sind die Bus- oder Bahnhaltestellen in Bremen. Zwar seien im Bremer Stadtgebiet mittlerweile viele Haltestellen zu finden, die unter anderem mit einem taktilen, also auf Berührungen basierenden Leitsystem für blinde Menschen ausgestattet sind. Vollständig barrierefrei, wie es das Personenbeförderungsgesetz vorgibt, seien diese Haltestellen aber bei Weitem nicht, kritisiert Frankenstein. Die Um- oder Nachrüstung erfolge in Bremen zäh und im "Schneckentempo".
Sein Ziel ist es, langfristig bei allen Haltestellen einen niveaugleichen Einstieg in das Fahrzeug zu ermöglichen, um auch Menschen, die sich nicht schnell oder sicher fortbewegen können, einen barrierefreien Zugang zu ermöglichen. Das wünscht sich auch Florian Grams vom Arbeitskreis "Bremer Protest". Besonders lästig sei zudem die Störanfälligkeit der Hublift-Rampen der BSAG.
Ich bin mit meinem Rollstuhl in der Stadt sowieso schon langsam unterwegs. Die regelmäßigen Störungen auf den Bahnfahrten verlängern meine Reise zusätzlich.
Florian Grams vom Arbeitskreis "Bremer Protest"
Besser läuft es laut den Experten hingegen in Bremerhaven: Dort wird auf klappbare Rampen gesetzt, die vom Fahrpersonal selbst bedient werden.
Auch auf längeren Strecken müssten Schwierigkeiten einkalkuliert werden, berichtet Heiko Blohm. Der Behindertenrechtsaktivist ist mit seinem Rollstuhl häufig mit dem Zug zwischen Bremerhaven und Bremen unterwegs. Verspätungen und Zugausfälle kennt er in und auswendig. Doch der Schienenersatzverkehr, der dann zum Einsatz kommt, sei selten barrierefrei. Von den Verantwortlichen in Bremen fordert Blohm, den Schienenersatzverkehr so aufzustellen, dass Rollstuhlfahrer oder Menschen mit Rollatoren in jedem Bus garantiert einen "Platz" finden.
Bremer Innenstadt ist ein Hindernislauf
In der Bremer Innenstadt lässt sich die Liste der Barrieren fortführen: Für gehbehinderte Menschen und Rollstuhlfahrerinnen und -fahrer sei das Kopfsteinpflaster im gesamten Schnoor-Viertel schwer zu passieren. Hinzu kämen Geschäfte, die nur über Stufen zu erreichen sind sowie zu wenige öffentliche barrierefreie Toiletten, kritisieren die Experten.
Auch in vielen Restaurants und Kneipen sind die Toiletten nicht für alle Menschen zugänglich. Ein Besuch muss also genau geplant werden. "Mir fallen Läden, in denen es barrierefreie Toiletten gibt, immer noch positiv auf", erzählt Florian Grams. Zudem komme es immer wieder vor, dass die Toiletten zugestellt seien, weil sie als Abstellräume genutzt würden. Für Rollstuhlfahrer sei dann kein Durchkommen. Schärfere Kontrollen durch die Gewerbeaufsicht und Bußgeldbescheide hält Grams in diesen Fällen als Abschreckung für sinnvoll. Mit dieser und weiteren Forderungen kann sich das Bremer Behindertenparlament nun an die Politik richten.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau, 1. Dezember 2023, 8 Uhr