Interview

Bremer Sucht-Expertin zu Alkohol ab 14: "Gefährlich und problematisch"

Begleitetes Trinken ab 14? Regelung sorgt auch in Bremen für Diskussionen

Bild: dpa | Dasha Petrenko

Bremen will sich dafür einsetzen, das "betreute Trinken" abzuschaffen. Wie problematisch der Alkoholkonsum mit den Eltern für Jugendliche sein kann, erklärt eine Sucht-Expertin.

Ausnahmsweise ein Glas Sekt probieren oder ein Bier zum Grillen trinken: Bislang dürfen Jugendliche ab 14 Jahren Alkohol trinken, vorausgesetzt ihre Eltern sitzen daneben. Wenn es nach Bremen und Niedersachsen geht, soll sich das bald ändern. Die Bundesländer setzen sich dafür ein, dass beim Jugendschutz in Sachen Alkohol nachgebessert wird. Längst überfällig, findet auch die Bremer Sucht-Expertin Eileen Teuber, die die Suchtberatungsstelle der Caritas in Bremen leitet. Wir haben mit ihr über die Risiken des betreuten Trinkens gesprochen.

Frau Teuber, warum finden Sie das betreute Trinken kritisch?

Das begleitete Trinken suggeriert, dass es in Ordnung ist, in diesem Alter Alkohol zu konsumieren. Im Jugendalter finden jedoch sehr viele Entwicklungsprozesse statt, das heißt, unser Gehirn entwickelt sich in dieser Phase – und da ist Alkohol besonders schädlich. Deshalb finde ich es auch problematisch, wenn der Konsum verharmlost wird und es Jugendlichen möglich ist, zu trinken – auch wenn die Eltern dabei sind.

Welche Rolle spielen Eltern beim betreuten Trinken?

Die Idee ist, dass Eltern eine Vorbildfunktion haben und den ersten Alkoholkonsum begleiten sollen. Die Jugendphase ist aber davon gekennzeichnet, dass Jugendliche mal ausbrechen, andere Dinge erleben und sich vom Elternhaus abgrenzen wollen. Das sind normale Entwicklungsprozesse und die führen dazu, dass Jugendliche nicht unbedingt im Beisein der Eltern trinken. Eltern sollten als Vorbilder lieber die Position vertreten, dass sie sagen: "Lieber gar kein Alkohol" oder "Je später, desto besser". Sie sollten den Konsum nicht begleiten oder Anreize setzen, das erste Mal Alkohol zu konsumieren.

Reflektiere deinen Konsum und überlege, ob du überhaupt trinken möchtest.

Bremer Sucht-Expertin Eileen Teuber 

Inwiefern animieren Eltern ihre Kinder, Alkohol zu trinken?

Jugendliche haben in der Präventionsarbeit zu mir gesagt: Mein erster Alkoholkonsum war mit meinen Eltern bei meiner Konfirmation. Da wurde etwas bestellt – nach dem Motto, "jetzt darf ich ja". Und die Jugendlichen haben mir gesagt, sie wären von allein vielleicht noch gar nicht auf die Idee gekommen, Alkohol zu trinken. Die Eltern leben den Kindern so auch vor, dass es normal ist, zu solchen Anlässen Alkohol zu trinken.

Wie wirkt sich der frühe Einstieg auf das spätere Trinkverhalten als Erwachsener aus?

Je früher ich trinke, desto eher gehört der Alkohol für mich womöglich zum Alltag und zum Erleben dazu. Das heißt, je früher ich anfange, desto mehr etabliert sich der Alkoholkonsum vielleicht als Regelmäßigkeit in der Freundesgruppe oder im Elternhaus. Es entsteht das Gefühl, dass Alkohol in der Mitte der Gesellschaft akzeptiert ist. Dass Alkohol zu sozialen Anlässen dazugehört – zum Beispiel das Bier nach dem Fußballtraining und der Alkohol am Wochenende zum Feiern.

Suchtexpertin der Bremer Caritas, Eileen Teuber, schaut in die Kamera und lächelt
Eileen Teuber leitet die Suchtberatungsstelle der Caritas in Bremen. Bild: Radio Bremen

Es gibt also wenig Problembewusstsein, den Konsum überhaupt zu hinterfragen: Will ich überhaupt Alkohol trinken und wenn ja, wie viel? Das ist der wichtige Prozess, zu dem wir Jugendliche animieren möchten: Reflektiere deinen Konsum und überlege, ob du überhaupt trinken möchtest.

Ist ein Verbot der richtige Weg?

Ein Verbot wird nicht verhindern, dass Jugendliche trinken. Ich kann mir aber vorstellen, dass allein durch diese Debatte eine Chance da ist, den Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft grundsätzlich zu problematisieren, zu reflektieren und zu überlegen: Was möchten wir eigentlich als Gesellschaft? Wie präsent darf Alkohol in unserer Gesellschaft sein? Und tun wir genug für den Jugendschutz? Da gibt es noch Potenzial. Wir können mehr für den Jugendschutz tun und bessere Vorbilder für Jugendliche und junge Erwachsene sein.

Seit 1952 existiert diese Regelung im Jugendschutzgesetz. Was halten Sie davon, dass das betreute Trinken seit Jahrzehnten erlaubt ist?

Unsere Historie zeigt, dass Deutschland ein Konsumhochland ist. Deshalb ist es ein wichtiger Vorstoß, Dinge wie das betreute Trinken überhaupt einmal anzugehen. Nur weil es jahrelang erlaubt war, muss es nicht gut sein. Und es hilft Eltern zu verdeutlichen, dass es gefährlich und problematisch ist, wenn Jugendliche früh Alkohol trinken.

Befürworter des betreuten Trinkens argumentieren, dass es besser wäre, mit den Eltern Alkohol zu trinken als allein. Was sagen Sie dazu?

Wir haben in Deutschland jährlich Kinder und Jugendliche, die mit einer Alkoholvergiftung in Krankenhäusern landen. Die haben in der Regel nicht im Beisein ihrer Eltern getrunken, sondern im Freundeskreis. Ich glaube, dass das begleitete Trinken nicht verhindert, dass Kinder danach trotzdem viel oder vermehrt Alkohol trinken.

Und der Vergleich hinkt: Wenn Jugendliche einmal mit ihren Eltern getrunken haben, können sie nicht auf einmal den Alkoholkonsum kontrollieren – das würde eine kritische Auseinandersetzung mit dem Alkoholkonsum voraussetzen. Eltern müssen mit ihren Kindern darüber sprechen, was kontrollierter Alkoholkonsum bedeutet und wo die Gefahren sind. Und ich wage zu bezweifeln, dass Aufklärungsarbeit passiert, wenn ich mich mit meinem Kind an den Konfirmationstisch setze und ein Bier bestelle.

Leiterin von Bremer Suchthilfe berichtet über Folgen der Alkoholsucht

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. Juli 2024, 19:30 Uhr