Fäkalien in der Seine? Bremer Schwimmstar Wellbrock mit Olympia-Frust

Schwimm-Olympiasieger Florian Wellbrock hockt nach dem enttäuschenden Abschneiden im Freiwasser-Rennen bei der WM in Katar am Steg.
Für Titelverteidiger Florian Wellbrock war die Vorbereitung auf den olympischen Freiwasser-Wettbewerb in Paris bisher schwierig. Bild: dpa | Jo Kleindl

Trübe Sicht, zu warmes Wasser und Haie – Florian Wellbrock hatte schon gegen viele Hindernisse im Freiwasser zu kämpfen. Aber Paris wird eine andere Herausforderung.

Seit Wochen wird über die miese Wasserqualität des berühmten Pariser Flusses Seine diskutiert. Nicht ohne Grund ist das Baden dort seit über 100 Jahren verboten.

Über mehrere Jahrzehnte hinweg wurden Abwässer aus Pariser Haushalten und der Industrie ungeklärt in den Fluss abgelassen. Olympiasieger Florian Wellbrock muss in dieser Brühe am 9. August zehn Kilometer weit schwimmen – wie soll das gehen?

Sportministerin badet demonstrativ in der Seine

Seit die französische Hauptstadt den Zuschlag für die Olympischen Spiele bekam, wurden 1,4 Milliarden Euro in Kläranlagen und das Abwassersystem investiert. Aber hat es ausgereicht, um die Wettbewerbe im Freiwasser und Triathlon in zwei Wochen dort auszutragen?

Am Samstag machte Frankreichs Sportministerin Amélie Oudéa-Castéra die Probe aufs Exempel – und wagte vor laufenden TV-Kameras ein Bad in der Seine, um zu demonstrieren, dass die Wasserqualität ausreicht. Laut einer neuen, von der Stadt Paris vorgelegten Analyse entsprach diese an sechs der letzten sieben gemessenen Tage den olympischen Vorschriften. Über 80 Prozent der Wasseranalysen waren konform mit den Grenzwerten.

"Das ist paradox und undurchsichtig"

Ende Juni sah das noch ganz anders aus – und weder Ministerin Oudéa-Castéra noch Präsident Emmanuel Macron wagten den groß angekündigten Sprung in die Seine. Da lagen die Werte für Kolibakterien, das Anzeichen für Fäkalien im Wasser, noch über den Grenzwerten.

Heftige Regenfälle hätten die Wasserqualität zuletzt wieder verschlechtert, dabei wurde auch in ein Rückhaltebecken investiert, das bei Starkregen das Ablaufen des Abwassers in die Seine verhindern soll. Das Hin und Her geht weiter. Alles andere als ideale Bedingungen vor den Olympischen Spielen. Und so ist die Laune bei den Schwimmern so mies wie viele der Testergebnisse.

Alles, was hier gerade passiert, ist paradox und undurchsichtig. Wir Sportler können da nur mit dem Kopf schütteln.

Freiwasser-Olympiasieger Florian Wellbrock

"Können es überhaupt nicht beeinflussen"

Gute Vorbereitung ist bei einer so komplizierten Sportart wie dem Freiwasserschwimmen alles. Temperatur, Strömungsgeschwindigkeit, Wasserqualität, Sicht – viele Faktoren müssen bedacht und idealerweise trainiert werden. Doch Testläufe waren bisher nicht möglich. Stand jetzt wissen die Schwimmer nicht einmal, ob sie wirklich in der Seine ihren Wettkampf austragen können oder doch noch in den Ruderkanal ausweichen müssen.

"Für die Sportler ist es schon unsäglich, dass man nicht weiß, was da kommen wird und wie man sich auf die Rennen einstellen muss", monierte auch Langstrecken-Bundestrainer Bernd Berkhahn vor wenigen Tagen. Auch der gebürtige Bremer Wellbrock hätte sich eine bessere Vorbereitung als Titelverteidiger über die zehn Kilometer Freiwasser gewünscht.

Das ist ein großes Thema. Ich versuche zwar, da nicht zu viel Energie reinzustecken, aber es betrifft uns natürlich unmittelbar. Und es ist so ärgerlich, weil wir es überhaupt nicht beeinflussen können.

Freiwasser-Olympiasieger Florian Wellbrock

"Die Seine ist nicht zum Schwimmen gemacht"

Bei den Spielen in Tokio 2021 hatte Wellbrock mit trübem und badewannenwarmem Wasser zu kämpfen gehabt und der Sorge, dass sie doch ein paar Haie ins Hafenbecken verirren würden. In Paris muss er hoffen, dass ihm weder Abwässer, Schadstoffe oder Fäkalien entgegenschwimmen.

Die Brasilianerin Ana Marcela Cunha hatte wie Wellbrock Gold in Tokio gewonnen und sich gegenüber der französichen Nachrichtenagentur AFP der Kritik angeschlossen: "Die Seine ist nicht zum Schwimmen gemacht." In Paris setzen sie aber allein aus PR-Gründen alles daran, um die Seine noch olympafit zu bekommen. Schließlich wird die Eröffnungsfeier mit 160 Booten am 26. Juli auch auf dem Fluss und erstmals nicht in einem Stadion stattfinden. Inwieweit das der Wasserqualität gut tut, bleibt abzuwarten.

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Bild: Imago | Eibner

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen mit Sportblitz, 28. Juli 2024, 19:30 Uhr