Bei Olympia gab es nur Frust: Steht Wellbrocks Karriere vor dem Ende?
Auch über die zehn Kilometer im Freiwasser konnte der Bremer Florian Wellbrock in Paris keine Medaille gewinnen. Nach dem Rennen schritt er abermals kommentarlos davon.
Oliver Klemet posierte mit seiner Silbermedaille und einem breiten Grinsen vor dem Eiffelturm für die Fotografen, als ein paar Meter weiter Florian Wellbrock mit starrem Blick durch die Interviewzone eilte. Ohne eine Miene zu verziehen oder ein Wort zu sagen.
Die Szene hatte Symbolcharakter: Die Wachablösung im deutschen Schwimmen ist in Paris vollzogen. Der aus Bremen stammende Tokio-Olympiasieger, der nach seinem enttäuschenden achten Platz im Freiwasser ganz schnell im Athletenzelt verschwunden und der Siegerehrung seines Trainingskollegen ferngeblieben war, ist von der nächsten Generation überholt worden: Erst löste der vier Jahre jüngere Lukas Märtens Wellbrock als Goldschwimmer im Becken ab, dann stahl ihm der gleichaltrige Klemet in der Seine die Show.
Wellbrock schadet sich durch seine kommentarlosen Abgänge
Der Karriere des sechsmaligen Weltmeisters, der seine Sportart in den vergangenen Jahren aus der Versenkung holte, droht das abrupte Ende. Da half es auch nicht, dass Wellbrock noch einmal auf die imposante Pont Alexandre III zurückkehrte, um kommentarlos an allen vorbeizugehen. Im Gegenteil: Dieser skurrile Abgang, nachdem er schon nach dem Vorlaufdebakel über 1.500 Meter Freistil schweigend die Halle verlassen hatte, zerstörte das Bild des strahlenden Siegers von Tokio völlig.
Nach den zehn Kilometern in der braunen Brühe der Seine strahlte ein anderer: Klemet, der WM-Dritte von 2023, der seit drei Jahren mit Wellbrock in Magdeburg trainiert, trotzte dem Dreck und der Strömung und schnappte sich Silber. "Ich fand's nicht so schlimm", sagte der 22-Jährige. ""Soweit ich weiß, geht's bis jetzt allen gut. Wenn ich auf meine Medaille gucke, dann freue ich mich, dass ich hier war."
Klemets Strategie ging auf
Ein taktischer Kniff mit Risiko hatte Klemet auf Medaillenkurs gebracht: Am Ende der vorletzten Runde stürzte er sich flussaufwärts früher als die Konkurrenten voll in die Strömung und schwamm auf kürzerem, aber deutlich anstrengenderem Weg zur vorletzten Wende.
"Ich musste weiter nach vorne kommen, war nicht so glücklich als Vierter", berichtete der Sportsoldat. "Ich habe ein bisschen mehr Druck auf die Hand gegeben und dann den besseren Weg genommen. Es war auf jeden Fall richtig, als Zweiter in die letzte Runde zu gehen." Auf dieser Position hinter dem ungarischen Tokio-Zweiten Kristof Rasovszky hielt er sich bis ins Ziel.
Wellbrock, der lange mit Rasovszky ganz vorne geschwommen war, verlor genau in diesem Moment den Kontakt zur Spitze und fiel auf dem letzten "Anstieg" gegen die Strömung über eine Minute zurück. Nachdem er auf den Zielponton geklettert war, gratulierte Wellbrock dem Gewinnder der Silber-Medaille kurz - und verschwand dann tief enttäuscht ganz schnell von der Bildfläche.
Die Seine sorgte für erschwerte Bedingungen
Klemet dagegen genoss das besondere Ambiente auf der Brücke mit den vergoldeten Figuren und dem Blick auf das Pariser Wahrzeichen und den Invalidendom in vollen Zügen. "Es ist wirklich sehr schön, mit dem Eiffelturm im Hintergrund, mit der Brücke hier", freute er sich. "eine bessere Venue hätte man nicht finden können."
Allen Diskussionen über die Bakterienbelastung und die starke Strömung zum Trotz hatten die Veranstalter vor allem wegen der schönen Fernsehbilder die Freiwasserrennen durchgezogen. Klemet störte es nicht, Doppel-Europameisterin Leonie Beck hatte am Vortag noch geklagt: "Für mich war es eine andere Sportart. Für mich hat es mit einem durchschnittlichen Freiwasserrennen nichts zu tun." Was wiederum Wellbrock darüber dachte, behielt er für sich.
Quelle: sid.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Nachrichten, 9. August 2024, 10 Uhr