"Wir sind fassungslos und traurig": Was ist los bei Wellbrock?
Für Florian Wellbrock war bei Olympia in Paris über die 800 Meter und die 1.500 Meter schon nach dem Vorlauf Schluss. Trainer Bernd Berkhahn lässt dies ratlos zurück.
Mit einem Kopfschütteln stürmte Florian Wellbrock an den Fernsehreportern vorbei und verschwand auf Schleichwegen. Nach dem nächsten Tiefschlag wollte der schwer angeschlagene Schwimmstar nicht reden, in der Interviewzone hinter der Stahlrohrtribüne der Olympia-Arena tauchte der Bremer gar nicht auf.
Drei Jahre nach Gold und Bronze in Tokio ist Wellbrock ganz tief gefallen – und niemand weiß warum. "Das passt alles nicht zusammen, das kriege ich nicht zusammen", sagte Bundestrainer Bernd Berkhahn anderthalb Stunden nach dem Rennen, als sein Schützling im Ausschwimmbecken noch von den Teamkollegen getröstet wurde. Nach dem enttäuschenden Vorlauf-Aus über 800 Meter ging Wellbrock auf seiner Lieblingsstrecke 1.500 Meter Freistil regelrecht unter.
An der Gesundheit soll es dieses Mal nicht liegen
Nach 600 Metern verlor er den Kontakt zur Spitze, dann fiel er immer weiter zurück, bis er nach indiskutablen 15:01,88 Minuten als insgesamt 14. anschlug. So langsam war der Magdeburger zuletzt im EM-Finale 2022 in Rom geschwommen, als ihn eine Corona-Infektion in der unmittelbaren Vorbereitung zurückgeworfen hatte.
Ähnliche Gründe gab es diesmal nicht, betonte Berkhahn: "Kein Infekt, er ist wirklich gesund." Umso rätselhafter war, warum er seine starken Trainingsleistungen nicht ins Becken der La Defense Arena bringen konnte. "Vielleicht war alles zu gut, ich weiß es nicht", sagte der Coach. Es habe keinen Grund gegeben, "über 15 Minuten zu schwimmen", meinte Berkhahn. "Es gab einen Grund, unter 14:40 zu schwimmen". Damit hätte der sechsmalige Weltmeister als Vorlaufschnellster das Finale am Sonntagabend erreicht.
Bei Wellbrock ist es aktuell ein Auf und Ab
"Wir haben alle dran geglaubt, dass er richtig was drauf hat", sagte Berkhahn. "Wir sind im Moment einfach nur fassungslos und traurig." Schon über die 800 Meter war Wellbrock als Zwölfter weit hinterher geschwommen, hatte Zweifel an seiner Olympiaform aufkommen lassen. Berkhahn hatte danach technische Fehler ausgemacht, diesmal sah es anfangs gut aus. Dann, so berichtete Wellbrock seinem Trainer, "als es losgehen sollte, hat er nicht mehr den Druck gefunden und konnte nicht mehr richtig Kraft einsetzen".
Die rätselhaften Aussetzer hatten sich schon vor Olympia gehäuft. Bei der WM vor einem Jahr in Japan lief es nach dem Doppeltriumph im Freiwasser auf beiden Strecken im Becken überhaupt nicht mehr, "das ganze System Florian Wellbrock" sei "von heute auf morgen gekippt", sagte er nachher. Im Februar in Katar schwamm er im kalten Meer hinterher, schied über 800 Meter im Vorlauf aus, meldete sich dann nach einem Reset aber mit WM-Silber über 1.500 Meter zurück. Vor sechs Wochen schlug er in Rom sogar den Iren Daniel Wiffen, der sich am Sonntag anschickt, sein zweites Olympiagold zu holen.
Überzeugt Wellbrock über die 10 Kilometer im Freiwasser?
In Paris steht für Wellbrock am kommenden Freitag noch das Freiwasserrennen über zehn Kilometer auf dem Programm, das er in Tokio so überlegen gewann. Wie er ihn bis dahin wieder aufbaut, wusste Berkhahn noch nicht: "Das hab ich schon angefangen, hab ich versucht. Das geht jetzt von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag." Ob der bislang schmerzhafteste Tiefschlag seiner eindrucksvollen Karriere den entscheidenden Knacks gegeben hat, wird sich vielleicht schon im schmutzigen Wasser der Seine zeigen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Vier News, 3. August 2024, 14 Uhr