"Keine Strukturen" in Bremen? Dem Behindertensport fehlt das Geld
Weltmeister Leon Schäfer verließ vor zehn Jahren Bremen, weil hier die Strukturen für Para-Sport fehlten. Seither hat sich die Lage jedoch nicht verbessert.
Gerne hatte Leon Schäfer Bremen damals nicht verlassen. Schließlich war er in Gröpelingen aufgewachsen, träumte von einer Karriere als Fußballer, bis ihm mit 13 Jahren nach einer Knochenkrebsdiagnose der rechte Unterschenkel samt Knie amputiert werden musste.
Bei der Reha in Bremen merkte er schnell, dass Sport weiter für ihn im Mittelpunkt stehen sollte. Als Leichtathlet eines Tages zu den Paralympics, dieses Ziel trieb Schäfer von nun an an.
Der Sport hat mir definitiv geholfen, diese Amputation für mich besser anzunehmen. Er hat mir neue Kraft und neue Motivation gegeben, ich habe sehr viel daraus gezogen. Und es hat mich zu dem Sportler geformt, der ich heute bin.
Leon Schäfer bei buten un binnen
Leistungszentrum Leverkusen bietet anderes Level
Zunächst trainierte er allein mit Hochspringer Roman Fricke, dieser nahm ihn später mit in eine Trainingsgruppe von Werder Bremen mit nicht behinderten Athleten. Die Bedingungen reichten jedoch bei weitem nicht aus, um Leistungssportler zu werden. "Es gab in Bremen keine Strukturen für Para-Sportler", erinnert sich Schäfer im Gespräch mit buten un binnen.
So zog der heute 27-Jährige vor gut zehn Jahren zum Leistungszentrum nach Leverkusen um. "Dort kann man auf einem anderen Level trainieren", erzählt Schäfer, "die Möglichkeiten sind einfach anders. Es gibt eine Halle mit 200-Meter-Rundbahn, eine Physio-Abteilung, Sauna, Eisbäder, zwei große Krafträume und dazu draußen das Stadion."
Schulz von Bedingungen in Bremen "enttäuscht"
Bedingungen, von denen das Land Bremen nur träumen kann. Und so musste man den amtierenden Weltmeister im Weitsprung und über die 100 Meter ziehen lassen. 38.850 Euro an Sportförderung konnte das Land Bremen im vergangen Jahr nur für Behinderten- und Inklusionssport ausgeben. Im Vergleich: Die Stadt Hamburg investierte 232.000 Euro.
Mit Anna Josephine Schulz, die als Para-Schwimmerin zu Bremens Behindertensportlerin des Jahres 2022 gewählt worden war, hat das Land nun eine weitere talentierte Para-Athletin verloren.
Die Bedingungen in Bremen haben mich einfach sehr enttäuscht und traurig gemacht. Weil ich einfach gemerkt habe, dass ich keine Unterstützung bekomme. Es wird immer von Inklusion gesprochen, aber es wird nie umgesetzt.
Anna Josephine Schulz bei buten un binnen
Quante-Brandt bedauert Schulz-Weggang
Keine leichte Situation für Eva Quante-Brandt, die Präsidentin des Landessportbundes. "Wir hatten mit Frau Schulz Gespräche und geschaut, ob wir Brücken bauen können. Ich finde es traurig, dass es nicht funktioniert hat. Aber manchmal sind Wunsch und Wirklichkeit auf allen Seiten schwer zueinander zu bringen."
Die 21-jährige Schwimmerin, die an einer aggressiven Form von Skoliose leidet, war zunächst wegen der fehlenden Strukturen nach Hamburg gewechselt. Diese Bedingungen lassen sich jedoch nicht für Bremen adaptieren, schon gar nicht ad hoc.
Bremen hat kein Geld für schnelle Lösungen
"Im Moment haben wir diese Töpfe noch nicht", erklärte Quante-Brandt. Sprich, es ist einfach kein Geld vorhanden, um Strukturen und Trainingsbedingungen zügig zu verbessern. "Wir müssen Para-Sportlern in Bremen Mut machen. So etwas wie mit Frau Schulz darf uns nicht auch noch in anderen Sportarten passieren", betonte Quante-Brand. Doch das ist schwierig.
Im Landessportbund Bremen sind 380 Sportvereine organisiert und diese sind auch offen für Menschen mit körperlicher und geistiger Beeinträchtigung. Es gibt im Land Bremen lediglich zwölf Vereine, die explizit für Menschen mit Behinderung sind.
Behindertensportverband will Angebote schaffen
Sonja Wilkens, Vorstand des Bremer Behindertensportverbandes, möchte gerne mehr inklusive Angebote schaffen. Doch bisher ist sie noch damit beschäftigt, die Altlasten des Verbandes aufzuarbeiten und ihn "zu retten", wie Wilkens betont: "Wir wären sonst im Januar zahlungsunfähig gewesen." Aber es sollen zeitnah Konzepte für Förderungsmaßnahmen erstellt werden. Darauf setzt auch Quante-Brandt.
Doch das braucht alles Zeit. Und mehr Gelder bewilligt zu bekommen, ist bei den klammen Kassen auch kein Selbstläufer. Schnelle Besserung ist für den Para-Sport – ob als Hobby oder im Leistungssektor – in Bremen also nicht in Sicht. Nicht nur Leon Schäfer bedauert das.
Bewegung und Sport – egal, auf welchem Level – ist Medizin. Das sollte jeder machen, egal ob mit Behinderung oder nicht.
Para-Athlet Leon Schäfer bei buten un binnen
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen mit Sportblitz, 8. September 2024, 19:30 Uhr