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Bremer Verfassungsschützer warnen vor Fake News aus Russland

Icons und das Wort Fake News auf einem Computer Monitor (Symbolbild)

Bremer Verfassungsschützer warnen vor Fake News aus Russland

Bild: imago | Pond5 Images

Kurz vor der Wahl wimmelt es vor Fake News. Bremens Verfassungsschutz, die Bürgerschaft und das Landesamt für politische Bildung sehen dahinter eine Bedrohung aus Russland.

Das hat es in Bremen noch nie gegeben: Das Landesamt für Verfassungsschutz, die Landeszentrale für politische Bildung und die Bremische Bürgerschaft starten gemeinsam eine Aufklärungskampagne zu Fake News durch staatliche ausländische Akteure und solche, die aus dem Ausland gesteuert werden. Der Grund: Insbesondere Russland verbreitet laut Verfassungsschutz mithilfe hiesiger Influencer zahlreiche Falschmeldungen in den Sozialen Medien, unter anderem zum Krieg in der Ukraine. Dabei gehe es darum, die demokratischen Parteien Deutschlands zu schwächen, die Gesellschaft zu spalten und den Ausgang der Bundestagswahl zu beeinflussen – insbesondere im Sinne Wladimir Putins.

Vollbärtiger Mann, Ende 30, in Jacket und schwarzem Rollkragen-Pulli vor weißer Wand
Glaubt, dass Russland die Bundestagswahl beeinflussen will: Thorge Koehler, Leiter des Bremer Landesamts für Verfassungsschutz. Bild: Radio Bremen

Der Verfassungsschutz spricht mit Blick auf die Falschmeldungen aus dem Ausland von einer "Gefahrenlage". Was genau steckt dahinter?

Der Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz Bremen, Thorge Koehler, sagt, dass es um eine "hybride Bedrohung" gehe. Es werde auf unterschiedliche Weise versucht, die deutsche Demokratie zu destabilisieren, etwa durch Cyberangriffe, aber eben auch durch eine groß angelegte Desinformations-Kampagne. "Das passiert durch gezielt von ausländischen Staaten lancierte falsche Informationen, die über soziale Netzwerke, Influencer und spezielle Einzelpersonen verbreitet werden", so Koehler.

Auf diese Weise solle das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in staatliche Institutionen und demokratische Parteien geschwächt werden. Zugleich zielten derartige Aktionen aus dem Ausland darauf ab, die politischen Ränder – vor allem rechte Parteien – in Deutschland zu stärken.

Die größte Gefahr geht momentan zweifelsohne von Russland aus.

Thorge Koehler, Leiter des Landesamts für Verfassungsschutz Bremen

Russland habe eine große Strategie, in die viele Personen sowohl in Behörden als auch in nichtstaatlichen Stellen eingebunden seien. Sie analysierten professionell, welche Themen die Menschen in Deutschland bewegen. Im zweiten Schritt setzten dieselben Leute diese Themen gezielt ein, um Meinungsmache zu betreiben. Dabei würden sie Fakten verdrehen oder auch frei erfinden, um Unsicherheit zu erzeugen und Deutschlands politisches System schlecht aussehen zu lassen. "Wir haben es mit einem staatlich gut orchestrierten System zu tun, das sehr strategisch ausgerichtet ist", erklärt Koehler.

Wie werden die Fake News dann unter die Leute gebracht?

Besonders raffiniert war das Vorgehen pro-russischer Akteure bei der so genannten Doppelgängerkampagne, die der Verfassungsschutz inzwischen offengelegt hat. "Dort haben – sehr wahrscheinlich – ausländische Dienste es hinbekommen, Quellcodes von echten Nachrichtenseiten zu kopieren und gefälschte Nachrichten und Schlagzeilen einzufügen, die in russischem Interesse lagen." Auf diese Weise seien Leserinnen und Leser seriöser Nachrichtenseiten auf falsche Nachrichten gelenkt worden.

Beispielhaft nennt Koehler eine gefälschte Schlagzeile, nach der der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj die Ukraine angeblich verlassen habe, weil der Krieg verloren sei. Betroffen von derartigen Fälschungen seien angesehene Medien wie "Die Zeit", die "Süddeutsche Zeitung" oder auch "Der Spiegel".

Mann mittleren Alters in weißem Hemd vor Zimmerpflanze
Thomas Köcher leitet Bremens Landeszentrale für politische Bildung. Gefälschte Nachrichten im Vorfeld der Bundestagswahl bereiten ihm Sorgen. Bild: Radio Bremen

Wie sind die Fälscher der Doppelgängerkampagne im Detail vorgegangen?

Zeigen lässt sich das laut Thomas Köcher, Leiter der Bremer Landeszentrale für politische Bildung, am Beispiel einer Seite, die im November 2023 scheinbar auf "Spiegel Online" erschienen war. Sie war den Lesern mithilfe einer nahezu identischen Internet-Adresse untergejubelt worden (www.spiegel.ltd statt www.spiegel.de): "Die Ampel bringt die deutsche Wirtschaft um", lautete die Überschrift des Artikels. Unter dem Deckmantel der Analyse machen die Autoren darin eine vermeintlich andauernde Energiekrise in Deutschland für eine angeblich drastisch gestiegene Zahl an Insolvenzen verantwortlich.

Die Absicht hinter der – kaum als solcher erkennbaren – Fälschung liegt laut Köcher auf der Hand: Der Artikel diene dem Ziel, Deutschlands Haltung beim russischen Angriffskrieg auf die Ukraine infrage zu stellen. So solle auch Angst vor Sanktionen gegen Russland geschürt werden. Die leicht veränderte Internet-Adresse "sieht man natürlich nicht, wenn man nicht ganz gezielt und ganz genau draufguckt, schon gar nicht auf dem Smartphone", sagt Köcher. Es gebe viele ähnliche Beispiele.

Wie der Verfassungsschutz kommt auch die Bremer Landeszentrale für politische Bildung zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Doppelgängerkampagne um eine "neue Qualität von Desinformation" handele. Denn hier werde Desinformation nicht in einem geschlossenen Chatraum betrieben, sondern auch dadurch, dass man beim Verfolgen ganz normaler Nachrichten unbemerkt auf eine andere Seite umgelenkt werde, die sich praktisch nicht vom Original unterscheiden lasse.

Geöffneter Laptop, auf dem vermeintlich Schlagzeile von Spiegel Online erscheint
Sieht aus wie die Website von "Spiegel Online", ist es aber nicht. Fake News lassen sich äußerlich mitunter kaum noch von echten Nachrichten unterscheiden. Bild: Radio Bremen

Wie verbreiten sich dann die Falschmeldungen?

Sie verbreiten sich insbesondere dann, wenn mehrere Menschen sie in Sozialen Medien teilen. Daneben gibt es aber auch Aktivisten, die Beiträge dieser Art gezielt in ihren Foren weitertragen: In Bremen und umzu hat der Verfassungsschutz in diesem Zusammenhang vor allem die insbesondere auf Telegram aktive Gruppe "Gemeinsam stark Bremerhaven" sowie die Influencerin Alina Lipp im Blick. Beide wollten die Vorwürfe gegenüber buten un binnen nicht kommentieren.

Wie kann man sich vor Falschmeldungen schützen und Fake News als solche erkennen?

Thomas Köcher rät dazu, Nachrichten sehr aufmerksam zu lesen. Sobald man das Gefühl habe, dass eine Nachricht zugleich wichtig und fragwürdig ist, könne man gucken, ob man diese Nachricht auch in anderen Medien findet. "Wenn die Meldung in einem Leitmedium steht, wird sie höchstwahrscheinlich auch in anderen Leitmedien stehen", so Köcher.

Falls nicht, sei Skepsis geboten. "Wenn ich das Gefühl habe, das eine Nachricht falsch ist, sollte ich den nächsten Schritt gehen: den Faktencheck machen." Viele Portale böten Faktenchecks an, darunter Correctiv.

Ist unsere Demokratie in Gefahr, Herr Köcher?

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 16. Januar 2025, 19:30 Uhr