Interview

So erlebt eine Bremerin in Tel Aviv den Angriff auf Israel

Demolierte Autos und Trümmer auf einer Straße in Tel Aviv

"Insel im Wahnsinn": Wie eine Bremerin den Krieg gegen Israel erlebt

Bild: dpa | Gideon Markowicz

Elske Goldman stammt aus Bremen, lebt aber schon seit 26 Jahren in der israelischen Metropole. In den vergangenen Tagen musste sie immer wieder in einen Bunker flüchten.

Seit 26 Jahren lebt die Bremerin Elske Goldman mit ihrer Familie in Tel Aviv. Auch die israelische Metropole ist von Luftangriffen der islamistischen Terrororganisation Hamas betroffen. In den vergangenen Tagen musste Goldman immer wieder in einen Bunker unter ihrem Haus flüchten. Im Interview mit Bremen Vier hat sie von ihren Erlebnissen und der Lage in Tel Aviv berichtet.

Frau Goldman, wie war die vergangene Nacht in Tel Aviv?

Bei uns war es ruhig. Dieser ganze Krieg betrifft vor allem die Leute, die an der Grenze zu Gaza leben. Die sind im Raketenregen. Das, was wir hier in Tel Aviv erleben, kann man überhaupt nicht mit deren Realität vergleichen.

Wie kann man sich die Atmosphäre in Tel Aviv und im ganzen Land vorstellen?

Tel Aviv ist wie an einem Trauertag ganz still. Man hört die Krähen und die Klimaanlagen – das ist alles. Die Straßen sind leergefegt, viele Geschäfte verzichten aufzumachen. Wenn ich weiter nach Osten oder Süden gehen würde, also näher an die Grenze zu Gaza, dann ist es dort voll mit Armee. Die Familien, die dort leben, werden evakuiert. Also einerseits fahren viele Autos weg von dort und andererseits fahren viele die Armeefahrzeuge dort hin.

Auch Tel Aviv wurde in den letzten Tagen immer wieder beschossen. Sie mussten immer wieder in einen Schutzraum unter Ihrem Haus flüchten. Wie sieht es dort aus?

Im Vergleich mit den Menschen in Grenznähe habe ich nicht viel Zeit im Bunker verbracht. Man kann sich das aber so vorstellen, dass die Leute in unserem Haus alle die Treppe runter in ein unangenehm dumpfen Raum gehen. Und dort sitzt man dann hoffentlich rechtzeitig, bevor der Alarm aufhört – alle zusammen und jeder mit seiner persönlichen Verfassung. Wir haben eine Frau im Bunker gehabt, deren Haus in Tel Aviv getroffen wurde und die aus der Wohnung musste. Sie hat ein Baby und kleine Kinder. Man sitzt zusammen und hört, wie die Raketen in der Luft vom "Iron Dome" (Israels Raketenabwehrsystem, d. Red.) zerschossen werden. Es klingt grausam – als ob Busse von vom Himmel geschmissen werden. Und man hofft, dass es nirgendwo eingeschlagen hat, wartet noch ungefähr zehn Minuten und dann darf man wieder an die Luft.

Das ist nichts im Vergleich zu dem, was die Menschen an der Grenze erleben, die weit über 24 Stunden in den Bunkern eingeschlossen waren – ohne Strom, ohne Wasser. Die haben um Hilfe geschrien, weil die Terroristen eingedrungen sind und versucht haben, die Türen aufzubrechen. Sie haben um Hilfe gerufen und niemand ist gekommen.

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, das Land zu verlassen?

Ich habe viel darüber nachgedacht. In Europa kannst du dich in einen Zug setzen und in ein anderes Land zu fahren. Das ist nicht zu vergleichen mit dieser Insel im Wahnsinn, die du nur mithilfe eines Flugzeugs verlassen kannst. Auf der anderen Seite habe ich noch nirgendwo in meinem Leben so lang an einem Stück gelebt wie hier. Also bleibe ich wohl hier.

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Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Die Vier am Morgen, 9. Oktober 2023, 7:30 Uhr