Interview
"Werden vernichtet": Bremer Spielhallen klagen über neue Regeln
Weil ab Juli neue Regeln für Wettbüros und Spielhallen gelten, stehen viele von ihnen vor dem Aus. Der Automatenverband fürchtet, dass das illegale Glücksspiel profitiert.
Ab dem 1. Juli gelten in Bremen schärfere Regeln für Spielhallen und Wettbüros: Sie dürfen nicht mehr nah beieinander stehen. Zwischen zwei Spielhallen oder einer Spielhalle und einem Wettbüro müssen dann mindestens 500 Meter liegen – und der 500 Meter Mindestabstand gilt auch zu Schulen. Das Zutrittsalter steigt auf 21 Jahre und in den Spielhallen darf es keine Getränke und kein Essen mehr geben. Mit den Maßnahmen will der Senat die Zahl der Spielsüchtigen senken; rund 10.000 Menschen sind es Schätzungen zufolge in Bremen.
Die verschärften Abstandsregeln werden dazu beitragen, dass sich die Konzentration von Spielstätten gerade auch in benachteiligten Stadtteilen auf ein Minimum reduzieren wird.
Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD)
Von bislang rund 120 Spielhallen in Bremen blieben mit den neuen regeln dann nur noch schätzungweise 30 übrig. Ein Kahlschlag – bis zu 700 Mitarbeiter müssten gehen. Das löst Krisenstimmung bei Detlev Graß aus. Er ist der Vorsitzende des Nordwestdeutschen Automatenverbands und besitzt Spielhallen in Bremen.
Verärgert sind die Betreiber vor allem, weil sie noch keinen Bescheide bekommen haben und nicht wissen, ob sie ihre Spielhallen schließen müssen. Zuständig für die Bescheide ist das Wirtschaftsressort. Es rechtfertigt sich mit Überlastung. Bis die Entscheidung über eine Betriebserlaubnis fällt, werden die Spielstätten geduldet, so das Wirtschaftsressort auf Nachfrage von buten un binnen. Freuen kann sich Graß darüber aber nicht.
Noch drei Tage bis die neuen Abstandsregeln in Kraft treten – wie fühlen Sie sich?
Schlecht. Leider stehen wir immer noch im Regen, haben keine offiziellen Bescheide, wissen nicht, wie es weitergehen soll und warten händeringend auf die Behörden, dass sie uns einen Wink geben, was wir tun und was wir lassen müssen.
Was befürchten Sie?
Wir befürchten, dass wir alle Läden am Freitagabend zuschließen und 124 Mitarbeitern kündigen müssen. Das ist sehr schwer in Worte zu fassen. Ich mache das schon lange Jahre und dass uns so etwas widerfährt, da hätten wir niemals mit gerechnet. Wir stehen vor einem Trümmerhaufen. Wir stehen vor einer schlecht regulierten Glücksspiel-Industrie gerade in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen.
Wie viele Spielhallen sind von den neuen Regeln betroffen?
Es gibt 121 Standorte und bislang sind allein 13 Hallen sicher, weitere 20 könnten noch dazu kommen. Insgesamt arbeiten rund 600 Mitarbeitende in Spielhallen, hinzu kommen noch rund 200 Mitarbeitende in Wettvermittlungsstellen. Deren Arbeitsplätze sind gefährdet.
Welche Auflagen sind für Sie die gravierendsten?
Die 500 Meter-Abstandsregel. Es gibt einen vorgeschriebenen Mindestabstand zwischen Spielhallen und Wettvermittlungsstellen und zusätzlich noch einen zu Schulen. Das ist in einem Stadtstaat wie Bremen, wo alle 500 Meter eine Schule ist, das größte Problem, das wir haben. Es gilt nämlich nicht nur für bildende Schulen, sondern auch für Kochschulen, Pflegeschulen, medizinische Schulen – alle Schulen.
Die spielsüchtigen Kunden könnten doch aber profitieren?
Nein, das illegale Spiel profitiert davon. Das erleben wir auch in Bremen, dass das explodiert. Aber das wird von der Politik ignoriert. Man drischt auf das legale Glücksspiel ein und vergisst, dass das Online-Gaming freigegeben ist. Jeder trägt heute sein Glücksspiel in der Hosentasche. Legale Spielhallen bieten einen hohen qualitativen Standard. Wir machen viel für Spielerschutz, etwa Jugendschutz und eine Sperrdatenbank.
Die neue Situation ist ganz übel. Wir hoffen, dass wir Einzelheiten noch ändern können, aber wir müssen uns nichts vormachen. Das Gesetz wird nicht mehr geändert. Endgültig entscheiden die Richter.
Detlev Graß, Vorsitzender des Nordwestdeutschen Automatenverbands und Spielhallenbesitzer in Bremen
Welchen gerichtlichen Weg gehen Sie?
Wir haben von unserer Firma eine Verfassungsbeschwerde eingereicht. Und wir und viele andere haben Eilverfahren bei der Stadt Bremen eingereicht, mehr als 50 sind vergangene Woche rausgegangen.
Haben Sie noch Hoffnung?
Ehrlich gesagt wenig. Wir konnten die Bremer Politik nicht überzeugen. Die geht einen falschen Weg. Die Illegalität wird uns überrollen. Jeder Gast, der mit unserem Angebot ein Problem hat, ist für uns ein Gast zu viel – ganz klar. Wir haben diverse Spielerschutz-Kriterien in die Geräte eingebaut. aber jetzt wird uns die Arbeit verwehrt. Wir werden nicht reguliert, sondern vernichtet.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 17. Juni 2023, 19:30 Uhr