Dieses Bremer Projekt hilft psychisch Erkrankten bei der Jobsuche

So wird psychisch Erkrankten in Bremen bei der Jobsuche geholfen

Bild: Radio Bremen

Menschen mit psychischen Erkrankungen haben es nicht leicht auf dem Arbeitsmarkt. Doch ein Projekt versucht, ihnen zu helfen. Wir erzählen die Geschichte zweier Betroffenen.

In der Beratungsstselle "Arbeit im Fokus" lernen Menschen mit psychischen Erkrankungen, einen Weg zurück in den Job zu finden. Mehr als 254 arbeitssuchende Menschen haben dort in den vergangenen vier Jahren Rat gesucht. Dreiviertel davon entschieden sich nach dem ersten Gespräch, mit den Coaches weiterzumachen. 66 Erfolgsgeschichten kann das Team mittlerweile erzählen.

Zum Beispiel die Geschichten von Miriam und Nele. Die beiden Frauen verbindet ihre psychische Erkrankung. Miriam Link ist eigentlich gelernte Fahrzeugaustatterin. Bereits in ihrer Kindheit und Jugend erkrankt sie psychisch. Während ihrer Ausbildung vor zehn Jahren merkt sie, dass nichts mehr geht.

Als sie nach einem Jahr zurückkommt, kann sie zwar die Ausbildung abschließen, wird aber nicht übernommen. Die Begründung: Ihre Fehlzeiten seien zu lang gewesen. Über die Jahre erhält die 33-Jährige viele Diagnosen – aber wenig Unterstützung. Auch nicht von ihrer Gewerkschaft. Seit zehn Jahren war es ihr nicht möglich, einen stabilen Job zu finden. Durch die Beratung bei "Arbeit im Fokus" arbeitet sie an ersten Schritten, die ihr helfen sollen, langfristig wieder im Berufsleben Fuß zu fassen.

Mein Ziel ist, mich selber finanziell zu unterhalten. Ich würde einfach gerne leben lernen anstatt einfach zu überleben. Und ich denke das ist ein guter Start.

Miriam Link

Unterstützung, die die Betroffenen anderswo nicht kriegen

Nele von Goldacker ist seit rund sechs Jahren nicht mehr in einer Vollzeitstelle gewesen. Durch ihre komplexe Posttraumatische Belastungsstörung und Depression kann die studierte Diplom-Theater-Pädagogin und Mutter nicht ihrem eigentlichen Beruf nachgehen. Zum Ende des Studiums sei sie schwanger geworden – alleinerziehend. Es gab immer wieder Phasen, die sehr schwierig waren.

Aktuell ist die 43-Jährige Lieferantin eines Online-Supermarkts. Sie arbeitet zehn Stunden die Woche und erhält zusätzlich Erwerbsminderungsrente. Der Traum von Vollzeitarbeit bleibt für Nele noch unerreichbar, aber sie betont, dass alle Betroffenen grundsätzlich arbeiten wollen – die Umsetzung ist jedoch oft schwer.

Hilfestellungen durch ehemalige Betroffene

Nele und Miriam besuchen regelmäßig die Beratungsstelle "Arbeit im Fokus". Das Projekt hilft ihnen dabei, Unsicherheiten abzubauen.

Ich gehe oft mit einem Grinsen aus der Beratung heraus und mit hoch erhobenem Kopf. Ich hab viel mehr Wissen darüber, was ich eigentlich kann und wer ich bin.

Miriam Link

Das Konzept der Einrichtung ist, dass Fachkräfte mit Coaching-Qualifierung oder mit persönlicher Betroffenheit, ihre Hilfestellung geben, erklärt Monika Möhlenkamp. Sie leitet die Bremer Beratungsstelle. Die Fachkräfte können daher eigene Erfahrungen in die Beratung miteinfließen lassen und individuelle Lösungen für der Wiedereinstieg in das Berufsleben erarbeiten. Ein "ich weiß wovon du sprichst" sei hilfreich.

Initiativen wie "Arbeit im Fokus" werden dringend benötigt, denn laut dem "AXA Mental Health Report 2023" bezeichnen sich insgesamt 32 Prozent der Deutschen als psychisch erkrankt – wobei die Altersgruppen von 25 bis 54 Jahren besonders betroffen sind.

Langfristig im Berufsleben Fuß fassen

Psychische Erkrankungen seien zwar weniger tabuisiert als früher, es gäbe aber immer noch sehr viele Berührungsängste. Diese begegnen den beiden Betroffenen immer wieder. Es gab schon Momente, mit Sprüchen wie: Du bist doch faul. "Eine Depression ist nicht Faulheit", sagt Nele.

Auch die Leiterin der Bremer Beratungsstelle kennt das Tabu um psychische Krankheiten. Viele wüssten nicht, Arbeitgeber eingeschlossen, wie sie damit umgehen sollen.

Unternehmen sensibilisieren

Die Initiative bietet nicht nur individuelle Hilfe für Arbeitssuchende, sondern sensibilisiert auch Arbeitsvermittler, Kooperationspartner und Arbeitgeber für das Thema psychische Beeinträchtigungen am Arbeitsplatz. In Seminaren werden Unsicherheiten und Stigmatisierungen durch eine Fachkraft und eine Genesungsbegleiterin thematisiert, um einen offenen Austausch zu fördern.

Verständnis soll angeregt werden, indem Fragen wie "Was ist eine psychische Erkrankung?" und "Wie fühlt es sich an, sich in den Beruf wiedereinzugliedern nach einer langen Pause?" behandelt werden, erklärt die Leiterin der Beratungsstelle. Arbeitgeber sollten die eigene Haltung zum Thema psychische Erkrankung reflektieren. Es braucht aber nicht nur das, sondern auch gute und flexible Rahmenbedingungen im Arbeitsverhältnis das Betroffene führen.

Der gute Umgang mit der eigenen Einschränkung

Die Art der psychischen Erkrankung spielt keine Rolle, um das Beratungsangebot anzunehmen. Die Symptome stehen im Fokus, so Monika Möhlenkamp.

Die psychische Erkrankung wird nicht als Defizit bei uns gesehen, sondern als Ressource.

Monika Möhlenkamp, Leiterin der Bremer Beratungsstelle "Arbeit im Fokus"

Spürbarer Leistungsdruck, nicht stemmbare Anforderungen – das seien die Ängste der Betroffenen laut Möhlenkamp. "Viele haben Angst erneut in ein Hamsterrad zu kommen, wenn sie länger krank waren."

Miriam und Nele haben unterschiedliche Schicksale erlebt, aber beide sind froh, dass ihnen bei "Arbeit im Fokus" geholfen wird. Sie wünschen sich mehr Einrichtungen dieser Art.

Psychisch Erkrankte auf Jobsuche: "Immer noch ein großes Tabu-Thema"

Bild: Radio Bremen

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Autor

  • Orestis Skenderis
    Orestis Skenderis Redakteur

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 15. Februar 2024, 19:30 Uhr