Wie viel Macht haben Sie, Herr Skalecki?
Bremens Landeskonservator Georg Skalecki wird oft kritisiert, weil er schon manches geplante Bauwerk in Bremen verhindert hat. Warum er das tut, verrät er Felix Krömer.
Wenn sein Name in der Öffentlichkeit fällt, kann es gut sein, dass vorher irgendetwas nicht geklappt hat. Zuletzt war dies bei der sogenannten Düne, die für den Domshof geplant war, der Fall. Ein paar Jahre früher waren es die geplanten Libenskind-Hochhäuser am Brill, gegen die er sich aussprach. Sein Wort hat dabei Gewicht – weshalb in Bremen oftmals vieles so bleibt wie es ist.
Kritiker sagen, dies bremse die Entwicklung Bremens. Auch damit konfrontiert Felix Krömer seinen Talk-Gast Georg Skalecki.
1 Bremst Denkmalschutz Entwicklungen in Bremen?
Schon zu Beginn des Gesprächs wehrt sich Georg Skalecki (ab Minute 1:00) gegen die Aussage, dass der Denkmalschutz Dinge verhindert. "Wenn irgendetwas in der Stadt sich nicht weiterentwickelt, dann liegt es in den wenigsten Fällen an der Denkmalpflege", sagt er. Stattdessen würde die Denkmalpflege eher positive Impulse setzen. Denn das Rückkoppeln an die Geschichte sei wichtig, auch für das Weiterkommen und das Neugestalten. "Wir wollen in einer Stadt, die 1.200 Jahre alt ist, nicht unsere Geschichte ausblenden."
2 Gibt es bei Entscheidungen einen persönlichen Skalecki-Leitfaden?
Nein, betont Skalecki (ab Minute 5:12). Er halte sich daran, was das Bremische Denkmalschutzgesetz vorgebe. Natürlich habe er Schwerpunkte und auch Themen, die ihn besonders berührten. So habe er sich beispielsweise sehr intensiv um die Industriedenkmäler Bremens gekümmert. "Da könnte man sagen, das ist ein Steckenpferd von Skalecki", sagt er. Am Ende würden aber immer wissenschaftliche Gutachten entscheiden.
3 Wie geht ein Denkmalschützer mit dem Verhinderer-Image um?
Damit habe er kein Problem, sagt Skalecki. Denn dieses Image sei nicht durch Zahlen belegbar. Bestimmt 90 Prozent der Fälle liefen absolut geräuschlos und reibungslos ab. "Über die spricht natürlich niemand", sagt er. Dann seien es zehn Prozent, wo ein bisschen diskutiert werde. "Und dann sind es am Ende noch ein Prozent, wo es heftig wird."
Dabei gehe es ihm letztlich weniger um Wertschätzung, als um Verständnis für die Denkmalpflege und den historischen Kontext. "Man kann keine Betondüne auf den Domshof bauen. Das stellen sich manche ganz toll vor. Aber wenn man das im historischen Kontext sieht, verbietet sich sowas", sagt der Landeskonservator.
4 Wieso scheiterte der Dünen-Entwurf für den Domshof?
Wie es aus seiner Sicht zum Scheitern der Domshof-Pläne kam, erläutert der Landesdenkmalpfleger (ab Minute 8:32) auf Nachfrage Felix Krömers. Demnach habe er im Auswahlverfahren von vornherein Bedenken angemeldet. "Ich war in der Jury und hab in der ersten Sekunde, als ich diesen Entwurf gesehen habe, gesagt, dieser Entwurf kommt für den Domshof nicht infrage." Dennoch seien auch die bearbeiteten Entwürfe nicht im Sinne des Denkmalschutzes geändert worden. "Aber ich wurde überstimmt", sagt Skalecki.
Als die Entscheidung publik geworden sei, habe er seine Standpunkte der Presse mitgeteilt. So handele es sich beispielsweise um einen historischen Platz mit zum Teil historischer Bebauung. Darüber hinaus liege der Domshof in der Pufferzone des Unesco-Weltkulturerbes aus Rathaus und Roland.
5 Warum wurden die Libeskind-Hochhäuser abgelehnt?
Auch in der Debatte um die vor einigen Jahren am ehemaligen Sparkassengebäude am Brill angedachten Libeskind-Hochhäuser bezieht Georg Skalecki auf Nachfrage Felix Krömers (ab Minute 13:22) Stellung. Ein "Bilbao-Effekt", wie ihn sich Befürworter erhofft hatten, sei demnach unrealistisch gewesen. Hintergrund der Argumentation war der Bau des Guggenheim-Museums, durch den die spanische Stadt einen Touristenschub erlebt habe. "Die kamen wegen eines Museums und dessen, was da drin ist. Die kamen nicht nur wegen der Architektur", sagt Skalecki. Abgesehen davon sei das Museum nicht in der Altstadt, sondern am Stadtrand errichtet worden. "Gegen irgendwelche Türme in der Überseestadt oder so hätte ja niemand etwas einzuwenden."
Abgesehen davon habe es sich bei den Libeskind-Entwürfen letztlich nur um einen zuvor abgelehnten Entwurf für den Stadtrand von Toulouse gehandelt, sagt Skalecki. "Der lag einfach in der Schublade."
6 Wie geht es mit der umgedrehten Kommode weiter?
Auch auf die umgedrehte Kommode spricht Felix Krömer den Landesdenkmalpfleger (ab Minute 19:02) an. Seit Jahren wird über die Zukunft des alten Wasserturms an der Weser debattiert. Skalecki geht davon aus, dass der Prozess bald wieder Fahrt aufnehmen wird. Die alten Entwürfe habe niemand gewollt, weder die Stadtplanung noch die Denkmalpflege. "Wir haben jetzt einen Investorenwechsel." Das neue Verfahren mit den neuen Eigentümern laufe "unglaublich konstruktiv". Er sei guter Dinge, noch in diesem Jahr etwas vorlegen zu können, was alle zufriedenstelle, sagt Skalecki.
7 Wofür steht Bremen architektonisch?
Die grundlegende Frage nach einer architektonischen Identität Bremens stellt Felix Krömer ab Minute 23:03. Und Georg Skalecki hat auch darauf eine klare Antwort. "Ein Identitätsfaktor ist auf alle Fälle mal die Höhe der Bauten", sagt er. Bremen sei nie eine Hochhausstadt gewesen, stattdessen sei stets das Bremer Haus zelebriert worden. Dies sei auch in historischen Zeiten so gewesen, als beispielsweise Anfang des letzten Jahrhunderts anderswo bereits höher gebaut worden sei.
"Das ist die DNA von Bremen", sagt der Denkmalschützer. "Und die wollen wir natürlich auch fortschreiben." Ein markantes Elemente wie der Weser-Tower in der Übersee spreche nicht dagegen.
8 Wie wird Denkmalschutz finanziell gefördert?
Auf die Frage Krömers nach finanziellen Fördertöpfen scheint Bremens oberster Denkmalpfleger geradezu gewartet zu haben. "Da sprechen Sie wirklich einen Punkt an, der mich seit Jahren umtreibt", sagt er (ab Minute 30:23). Denn Bremen sei Haushaltsnotlageland und die Kassen leer. "Wir haben viel zu wenig Geld", sagt Skalecki. Zwar gebe es einen Topf, aus dem Zuschüsse für Mehrkosten bei Denkmalsanierungen gezahlt werden können, wenn Fassaden gestrichen oder Fenster saniert werden. "Aber der Topf ist zu klein."
Vor allem bei Großprojekten sei die finanzielle Lage schwierig. Das meiste Fördergeld fließe bei diesen Projekten aus dem Bundeshaushalt in Berlin, sagt Skalecki. Die Lage sei aber schlechter geworden. "Und ich mache mir keine Hoffnung, dass wir in meiner aktiven Zeit noch eine signifikante Erhöhung erleben."
9 Vertragen sich Denkmalschutz und Klimaschutz?
Ein klares Ja entgegnet der Landeskonservator schließlich (ab Minute 34:17) auf die Frage, ob Denkmalschutz und Klimaschutz zusammenpassten. "Denkmalschutz ist Klimaschutz", sagt er. Das liege vor allem daran, dass so viel Energie in gebauten Gebäuden stecke. "Jetzt, seit einigen Jahren, wird von der grauen Energie in den Gebäuden auch gesprochen", sagt Skalecki. Altbauten hätten daher so gut wie immer eine bessere Klimagesamtbilanz als Neubauten.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. April 2024, 19:30 Uhr