Infografik

Informatikstudium nur für Frauen – in Bremen seit 25 Jahren ein Erfolg

Dieser Bremer Studiengang möchte Frauen für die Informatik begeistern

Bild: Dock One

Seit der Jahrtausendwende gibt es in Bremen einen Informatikstudiengang nur für Frauen. Der ist so beliebt, dass er zum Vorbild für eine Berliner Hochschule wurde.

Vollwertiges Informatikstudium, internationale Ausrichtung, klarer Praxisbezug. Diese Argumente überzeugten Irina Gengel sofort, als sie sich 2001 entschied, an die Hochschule Bremen zu gehen. Und dann war da noch dieser Randaspekt: Das Studium war ausschließlich Frauen vorbehalten.

Das war der damals 21-Jährigen durchaus recht – hatte sie doch zuvor eine Ausbildung zur technischen Assistentin abgeschlossen. "Da war ich die einzige Frau", sagt sie und lacht. Alle anderen in der Klasse, in der fast dreißig Auszubildende saßen, waren Männer. Das habe auch dazu geführt, dass sich der Anschluss an Lerngruppen, Hausaufgabenhilfen und Vertiefungen immer etwas schwierig für sie anfühlte – zumindest am Anfang. "Da war ich als Mädchen nicht immer mutig genug", sagt Gengel.

Hohe Jobquote unter Absolventinnen

Die Berührungsängste mit den männlichen Kollegen hat sie längst hinter sich gelassen. Seit ihrem Abschluss arbeitet sie als Informatikerin – derzeit bei der Kommunalen Datenverarbeitung Oldenburg, dem größten kommunalen IT-Dienstleister Niedersachsens. Ihr beruflicher Werdegang ist für Frauen in der IT-Branche dabei etwas Besonderes – wie auch der Werdegang vieler anderer Absolventinnen des Internationalen Frauenstudiengangs Informatik (IFI) an der Hochschule Bremen. Einer Umfrage des Kompetenzzentrum Technik-Diversity-Chancengleichheit unter mehr als 60 IFI-Absolventinnen aus 15 Jahrgängen ergab, dass 91 Prozent von ihnen bis heute eine IT-Tätigkeit ausüben.

Frauenanteil in der Informatik noch immer gering

Zum Vergleich: Der Frauenanteil im Informatikstudium liegt aktuell deutschlandweit und in Westeuropa bei rund 20 Prozent. In der IT-Arbeitswelt ist er mit 15 Prozent jedoch deutlich geringer, weil viele Frauen nach einiger Zeit aus dem Berufsleben ausscheiden.

Anteil von Frauen in IT-Berufen im Land Bremen

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Am Sinn und Zweck eines Frauenstudiengangs für Informatik habe sich daher seit dessen Gründung um die Jahrtausendwende mit zunächst 30 Studentinnen nichts geändert, sagt die Leiterin des Bremer Frauenstudiengangs, Gerlinde Schreiber. Sie sieht das Projekt als Leuchtturm in der deutschen Hochschullandschaft.

Wobei sich der erste Leiter des Bremer Studiengangs, der Wirtschaftsinformatiker Axel Viereck, damals zunächst an einem anderen Leuchtturm orientierte. 1997 war in Wilhelmshaven der deutschlandweit erste Frauenstudiengang geschaffen worden, damals im Fach Wirtschaftsingenieurwesen. "Wilhelmshaven, das war eine Referenz, das war eine tolle Sache", sagt Vierecks Nachfolgerin Schreiber rückblickend.

Absolventinnen schätzen gemeinsamen Umgang

Fünf Jahre lang existierte der Bremer Frauenstudiengang zunächst noch als Modellprojekt an der Hochschule Bremen. Mittlerweile ist der Studiengang "IFI" nicht nur etabliert, sondern wurde auch zum Vorbild eines Frauenstudiengangs für Informatik an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin.

Dabei unterscheidet sich der Ansatz inhaltlich im Grunde nicht von anderen Informatikstudiengängen. "Mathe, Datenbanken, Betriebssysteme, das gehört ja bei uns auch alles dazu", sagt Schreiber. Das besondere sei hingegen der Umgang miteinander. "Bei uns ist das Zentrale, dass die Studentinnen fragen können, wenn sie mal etwas nicht direkt verstehen", sagt die Professorin.

Es ist nicht peinlich, wenn man etwas nicht sofort versteht.

Porträt von Dr. Gerlinde Schreiber
Gerlinde Schreiber, Leiterin des Internationalen Frauenstudiengangs Informatik an der Hochschule Bremen

Niemand habe Angst, sich vor den anderen oder den Lehrenden zu blamieren. Auch dies spiegelt sich in der jüngsten Befragung zum 25-jährigen Jubiläum des Studiengangs wieder, der zufolge 91 Prozent der Absolventinnen die Atmosphäre im Studium als sehr positiv empfunden haben.

Ein weiterer Aspekt, den Schreiber hervorhebt: "Wir sind eine angewandte Informatik." Das heiße, die Hochschule Bremen arbeite eng mit Kooperationspartnern aus der Wirtschaft zusammen – darunter beispielsweise der Autokonzern Mercedes, das Hamburger IT-Unternehmen MaibornWolff oder HEC, einer Tochter der Bremer Softwareschmiede Neusta.

Im Beruf ist das Geschlecht zweitrangig

IFI-Absolventin Irina Gengel beispielsweise hat ihre Abschlussarbeit in einem Projekt beim Luftfahrtkonzern EADS, heute Airbus, geschrieben. In ihrem heutigen Berufsalltag sieht sie keinen Unterschied zwischen weiblicher und männlicher Herangehensweise an die Informatik. "Jeder bringt seine eigenen Ideen und Qualitäten mit, unabhängig vom Geschlecht", sagt die heute 43-Jährige.

Doch wird es einen solchen Studiengang auf Dauer brauchen? "Wir arbeiten eigentlich daran, uns selbst abzuschaffen", sagt Studiengangsleiterin Gerlinde Schreiber. Spätestens ab einem Frauenanteil in der Informatik von rund 30 Prozent sollte dies der Fall sein, sagt sie.

Dann wissen wir aus den Sozialwissenschaften, dass die Gruppe so groß ist, dass sie aufhört, sich als Minderheit zu verhalten.

Porträt von Dr. Gerlinde Schreiber
Studiengangsleiterin Gerlinde Schreiber

Darum ist es in der Informatik wichtig, für mehr Diversität zu sorgen

Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. Mai 2024, 19:30 Uhr