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Duales Lehramtsstudium in Bremen: Gute Idee gegen den Lehrermangel?

Junge Studierende sitzen in einem Hörsaal.

Bremische Bürgerschaft will duales Lehramtsstudium einführen

Bild: dpa | Patrick Pleul

Die neue, praxisorientierte und bezahlte Lehrerausbildung steht derzeit hoch im Kurs – und könnte bald auch in Bremen kommen. Die Chancen und Risiken erklären Bremer Experten.

Bundesweit fehlen Lehrerinnen und Lehrer, in Bremen führt dies seit Jahren zu immer neuen Ideen und Debatten, wie diese Lücke geschlossen werden könnte. Den jüngsten Vorstoß hat jetzt die Bremische Bürgerschaft gewagt. In einem Beschluss hat sie den Senat beauftragt, das Für und Wider eines dualen Lehramtsstudiums im Land Bremen auszuloten. Welche Vorteile und Nachteile eine solche Ausbildung hätte und wie die Chancen einer baldigen Umsetzung stehen, klären wir hier.

Wie viele Lehrkräfte fehlen im Land Bremen?

Im April 2023 gab Bildungssenatorin Sascha Aulepp (SPD) die Zahl mit 160 nicht besetzten Stellen für das Land Bremen an. Und nach den Sommerferien 2024 müssen einer Mitteilung des Senat zufolge mehr als 60 zusätzliche Klassen in den ersten vier Schuljahren eingerichtet werden. Dafür wären 70 neue Grundschullehrkräfte nötig.

Warum gibt es so viele unbesetzte Stellen?

Es wird mehr Personal benötigt: Seit 2015 steigen die Schülerzahlen in Bremen und Bremerhaven deutlich. Das Bildungsressort rechnet damit, dass im Land Bremen bis zum Jahr 2030 etwa 5.500 Kinder und Jugendliche mehr die Schule besuchen werden als 2023. Für das Land Bremen ergibt sich dem Personalversorgungskonzept des Schuljahrs 2022/23 zufolge bis zum Schuljahr 2030/31 ein Einstellungsbedarf von 3.150 Personen, was etwa 2.612 Vollzeitstellen entspricht. Besonders hoch ist der Einstellungsbedarf laut dem Bildungsressort im aktuellen Schuljahr.

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    Die Doppelbesetzung für Bremer Grundschulklassen wurde gestrichen. Bildungssenatorin Sascha Aulepp setzt stattdessen auf die Ausbildung für Lehrkräfte.

Wieso wird jetzt über das duale Lehramtsstudium diskutiert?

Der Bedarf an Lehrerinnen und Lehrern steigt bundesweit, während die Zahl der Studienanfänger stagniert. Im März hat die Kultusministerkonferenz daher beschlossen, in allen Bundesländern duale Lehramtsstudiengänge mit integriertem Referendariat sowie Quereinstiegs-Masterstudiengänge zu ermöglichen.

Daraufhin hat die rot-grün-rote Koalition in Bremen Anfang Mai einen Antrag in die Bremische Bürgerschaft eingebracht, die Möglichkeit die Einführung eines dualen Lehramtsstudiengangs durch den Senat prüfen zu lassen. Die CDU legte Ende Mai mit einem Dringlichkeitsantrag nach, in dem sie konkret die Einführung eines dualen Lehramtsstudiums bis zum Wintersemester 2025/2026 fordert.

Die Bürgerschaft hat diesem parteiübergreifenden Ansinnen nun zugestimmt und den Senat aufgefordert, zusammen mit der Uni, dem Landesinstitut für Schule und dem Bremerhavener Magistrat zu prüfen, wie diese Pläne umgesetzt und finanziert werden können.

Welche Bundesländer planen – neben Bremen – ein duales Lehramtsstudium?

Während in Bremen noch geprüft wird, wie ein duales Lehramtsstudium im kleinsten Bundesland umgesetzt werden könnte, sind andere Bundesländer schon weiter.

Baden-Württemberg: Dort wird ab Herbst an drei Standorten ein duales Lehramtsstudium im Bereich der MINT-Fächer, also Mathe, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, angeboten. In Freiburg, Karlsruhe und Stuttgart werden ab dem Wintersemester 2024/2025 in einem Modellversuch jeweils 20 duale lehramtsbezogene Masterstudiengangsplätze angeboten. Sie sollen rund 1.600 Euro "Unterhaltsbeihilfe" erhalten.

Thüringen: Auch Thüringen richtet ab Herbst (Wintersemester 2024/2025) ein duales Studium für das Regelschullehramt ein. Der Studiengang mit 50 Plätzen wird an der Uni Erfurt angeboten. Dualstudierende erhalten einen Studienvertrag mit einer monatlichen Vergütung von zunächst rund 1.400 Euro im Bachelor und 1.650 Euro im Master. Für die Zeit des Studiums sowie fünf weitere Jahre binden sie sich vertraglich an den Freistaat.

Der Eingang der Otto-von-Guericke-Universität in Magdeburg.
An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg wird das duale Lehramtsstudium schon ab dem kommendem Wintersemester eingeführt. Bild: Imago | Christian Schroedter

Sachsen-Anhalt: In Sachsen-Anhalt wird ab Herbst in einem Modellversuch ein duales Lehramtsstudium an der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg angeboten. Die Ausbildung mit zunächst 30 Plätzen beginnt mit einem Bachelor-Studiengang Lehramt an Sekundarschulen. Daran schließt sich ein mit dem Vorbereitungsdienst verzahnter praxisintegrierender Masterstudiengang an. Ab 2025/2026 soll darüber hinaus die Möglichkeit eines Quereinstiegs in das Masterprogramm mit 20 Plätzen pro Jahrgang geschaffen werden. Die Vergütung liegt bei rund 1.400 Euro im Monat.

Welche Vorteile hat so ein duales Lehramtsstudium?

Mit einem dualen Lehramtsstudium werden einige Vorteile verknüpft, die helfen sollen, die Lehrkräfteknappheit zu verringern.

Schneller Lehrkräfte-Nachschub: Mit einem dualen Studiengang wäre es möglich, Studierende frühzeitig, also bereits während ihres Studiums, an Bremer Schulen einzusetzen. So könnten Sie mehrere Jahre früher als im klassischen Lehramtsstudium arbeiten.

Zwei junge Referendarinnen helfen Grundschülern.
In einem dualen Studium würde die Unterrichtspraxis bereits früh in die Ausbildung integriert. Bild: dpa | Image Source/Pancake Pictures

Frühere Praxis: Einer Analyse des Stifterverbands der Deutschen Wirtschaft zufolge haben zuletzt von bundesweit rund 52.500 Studienanfängern im Lehramt nur etwa 28.300 auch das Referendariat absolviert. Als ein Grund gilt der sogenannte Praxisschock, der nach dem Studium im schulischen Umfeld einsetzen könnte. Eine frühere praktische Ausbildung könnte hier Abhilfe schaffen.

Finanzielle Anreize: In einem dualen Lehramtsstudium würden Studierende bereits während ihres Studiums ein Gehalt bekommen. So könnten den Befürwortern zufolge mehr Studierende für die Ausbildung gewonnen werden. Wie hoch eine Vergütung in Bremen sein würde, ist offen. In anderen Bundesländern wird den Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) zufolge ein Gehalt ab 1.400 Euro für Studienanfänger gezahlt.

Neue Zielgruppen: Eine Integration des Referendariats in den Master-Studiengang könnte zukünftig auch leichter Quereinsteigern den Weg in den Lehrerberuf ebnen, wenn diese beispielsweise bereits einen Fachbachelor-Studiengang absolviert haben. Auch Bremen strebt an, "Quereinsteigende, die bereits einen nicht-lehramtsbezogenen universitären Hochschulabschluss mitbringen", für den künftigen dualen Lehramtsstudiengang zu gewinnen.

Kürzere Ausbildungsdauer: Damit werben beispielsweise Bundesländer wie Baden-Württemberg, die ab Herbst ihre Modellversuche für ein duales Lehramtsstudium starten. Auch Bremen prüft eine Verkürzung. "Ein duales Masterstudium könnte beispielsweise bedeuten, dass eine Reduzierung der Master-Studiendauer samt Vorbereitungsdienst von 3,5 Jahre auf 3 Jahre möglich wäre", sagt Bildungsressort-Sprecherin Patricia Brandt.

Welche Nachteile drohen beim dualen Lehramtsstudium?

Neben den potenziellen Vorteilen des dualen Lehramtsstudiengangs drohen auch Nachteile.

Anerkennung der Abschlüsse: Vor allem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) warnt, dass die Frage nach der Anerkennung des neuen Studiengangs über Ländergrenzen hinaus noch ungeklärt ist. "Wichtig ist, dass das klassische Studium und ein potenzieller dualer Studiengang gleichwertig sein müssen", sagt die Bremer GEW-Sprecherin Elke Suhr.

Es darf am Ende nicht heißen, ihr habt ja einen Schmalspurstudiengang gemacht.

Elke Suhr von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft.
Elke Suhr, Bremer Landesvorstandssprecherin der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW)

"Die Gleichwertigkeit der verschiedenen Studiengänge muss sichergestellt werden", sagt auch Christian Palentien, Direktor des Zentrums für Lehrerinnen- und Lehrerbildung und Bildungsforschung (ZfLB) an der Uni Bremen. Im Land Bremen werde schließlich für die gesamte Bundesrepublik ausgebildet. Für diese Regelungen sei letztlich aber die gemeinsame Kultusministerkonferenz der Bundesländer verantwortlich.

Parallele Strukturen: "Es muss weiterhin ein normales Referendariat geben, weil sonst niemand aus anderen Bundesländern mehr ein Referendariat in Bremen machen kann", sagt GEW-Sprecherin Suhr. Dies wiederum könne zu teuren Doppelstrukturen führen, die vorgehalten werden müssten. Auch die künftige Aufteilung der Verantwortungsbereiche, müsse bei einer integrierten Ausbildung geklärt werden. Derzeit kümmert sich die Universität Bremen um Studierende und das Landesinstitut für Schule um Referendare. "Bei einer dualen Ausbildung muss das neu austariert werden, und ist eine organisatorische Herausforderung", sagt Bildungsforscher Palentien.

Ein Referendar steht mit zwei Schülerinnen an der Tafel und übt französisch.
Die frühe Einbindung in den Unterricht verhindert einerseits den "Praxisschock", kann aber auch zu Überforderung der angehenden Lehrer führen. Bild: dpa | Waltraud Grubitzsch

Fehlende Strukturen: Ein duales Lehramtsstudium in allen Fächern anzubieten, könnte in Bremen auch deshalb zum Problem werden, weil bislang nicht alle Studienfächer angeboten werden – zum Beispiel das Fach Sport. "Es würde daher nur mit den Fächern, die es in Bremen gibt, funktionieren", sagt GEW-Sprecherin Suhr.

Abbrecher-Regelung: Im klassischen Lehramtsstudium wird zuerst ein Bachelor (6 Semester), dann ein Master (4 Semester) erworben, dann das Referendariat (18 Monate) absolviert. Wer im Referendariat merkt, dass er oder sie den Lehrerberuf doch nicht ausüben will, hat dann immerhin den Master-Anschluss in der Tasche. "In einem integrierten Master-Referendariats-Studium droht hingegen der Rückfall auf den Bachelor-Abschluss", warnt GEW-Expertin Suhr. Auch hier sieht sie dringenden Regelungsbedarf.

Hohe Belastung: Der Vorteil, dass Studierende früh in die schulische Praxis integriert würden, könnte in einem dualen Studiengang auch zum Nachteil werden. "Das kann zu einer hohen Arbeitsbelastung führen, weil die Studierenden die Schule mit im Auge haben müssen", sagt Bildungsforscher Christian Palentien. Denn anders als im klassischen Lehramtsstudium fehle ja zunächst das theoretische Fundament.

Wann könnte das duale Studium in Bremen starten?

Innerhalb der nächsten sechs Monaten soll der Senat einen Bericht über die Möglichkeiten der Umsetzung und Finanzierung eines dualen Lehramtsstudiums für das Land Bremen vorlegen. So hat es die Bürgerschaft beschlossen.

Die Bremer CDU-Fraktion fordert einen Studiengang ab dem Wintersemester 2025/26. Auch das SPD-geführte Bildungsressort möchte die Einführung "gerne so schnell wie möglich" sehen. "Wir müssen aber auch akzeptieren, dass für die Umsetzung eine Menge von Vorarbeiten zu leisten sind und auch die Ressourcen gesichert werden müssen", sagt Ressortsprecherin Brandt. Wünschenswert sei eine Umsetzung spätestens ab dem Wintersemester 2025/26.

Diesen Starttermin hält auch der Bremer Bildungsforscher Christian Palentien von der Uni Bremen für realistisch – zumindest in einem Modellversuch.

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Bild: Radio Bremen

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Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, 30. Mai 2024, 7 Uhr