Dieser Bremer ermöglicht Kultur unabhängig vom Geldbeutel
Nicht jeder und jede kann sich Tickets für Konzerte oder Ausstellungen leisten. Die Kulturtafel Bremen möchte das ändern.
Die Eingangshalle des Bremer Konzerthauses Glocke füllt sich langsam. Schuhe klacken über den glatten, glänzenden Boden. Stimmen schwirren durch die Luft. Durch die schwere braune Holztür kommen zwei Besucher. Marcus Radetzki und Till Thomson sind an diesem diesigen Winterabend zu einem Konzert des portugiesischen Sängers Salvador Sobral gekommen.
Sie sind besondere Konzertbesucher. Marcus Radetzki ist Kulturgast der Kulturtafel, Till Thomson sein Kulturbegleiter. Beide dürfen das Konzert kostenlos besuchen. Till Thomson schiebt Marcus Radetzki in seinem Rollstuhl zu ihren Plätzen. "Na dann geht’s los Marcus, auf zum Fahrstuhl", sagt er. Weil ein Jackenärmel am Rad des Rollstuhls schleift, lässt er sich schwer schieben "Hast du die Bremse an?", fragt Till Thomson. "Ne, du hast zu wenig Kraft", witzelt Marcus Radetzki. Die beiden verstehen sich gut. Zusammengeführt hat sie die Kulturtafel.
Ich hab‘ schon einige Sachen durch die Kulturtafel erleben dürfen. Gut, dass es das gibt für Leute, die auch ein bisschen weniger Geld haben.
Kulturgast Marcus Radetzki
Marcus Radetzki hat vor einem Jahr von dem Angebot erfahren und sich sofort registriert. "Ich hab‘ schon einige Sachen durch die Kulturtafel erleben dürfen. Das finde ich super. Ich geh' gern raus, solange ich noch kann. Ich bin ja auch schon ein bisschen älter. Meine Zeit ist jetzt, das ist mein Spruch", sagt er.
Der 52-Jährige wohnt im Bremer Ortsteil Arbergen und versucht, häufig zu Konzerten zu gehen. "Ich bezahle auch mal Geld dafür aus eigener Tasche. Ich gehöre zu den Leuten, wenn ich das will, dann spare ich das Geld. Aber wenn das mal so geht, ist es auch gut", erzählt er.
Deutschlandweit gibt es rund 30 Kulturtafeln
Till Thomson ist schon das zweite Mal mit Marcus Radetzki unterwegs. "Ich möchte mich einfach ehrenamtlich betätigen und ich mag Kunst und Kultur und so passt das dann zusammen", sagt der 34-Jährige. Thomson und Radetzki verstehen sich so gut, dass sie öfter gemeinsam zu Veranstaltungen gehen möchten. An diesem Abend sitzen sie nebeneinander in der Bremer Glocke und lauschen der portugiesischen Band.
Deutschlandweit gibt es rund 30 Kulturtafeln in verschiedenen Städten. Das Prinzip ist ähnlich wie bei der Tafel. "Nur bei uns gibt es kein Essen, sondern bei uns gibt es kostenlose Tickets", erklärt Projektleiter Carsten Dohme. Veranstalter spenden also Tickets, wenn Veranstaltungen nicht ausverkauft sind. Die Kulturtafel vermittelt sie an Menschen, die wenig Einkommen haben. Es geht darum, Kultur für alle zugänglich zu machen.
Kultur ist etwas, was für uns einen ganz hohen Stellenwert hat bei der Integration von Menschen, also der Teilhabe an der Gesellschaft.
Projektleiter Carsten Dohme
Ein Viertel der Menschen nutzt Kultur nie
Ungefähr ein Viertel der Menschen in Deutschland geht laut einer aktuellen Verbrauchs- und Medienanalyse nie zu kulturellen Veranstaltungen und in Museen, 37 Prozent besuchen seltener als einmal im Monat eine Veranstaltung. Die Kulturtafel Bremen möchte diesen Zahlen entgegenwirken und kulturelle Teilhabe unabhängig von Geldbeutel, Mobilität und Herkunft ermöglichen. Seit einem Jahr gibt es die Initiative.
Außerdem geht es darum, anderen Menschen zu begegnen und sich auszutauschen. Deshalb bietet die Kulturtafel die Kulturbegleitung an. Ehrenamtliche wie Till Thomson begleiten die Kulturgäste, damit niemand allein zu einer Veranstaltung gehen muss.
Die Menschen zu erreichen, ist die Herausforderung
Die Tickets von den verschiedenen größeren und kleineren Kulturbetrieben in Bremen zu bekommen, funktioniere gut. Eine der größten Herausforderungen ist es, die Menschen zu erreichen, das Angebot auch anzunehmen. Das gelingt über Kooperationen mit anderen Initiativen und sozialen Trägern. "Das hat mal angefangen mit der Tafel, mit den Suppenengeln, dann kam der Hoppenbank e.V. dazu, die sich ja um Obdachlose, Alkoholiker oder ehemals Inhaftierte kümmern und da ist inzwischen ein super Netzwerk entstanden", sagt Projektleiter Carsten Dohme.
Die Menschen müssen einmal bei der Kulturtafel nachweisen, dass sie über ein geringes Einkommen verfügen. Bei den Veranstaltungen selbst bekommen sie dann Freikarten oder Gästelistenplätze. "Das ist nämlich unser Prinzip, ich muss keinen Ausweis vorzeigen, ich bin arm, sondern ich stehe auf der Gästeliste", berichtet Carsten Dohme. Sein Ziel ist es, "den Leuten einfach einmal dieses Gefühl zu geben, etwas Besonderes zu erleben."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Mittag, 17. Februar 2024, 13:40 Uhr