Seit Ukraine-Krieg: Bundeswehr nur selten an Bremer Schulen
In Niedersachsen hat sich die Zahl der Unterrichtsbesuche der Jugendoffiziere im Jahr 2022 verdoppelt. In Bremen zeichnet sich ein anderes Bild ab.
Es ist Unterricht der etwas anderen Art am Gymnasium in Lilienthal. Anstelle von Mathe, Deutsch oder Politik steht für die Schülerinnen und Schüler der elften Klasse eine Diskussion zum Thema Wehrpflicht auf dem Stundenplan. Zu Besuch ist ein Jugendoffizier der Bundeswehr und ein Vertreter der Deutschen Friedensgesellschaft.
Bundeswehr und Deutsche Friedensgesellschaft
Florian Kröger ist seit vergangenem Sommer Jugendoffizier. Der 30-Jährige besucht als Referent vor allem Schulen, um über Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zu diskutieren. Kröger ist nicht nur für Bremen zuständig – er besucht auch Veranstaltungen in den Landkreisen Cuxhaven, Osterholz und Delmenhorst. Teil der Diskussion am Gymnasium in Lilienthal an diesem Morgen ist auch Joachim Lohmann. Er ist Rentner und engagiert sich bei der Deutschen Friedensgesellschaft. Für ihn ist es die erste Veranstaltung dieser Art.
Eine Idee der Schülerschaft
Die Idee kam den Schülern, erzählt ihr Lehrer Adrian Knapik: "Da hänge nicht nur ich mit im Boot, sondern da sind ganz, ganz viele von der Schule mit dabei. Einmal die Schülerinnen der Politik AG bis hin zu dem gesamten Jahrgang, der sich inhaltlich auch darauf vorbereitet hat."
Der Krieg in der Ukraine, der Nahost-Konflikt: Die weltweiten Konflikte werfen Fragen auf bei den jungen Menschen. "Herr Kröger, was sagen Sie zu den Auswirkungen einer möglichen Wehrpflicht auf die Gesellschaft?", fragt eine Schülerin aus dem Politik-Kurs auf der Bühne in der Aula. Sie moderiert die Runde zusammen mit einer Mitschülerin, haben die Zeit im Blick. Sowohl Friedensgesellschaft als auch Bundeswehr sollen denselben Rede-Anteil bekommen. Die Antworten: Ähnlich komplex wie das Thema Wehrpflicht selbst. Kröger erzählt, dass in Schweden die Zahl der Zeitsoldaten rückläufig sei, seitdem es die Wehrpflicht dort gibt.
Wenig Schulbesuche in Bremen
Nur ein paar hundert Meter weiter, auf der anderen Seite der Landesgrenze zwischen Niedersachsen und Bremen, sieht es ganz anders aus. Denn in Bremen ist der Jugendoffizier kaum zu Besuch. Vorträge der Bundeswehr in Bildungsstätten unterstehen strengen Regeln: Werbung ist nicht erlaubt, lediglich zur Diskussion und Aufklärung darf der Jugendoffizier in Schulen kommen – und dazu muss er eingeladen werden. Bisher sei das in Bremen noch nicht der Fall gewesen, sagt Kröger: "Vor einer klassischen Schule, am Gymnasium einer Realschule oder dergleichen habe ich leider bisher noch kein Vortrag halten dürfen."
Gründe nicht bekannt
Das zeigen auch die Zahlen. Zwar hat der Jugendoffizier im Jahr 2022 mehr Einsatzzahlen als im Vorjahr zu verzeichnen, dabei handelt es sich aber lediglich um erste Gespräche, wie zum Beispiel Telefonate zum Kennenlernen. Zu Veranstaltungen oder Besuchen kam es danach nach Aussage der Bundeswehr nicht. Über die Gründe können sie nur mutmaßen.
Mehr Besuche in Niedersachsen
Zum Vergleich: In Niedersachsen hat sich die Zahl der Besuche im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr fast verdoppelt. Auch der Vertreter der Deutschen Friedensgesellschaft, Joachim Kuhlmann, spürt ebenfalls eine Veränderung. Aber eher in den eigenen Reihen.
Ich glaube, es ist auch schwierig, derzeit Leute zu finden, die als Pazifisten in solchen Veranstaltungen auftreten. Das sind im Moment wenig aktive Leute – es ist die Zeit der Krieger.
Joachim Kuhlmann, Deutsche Friedensgesellschaft
Schulbesuch 2019 in Koalitionsvertrag
In Bremen waren die Voraussetzungen für so einen Schulbesuch in der Vergangenheit auch schon im Koalitionsvertrag geregelt. So hieß es 2019, dass Vertreter der Bundeswehr nur gemeinsam mit Vertreterinnen und Vertretern der Friedensbewegung oder anderen Organisationen diskutieren und informieren dürfen. Im aktuellen Koalitionsvertrag findet sich diese Reglung nicht mehr. Lehrerinnen und Lehrer können eigenverantwortlich weitere Gäste zu Diskussionen einladen, heißt es vom Bildungsressort.
Diskussion kommt gut an
Den Schülerinnen und Schülern gefällt diese Alternative zum regulären Schulunterricht. Anstatt in die Pause zu verschwinden, bleiben sie in kleinen Gruppen stehen und diskutieren mit den Gästen. Quentin fühlt sich hinterher in seiner Meinung bestärkt. Er findet eine Wehrpflicht gut, wenn diese auch an Zivildienste geknüpft sei. "Es ist auch eine Machtdemonstration. Das würde politisch Sinn machen." Auch Marie rückt nicht von ihrem Standpunkt ab: "Ich störe mich an dem Wort -pflicht in Wehrpflicht." Sie findet, der Dienst an der Waffe müsse freiwillig bleiben.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 20. April 2024, 19:30 Uhr