Eine 23-Jährige erleichtert Obdachlosen die schwere Winterzeit
Viele Menschen leben bei diesen kalten Temperaturen draußen auf der Straße. Imke Luhrmann vom Kältebus erzählt, warum sie für diese Menschen jeden Sonntagabend warme Suppe ausschenkt.
Es ist minus zwei Grad an diesem kalten Winterabend. Der Atem wird in der eisigen Luft zu kleinen Nebelwolken. Auf dem Bremer Hauptbahnhof stehen rund 100 Menschen in einer Schlange für eine warme Suppe an. Meike hält schon ein wärmendes Getränk in der Hand.
"Ich bin seit ein paar Jahren auf der Straße und die gibt's so viele Jahre hier und ich find das so geil, dass sie kommen", sagt sie. Sie erinnert sich noch an einen Winter mit viel Schnee. "Da sind die nachts um drei gekommen und haben uns Schlafsäcke, Isomatten, Essen gebracht. Die haben ein offenes Ohr für uns. Die haben ein Herz die Menschen", sagt Meike.
Die, das ist das Team vom Kältebus der Johanniter, die jeden Sonntagabend vor dem Bremer Hauptbahnhof stehen. Vor dem hellgelben Kleinbus stehen auf einem Klapptisch große silberne Suppentöpfe. Aus den Töpfen steigt Dampf in die kalte Luft auf. Es riecht nach Kinderpunsch, Kaffee und Kartoffelsuppe. "Darf's noch ein Kaffee oder ein Tee sein?", fragt Imke Luhrmann einen jungen Mann in dicker Winterjacke, Rucksack und Turnschuhen.
Eine warme Mahlzeit für die Nacht
Imke Luhrmann ist 23 Jahre alt und steht in der kalten Jahreszeit freiwillig jeden Sonntagabend vor dem Bremer Hauptbahnhof. "Für die Menschen ist es einfach die letzte warme Mahlzeit, bevor sie dann in die kalte Nacht gehen, bevor sie ihre Schlafplätze aufsuchen, bevor sie Platte machen gehen", sagt sie. Für diese Menschen da zu sein, das ist der jungen Frau wichtig. "Wir nehmen uns auch Zeit für Gespräche, versuchen beratend auch tätig sein, soweit wir das können."
Becher für Becher füllt sie mit Kaffee oder heißem Tee und spricht die Menschen in der Schlange freundlich an: "Möchtest du mit Milch und Zucker? Gern, bitteschön." Mit der Beschreibung "am Rande der Gesellschaft" ist sie nicht einverstanden.
Eigentlich sind diese Menschen genau unter uns. Sie sind die Mitte der Gesellschaft. Und wir müssen uns einfach um diese Menschen kümmern und die versuchen zu integrieren und nicht so wegschieben.
Imke Luhrmann von den Johannitern
In Bremen gibt es mehrere Einrichtungen, die die Obdachlosen mit einer heißen Suppe und warmen Getränken versorgen: der Wärmebus der Inneren Mission, Wärme auf Rädern der Caritas und der Kältebus der Johanniter, dazu mehrere offene Angebote in verschiedenen Stadtteilen. Imke Luhrmann kam durch ein Freiwilliges Soziales Jahr nach dem Abitur zum Kältebus: "Und dann bin ich sozusagen hier hängengeblieben. Es macht mit den Leuten ganz viel Spaß, wir sind ein gutes Team und man spürt ganz viel Dankbarkeit", erzählt sie.
Mehr Hilfebedürftige als früher
Seit fast sechs Jahren engagiert sich die junge Frau beim Kältebus, organisiert Essens- und Getränkespenden, belädt den Bus und schenkt Kaffee, Punsch und Suppe aus. "Möchtest du noch einen Kakao oder einen Punsch oder so haben?", fragt sie eine Frau, die mit ihrem Hund in der Schlange steht. In einer Hand hält die Frau die Leine, mit der anderen nimmt sie den Becher entgegen. Aus ihren abgewetzten Handschuhen schauen rotblau gefrorene Fingerkuppen hervor. Imke Luhrmann gibt ihr eine große Tasse Kakao und noch eine Tüte mit Keksen und Schokolade mit.
Die junge Frau aus Schwanewede engagiert sich für die Menschen, weil sie weiß, dass jeder und jede in die Armut und Obdachlosigkeit rutschen kann. "Bei ganz vielen sind es natürlich auch Alkohol, Drogen, psychische Erkrankungen, die dazu führen. Aber auch das kann jedem passieren: schlimme Schicksalsschläge, Todesfälle, Job verloren. Und diese Abwärtsspirale ist dann ja auch immer schnell gegeben."
In ihren sechs Jahren beim Kältebus hat Imke Luhrmann beobachtet, wie sich die Zahl der Hilfebedürftigen verändert hat. 2018 haben sie im Schnitt um die 40-50 Menschen versorgt. "Mittlerweile sprechen wir von 150. Der Bedarf ist auf jeden Fall in den letzten Jahren deutlich gestiegen. Und was ich finde – immer jüngere Leute", erzählt sie. 2018 waren es überwiegend vor allem ältere Menschen.
Viele sind in den Zwanzigern, Anfang 30. Und dieser Trend zu dem immer jünger werdenden. Das finde ich persönlich als junger Mensch auch ganz schön erschreckend.
Imke Luhrmann
Ein Offenes Ohr und ein Offenes Herz
Neben ihrem Vollzeitjob als Ergotherapeutin rafft sich Imke Luhrmann in der Winterzeit jeden Sonntag auf und fährt aus Schwanewede nach Bremen. Karin Stelljes, die das Projekt Kältebus leitet, bewundert diesen Einsatz: "Sie geht ganz wundervoll mit den Menschen um, macht keine Unterschiede, sondern jeder ist herzlich willkommen. Das zeichnet Imke einfach aus. Ihr fröhliches Wesen und ihre Art, für Menschen, die an den Rand der Gesellschaft gedrängt werden, für die hat sie ein offenes Ohr und ein offenes Herz."
Das schätzt auch Erika, die sich an diesem kalten Winterabend mit ihrem Rollstuhl neben den Kleinbus stellt und ihre Suppe isst. Sie ist Rentnerin und wohnt in Bremen Walle. Jeden Sonntag kommt sie zum Kältebus, um eine warme Mahlzeit zu bekommen. "Ich bin froh, dass die Leute Essen austeilen, vor allem wo alles so teuer ist. Man kann ja nichts kriegen, Kartoffeln sieben Euro, Brot vier Euro. Wer soll das heute noch bezahlen? Wir alten Rentner können's nicht", erzählt sie.
Erika kommt aber nicht nur für das kostenlose Essen und einen heißen Tee, sondern auch für ein wenig menschliche Wärme: "Und man kommt mit anderen Menschen zusammen, man redet. Und sonst sitzt man allein zu Hause. Was soll das? Dann bin ich lieber hier bei den Menschen."
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, der Vormittag, 20. Januar 2024, 13:40 Uhr