Bürgermeister, Stadtgründer, Antisemit: 5 Fakten über Johann Smidt
Straßen, ein Segelschiff und sogar eine Brücke tragen in Bremen seinen Namen: Johann Smidt, der vor 250 Jahren zur Welt kam — und trotz aller Verdienste heutzutage umstritten ist.
1 Vom Pastorensohn zum Bremer Bürgermeister
Am 5. November 1773 kam Johann Smidt als Sohn des gleichnamigen Pastors der Bremer St. Stephanikirche zur Welt. Nach dem Theologie-Studium in Jena und der Rückkehr in seine Heimatstadt wurde er an seiner früheren Schule — dem Alten Gymnasium — Professor für Philosophie und Geschichte. Im Alter von nur 27 Jahren wählte man ihn in Bremen zum Senator auf Lebenszeit.
Nach dem Ende der napoleonischen Ära zog er in den Bundestag ein, der damals seinen Sitz in Frankfurt hatte und von 1815 bis 1848 wirkte. Zwischenzeitlich — genauer gesagt: im Jahr 1821 — wurde er Bremer Bürgermeister. Ein Amt, das er sich mit mehreren Kollegen teilte und im Wechsel bis zu seinem Tod im Jahr 1857 ausübte. Wie viele bedeutende Bremer fand auch Smidt auf dem Riensberger Friedhof seine letzte Ruhestätte.
2 Smidt setzte sich für die hanseatische Unabhängigkeit ein
Schon während der französischen Besatzungszeit setzte sich Smidt für die Belange der Hansestädte ein. Bei einer Dienstreise nach Paris erhielt er sogar eine persönliche Audienz bei Napoleon. Nach dessen Sturz nahm Smidt als bremischer Vertreter am Wiener Kongress teil, auf dem die europäischen Machthaber die Neugestaltung des Kontinents verhandelten. Mit seinem Engagement sicherte er den sogenannten Freien Städten Bremen, Hamburg, Lübeck und Frankfurt sowohl ihre Unabhängigkeit als auch ihre weitgehende Selbstständigkeit.
3 Bremerhavens Gründung geht auf Smidt zurück
Auf das Konto des weitsichtigen Bremers geht auch die Gründung Bremerhavens im Jahr 1827. Schon früh hatte Smidt erkannt, dass Bremen einen neuen Seehafen benötigte. Schuld daran war die Unterweser, die versandete und so für die großen Schiffe nicht mehr befahrbar war. Obwohl die Verhandlungen zäh waren, gelang es Smidt, dem Königreich Hannover ein Gebiet an der Geestemündung abzukaufen.
Nur drei Jahre nach der Grundsteinlegung des "Bremer Hafens" lief mit dem amerikanischen Dreimaster "Draper" das erste Schiff in der neuen Hafenanlage ein. Auch in der Folgezeit kümmerte sich Smidt persönlich um die Belange der noch jungen Stadt, die sich im Laufe der Jahrzehnte zum größten Auswandererhafen Europas entwickeln sollte.
4 Smidt war ein antisemitischer und antidemokratischer Politiker
Trotz seiner Verdienste liegt heute ein Schatten über Smidts Wirken. So trug der Bremer auf dem Wiener Kongress dazu bei, dass vielerorts die Emanzipation der Juden rückgängig gemacht, Rechte also wieder zurückgenommen wurden. "Das ist auf seine ganz persönliche antisemitische Haltung zurückzuführen", sagt Julia Kahleyß, Leiterin des Bremerhavener Stadtarchivs. Zwar sei Antisemitismus im 19. Jahrhundert weit verbreitet gewesen, aber: Smidt hätte sich auch anders verhalten können.
Man muss da schon unterscheiden zwischen einer Haltung, die damals in weiten Teilen der Bevölkerung vertreten war, und Taten, mit denen er sich gegen die Bremer Jüdinnen und Juden gewendet hat.
Julia Kahleyß, Leiterin des Bremerhavener Stadtarchivs.
Später kämpfte Smidt gegen die erste demokratische Verfassung Bremens im Zuge der Revolution von 1848. Mehr noch: Der konservative Politiker sorgte maßgeblich dafür, dass sie abgeschafft und von einer deutlich reaktionäreren Verfassung ersetzt wurde. Wenngleich Smidt ein Kind seiner Zeit ist, müsse man Geschichtsbilder vergangener Epochen hinterfragen dürfen, findet Kahleyß.
Ich denke, dieses Recht muss man sich einfach nehmen. Denn es ist natürlich so, dass jede Epoche ihre eigene Sicht auf die Geschichte hat. Aber es gibt einzelne Werte, die irgendwie auch universal gelten.
Julia Kahleyß, Leiterin des Bremerhavener Stadtarchivs
5 Die Erinnerung an Smidt lebt vielerorts fort
Im öffentlichen Leben ist Smidt auch heute noch präsent. In Bremen etwa trägt ebenso wie eine Straße in Schwachhausen auch die Weserbrücke, die Altstadt und Neustadt verbindet, seinen Namen. Im Rathaus wacht eine Marmorstatue mit seinem Antlitz vor dem Amtszimmer des amtierenden Bürgermeisters.
In Bremerhaven wiederum sind Fußgängerzone und Hauptkirche nach Smidt benannt. Auch das große, wegen seines kolonialen Erbes mittlerweile umstrittene Bronzedenkmal auf dem Theodor-Heuss-Platz ist dem Stadtvater gewidmet. Versehen aber mit einer Sockeltafel, deren Inschrift darauf hinweist, dass "die negativen Seiten seiner Politik" lange übersehen wurden.
Dazu gehören seine Ablehnung der bürgerlichen Gleichberechtigung, seine Politik gegen die Niederlassungsfreiheit der Juden und gegen die erste demokratische Verfassung Bremens von 1849.
Tafel-Inschrift am Bürgermeister-Smidt-Denkmal
Auch außerhalb des Bremer Landes wird an Smidt erinnert: Die "Friedrich-Schiller-Universität Jena" führt ihren ehemaligen Studenten als Ehrendoktor, in Hamburg wiederum ist er wegen seines Einsatzes nach dem großen Stadtbrand im Jahr 1842 als Ehrenbürger gelistet. Auch eine Hamburger Straße ist nach ihm benannt. Und auf der Ostsee schippert ein zweimastiger Gaffelschoner, auf dem Schüler das Segeln lernen, getauft auf seinen Namen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, der Nachmittag, 3. November 2023, 14:40 Uhr