Kommentar

Fast 80 Jahre SPD-Bildungspolitik in Bremen: Mangelhaft bis ungenügend

Die Klassenlehrerin übergibt das Zeugnis eines Schülers
Bild: dpa | David Inderlied

Die Bremer SPD hat versucht, ihr Bestes zu geben – und trotzdem fehlt es an vielen Ecken und Enden in den Schulen, meint Redakteurin Heike Zeigler.

Keine Frage: Die SPD hat in all den Jahren versucht, ihr Bestes zu geben. Vor allem seit dem PISA-Desaster Anfang der 2000er Jahre. Aber der Versuch allein reicht eben nicht. Versprechen müssen auch Taten folgen. Die Sozialdemokraten haben in quasi endlosen Schleifen immer wieder beteuert, vor allem kurz vor Wahlen, dass ihnen gute Bildung wichtig sei. Dass das langfristig nach hinten losgehen kann, wenn der Wähler und die Wählerin das irgendwann nicht mehr glauben, das hat die Partei wohl inzwischen eingesehen.*

Ja, die SPD hat das Gesamtschulsystem in Bremen vorangebracht. Wer sozialdemokratisch und links denkt, der ist dafür dankbar. Berufstätige Eltern wissen die Einführung der Ganztagsschulen zu schätzen. Und wer eine gleichberechtigte Gesellschaft im Kopf hat, steht hinter der Einführung des gemeinsamen Unterrichts von allen Kindern, egal, ob sie besondere Förderung brauchen oder Selbstläufer beim Lernen sind. Auch Inklusion genannt.

Unterstützung in homöopathischen Dosen

So weit so gut. Und doch läuft einiges schief in den Schulen in Bremen. Kaum eine Lehrkraft, die nicht klagt, überlastet zu sein. Die Schüler und Schülerinnen bringen inzwischen unterschiedlichste Kulturen, sprachliche Fähigkeiten und soziale Hintergründe mit, die die Lehrkräfte nicht allein ausgleichen können. Es fehlt an Sonderpädagogen, Sozialarbeit und Erziehungskräften in den Schulen – und zwar in großer Zahl. Auch diese Unterstützung wurde immer wieder versprochen, tröpfelt aber seit Jahren nur in homöopathischen Dosen in die Schulen ein.

Die Schule ist längst der Reparaturbetrieb der Gesellschaft. Das pädagogische Personal in den Schulen muss vieles auffangen, was zuhause in der Familie oder im Stadtteil nicht gut läuft. Doch diese Erkenntnis scheint immer noch nicht in allen Köpfen angekommen zu sein. Bei der SPD nicht und auch nicht bei Senatsmitgliedern, die den Daumen fest auf der Finanzschatulle bei diesem Thema haben. Es braucht in den Schulen deutlich mehr Personal, die für die Kinder und ihre Lebenslagen ein Auge haben.

Und es braucht mehr Vorausblick. Kurz bevor Bremen die Inklusion, 2009, in den Schulen einführte, hatte es den Studiengang Behindertenpädagogik an der Universität Bremen eingestellt. Der Senat brauchte viele Jahre, um den Fehler zu korrigieren. Der heutige Engpass an sonderpädagogischen Fachkräften ist also hausgemacht. Genauso wie der aktuelle Lehrermangel. Bildungsexperten haben über viele Jahren davor gewarnt, dass zu wenige Lehrkräfte ausgebildet werden. Reagiert aber haben das Bildungsressort und der Senat nur zögerlich und ungenügend.

Bildungsressort mit Schleudersitz

Ja, Bremen war lange Haushaltsnotlageland und droht es jederzeit wieder zu werden. Und der häufige Wechsel auf dem senatorischen Posten im Bildungsressort zeigt, dass Bildungspolitik in Bremen auch ein Schleudersitz ist. Zumal die SPD ihre eigenen Leute hier gerne mal im Regen stehen lässt und die eine und andere Senatorin deshalb genervt aufgegeben hat.

Vermutlich auch deshalb wird hinter vorgehaltener Hand gemunkelt, dass die Sozialdemokraten erstmalig bereit sein könnten, das Bildungsressort nach sage und schreibe 78 Jahren abzugeben. Voraussetzung ist natürlich, dass sie wieder an die Macht kommen und sich das aussuchen können. Die alles entscheidende Frage aber bliebe dann immer noch im Raum: Wie kann die Politik in Bremen endlich Ernst machen und die Schulen so ausstatten wie sie es brauchen, um wirklich allen Kindern gleiche und gute Bildungschancen zu ermöglichen? Damit all die Versprechen, die nicht nur die SPD sondern auch alle anderen Parteien immer wieder machen, schließlich wahr werden. Diese Frage muss sich der künftige Senat stellen lassen. Und dann endlich genügend Antworten liefern.

* In der ursprünglichen Variante hieß es an dieser Stelle, die Punkte Bildung und Schule würden nicht als Extrapunkt im Inhaltsverzeichnis des Zukunftsprogramms auftauchen. Dieser Fehler wurde korrigiert.

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Autorin

  • Heike Zeigler
    Heike Zeigler

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 24. April 2023, 19:30 Uhr