Fragen & Antworten
Klage gegen Ausbildungsfonds: So stehen die Chancen der Bremer Kammern
Fünf Bremer Kammern klagen gegen den Ausbildungsfonds. Doch Rechtsexperte Viellechner hat Zweifel an der Klage. Das Verfahren könnte mehrere Monate dauern.
Um mehr junge Menschen in eine Ausbildung zu bringen und so gegen den Fachkräftemangel vorzugehen, hat der Bremer Senat Anfang des Jahres den Ausbildungsunterstützungsfonds beschlossen. Das heißt: Fast alle Unternehmen im Land Bremen müssen Geld in einen Fonds einzahlen. Wenn ein Unternehmen dann ausbildet, wird ihm ein gewisser Betrag ausgezahlt.
Schon bevor das Gesetz beschlossen wurde, hatten viele Unternehmer und Unternehmerinnen das Vorhaben scharf kritisiert. Nun haben fünf Kammern aus Bremen, nämlich die Handelskammer, die Handwerkskammer, die Hanseatische Rechtsanwaltskammer, die Zahnärztekammer und die Apothekerkammer eine Klage gegen das Gesetzt beim Staatsgerichthof eingereicht – einen sogenannten Normenkontrollantrag.
Was ist ein Normenkontrollantrag?
Wird ein Normenkontrollantrag beim Staatsgerichtshof eingereicht, muss der Gerichtshof überprüfen, ob das Gesetz der Bremer Verfassung entspricht. Denn: Die Bürgerschaft darf keine Gesetze erlassen, die gegen die Landesverfassung verstoßen, erklärt Lars Viellechner, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bremen. Sollte der Staatsgerichtshof entscheiden, dass das Gesetz gegen die Verfassung verstößt, dann ist das Gesetz ungültig.
Dass die Kammern überhaupt solch einen Antrag stellen können, sei dabei eine Bremer Besonderheit: Hier dürften nicht nur Staatsorgane sich so an den Staatsgerichtshof wenden, sondern eben auch öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Kammern. Dazu bräuchten sie nur einen Bezug zum Thema des Gesetzes – was in diesem Fall gegeben sei.
Was kritisieren die Kammern in ihrer Klage genau und was wollen sie erreichen?
Die Kammern sind der Meinung, dass das Land Bremen gar nicht die Kompetenz hat, solch ein Gesetz zu erlassen. Außerdem seien die Maßnahmen, die das Gesetz enthält, nicht verhältnismäßig.
Nicht die Unternehmen seien verantwortlich dafür, den Fachkräftemangel zu bekämpfen. Stattdessen müsse das Bremer Schulsystem verbessert werden, damit es mehr qualifizierte Bewerber und Bewerberinnen gibt – und das sei Aufgabe des Staats.
Wie aussichtsreich ist die Klage?
Wie der Staatsgerichtshof entscheiden wird, lässt sich natürlich noch nicht sicher sagen. Laut Rechtsexperte Viellechner hat die Klage aber eher keine guten Chancen. Seiner Meinung nach hat das Land die Berechtigung, solch ein Gesetz zu erlassen.
Auch wenn der Fachkräftemangel noch andere Ursachen haben mag, kommt dem Gesetzgeber hinsichtlich von Eignung und Notwendigkeit der Maßnahme ein gewisser Einschätzungsspielraum zu.
Lars Viellechner, Professor für Öffentliches Recht der Universität Bremen
Zwar habe auch der Bund kürzlich ein Gesetz zur Stärkung von Ausbildungen erlassen, das im Jahr 2024 in Kraft tritt und dem Land verbieten könnte, selbst in diesem Bereich tätig zu werden. "Meines Erachtens betrifft das Bundesgesetz aber andere Gegenstände, sodass die Landeskompetenz für die Ausbildungsabgabe fortbesteht", erklärt Viellechner.
Auch seien das Gesetz und die damit einhergehenden Sonderabgaben von der Verfassung gedeckt – "insbesondere der Zusammenhang von Abgabepflichtigen und Abgabezweck sowie die verhältnismäßige Höhe der Abgabe", so der Rechtsexperte.
Wie geht es jetzt weiter?
Wie lange das Verfahren genau geht, weiß man noch nicht. Doch Lars Viellechner sagt, dass es bis zu einer Entscheidung des Staatsgerichtshofs mehrere Monate dauern könne.
Bremens neue Arbeitssenatorin Claudia Schilling (SPD) sagte zu buten un binnen, man werde zunächst die Bewertung des Staatsgerichtshofs abwarten. Außerdem wolle sie das Gespräch mit den Kammern suchen. Beide Seiten hätten das gleiche Ziel: "Wir wollen junge Menschen in Ausbildung bringen. Wir wollen den Fachkräftemangel bekämpfen. Uneinigkeit besteht hinsichtlich des Weges."
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. Juli 2023, 19:30 Uhr