Stollen, Klaben und Co: Kann man dieses Weihnachtsgebäck lieben?
Klaben und Stollen sind Tradition – doch zumindest der Stollen ist laut einer Studie umstritten. Unsere Autorin isst das Gebäck nur in "Notfällen". Kann mehr Wissen darüber das ändern?
Ich mag die Vorweihnachtszeit! Jawohl. Die kalte Luft, die frühe Dunkelheit, das Kerzenlicht im Wohnzimmer an den Adventstagen. Das macht so melancholische Stimmung. Auf gute Art.
Man kann eingewickelt in eine warme Decke auf dem Sofa sitzen und einfach nur gucken. Nichtstun ist manchmal das Beste, was man tun kann. Da ruckelt sich das gelebte Leben im Gehirn zurecht; denn lässt man es eine Weile in Ruhe, findet vieles seinen Platz von ganz alleine. Bestenfalls weiß man dann, was richtig ist für einen und was weg kann.
Aber warten Sie! Bevor wir weiter darüber reden…ich brauche auch was Süßes. Schokolade oder irgendwas mit Vanille machen für mich das Vorweihnachtsgefühl perfekt. Lassen Sie mich mal überlegen! Irgendwo muss noch was sein.
Wie – alles aufgegessen? Stollen und der Klaben sind noch da! Na toll.
Jaja, ich liebe diese Zeit. Aber nein – bei traditionellem Weihnachtsgebäck muss ich passen. Das esse ich nur in Ausnahmefällen.
Traditionelles Weihnachtsgebäck verstehe ich nicht
Denke ich zum Beispiel an Marzipan, sehe ich Schweinchen auf dem Weihnachtsteller meiner Kindheit liegen. Und wie mein Bruder und ich die rosa Tiere nach Monaten in dunklen Ecken des Spielzimmers wiederfanden: verwahrlost und grau. Dominosteine, Zimtsterne und irgendwas mit Knickebein (ja, googeln Sie nur) – der ganze Teller war abgesehen vom gewöhnlichen Schoko-Nikolaus ein großer Betrug.
Und dann der Stollen. Da ist alles drin, was ich bis heute nicht verstanden habe: Marzipan, Rosinen und diese kleinen Würfelchen von fragwürdiger Konsistenz und Farbe: grünlich gelb und orange – Zitronat und Orangeat. Da such’ ich lieber weiter nach "irgendwas mit Vanille" und frage mich: "Wie lecker finden Menschen Stollen wirklich?" Tatsächlich bin ich mit meinen Zweifeln nicht allein.
Stollen und Zimtsterne gar nicht so beliebt
Erst vor zwei Jahren wurde bei einer repräsentativen Umfrage der Christstollen als eine der umstrittensten Festtagsbackwaren entlarvt: 37 Prozent der Befragten mögen Stollen demnach überhaupt nicht. Nur 39 Prozent gaben an, ihn zu mögen. Die 24 Prozent dazwischen finden ihn so "geht so". Nur die Zimtsterne waren noch weniger beliebt. Im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur hatte das Meinungsforschungsinstitut Yougov wenige Tage vor Weihnachten knapp 2.100 Menschen ab 18 Jahren befragt.
Da frage ich mich außerdem auf meinem Sofa an diesem Adventssonntag: "Wer hat’s erfunden – und warum?" Und welche Rolle spielt der Bremer Klaben beim Thema "Wahrhaftig leckeres Weihnachtsgebäck?"
Klaben – verwandt und doch anders
Bäcker Peter Büser aus Bremen-Osterholz steht der Bäckerei-Innung vor und kennt sich aus mit Stollen und Klaben. Deren Kritiker kenne er dagegen kaum, erzählt Büser: "Nein, ich frage mich, wo die ganzen Leute herkommen, die das kaufen, wenn so viele das nicht mögen. Wir verkaufen das direkt über die Theke jedes Jahr in großen Mengen." Nur eine Mitarbeiterin in seinem Laden, räumt der Meister ein, die habe schon einmal gefragt, ob er es nicht auch ohne diese speziellen Zutaten zubereiten würde. Das aber sei gar nicht erlaubt, erklärt Büser weiter, die Produktion von Stollen und Klaben sei fest geregelt und unumstößlich.
Ich bin 2007 im Sommer aus dem Rheinland nach Bremen gekommen. Im Oktober sagten meine Mitarbeiter, ich müsste Klaben machen. Da wusste ich gar nicht, was das ist. Und dann habe ich das Rezept gesehen und dachte: Das kannst Du gar nicht backen mit 50 Prozent Rosinen und den ganzen Früchten.
Peter Büser, Klaben-Bäcker und Obermeister Bäckerei-Innung
Was laut dem heutigen Klaben-Experten Büser wichtig ist: Der Stollen-Teig besteht zu etwa 30 bis 35 Prozent aus Früchten. Im Klaben-Teig dagegen muss der Anteil der Früchte bei 50 Prozent liegen. Das und der hohe Butter-Anteil im Teig machten den Klaben saftiger. Aber die Hälfte des Teiges nur Frucht? Als er vor 15 Jahren aus dem Rheinland nach Bremen kam, dachte Bäckermeister Büser, das könne man gar nicht backen. Inzwischen ist er Experte für und Fan dieser Backware zugleich.
Seit 2009 ist der Klaben auch geografisch geschützt. "Wer den Zusatz 'Bremer' haben möchte oder den Schlüssel auf der Verpackung, darf den Klaben nur in Bremen und in einem Teil umzu backen", sagt Büser. Jedes Jahr würden die Klaben-Bäcker kontrolliert und Proben des Gebäcks genommen.
Wer hat Klaben und Stollen denn nun erfunden?
Der Stollen geht zurück bis ins 14. Jahrhundert. Damals waren es der Überlieferung zufolge lange Weißbrote, die sich zur klassischen Weinhnachtsverpflegung wandelten. Seit der Papst 1491 mit dem sogenannten Dresdner Butterbrief an den sächsischen Kurfürsten das Butterverbot in der Fastenzeit aufhob, gehört das Buttern des Stollens nach dem Backen dazu.
Der Klaben wird 1593 laut Bäckerei-Innung in Dokumenten des Bremer Rates erwähnt. Die "Bremer Klavenbäckerei" dürfte also noch älter sein und ins Mittelalter zurückgehen. Später hätten Auswanderer aus Bremen und Bremerhaven, die mit dem Schiff Richtung Amerika fuhren, etwas gebraucht, was sie mit auf ihre lange Reise nehmen konnten. Haltbar musste es sein und nahrhaft, um Mangelerkrankungen vorzubeugen. Der Klaben war geboren. Er wird traditionell in langen Kästen von fünf bis sechs Kilogramm gebacken, nicht gebuttert und nach dem Backen gelagert.
Zitronat oder Sukkade
Und dann noch dies – die gewiss umstrittenste Zutat: Die Bremer Spezialität wird wie Stollen unter anderem mit Zitronat, oder Sukkade genannt, gebacken. Die Herstellung ist aufwendig und dauert eine Weile, wie Büser sagt. Dazu werde die sogenannte Zitronatzitrone, die größer und saftärmer ist als übliche Zitronen, aufgeschnitten, gesalzen, gewässert und getrocknet. Die Schale werde abgetrennt und in einem langwierigen Prozess kandiert. Der Zuckergehalt betrage am Ende 65 Prozent – das macht die Frucht haltbar.
Mehr Wissen, besserer Geschmack?
Nach dem Gespräch mit einem Experten verstehe ich das traditionelle Weihnachtsgebäck besser. Die Geschichte des Klabens macht Sinn für mich. Die Zutaten sind haltbar und der Klaben ist gehaltvoll. Werde ich deshalb gerne und häufiger Klaben und Stollen essen? Bäckermeister Büser positioniert sich ganz eindeutig: "Ich bin heute überzeugt davon, dass der Klaben besser ist als der Stollen", sagt er. Und Klaben sei nicht nur zu Weihnachten eine nahrhafte Mahlzeit.
Mit Klaben kann man alles machen. Es gibt Leute, die tun da Mettwurst drauf. Das können Sie mit Stollen nicht machen.
Peter Büser, Klaben-Bäcker und Obermeister Bäckerei-Innung
Darüber muss ich nachdenken, ich gehe aufs Sofa und tue nichts. Es müssen ja nicht immer die großen und schweren Fragen sein, die sich im Gehirn zurecht ruckeln. Manchmal geht es nur um Weihnachtsgebäck. Und manchmal steckt hinter dem Einfachen dann doch eine große Geschichte.
Wenn ich das nächste Mal Klaben oder Stollen esse, schmeckt er mir wohl wie immer. Aber ich denke an Menschen, die hoffnungsvoll auf großen Schiffen eine lange Reise wagen, ihr Gebäck aus dem Tuch wickeln und verspeisen. Und daran, was andere heute auf ähnlich riskanten Reisen brauchen und ich ihnen vielleicht geben kann.
Jetzt aber wird bei uns die Schokolade aufgestockt – und ich backe einen Eimer Vanille-Kipferl.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 10. November 2022, 19:30 Uhr