Interview
"Es signalisiert Neuanfang": Was das Newroz-Fest bedeutet
In Bremen sind zu dem Neujahrsfest mehrere Versammlungen geplant. Warum es dabei oft politisch wird und wo die Ursprünge liegen, erklärt eine Bremer Kulturwissenschaftlerin.
Newroz, Nauruz, Nowruz – das sind nur einige der vielen Schreibweisen, die alle eine Sache beschreiben: Das Frühlings- oder Neujahrsfest, das von Teilen der Bevölkerung in vielen Ländern des nahen Ostens, in Zentralasien und auch Ländern Südasiens gefeiert wird und mittlerweile als immaterielles Weltkulturerbe anerkannt ist. Seine Ursprünge hat es in Persien. Meistens fällt es auf den 21. März, dieses Datum ist als Internationaler Nowruz-Tag von den Vereinten Nationen (UN) festgeschrieben worden. In diesem Jahr wird er aber vielerorts schon am 20. März gefeiert. Traditionen, Bräuche und Legenden rund um den Festtag sind so unterschiedlich wie die Schreibweisen.
Versammlungen in Bremen angemeldet
Öffentliche Feiern gibt es in Bremen besonders von Menschen aus der kurdischen Community. Wie die Polizei Bremen auf Anfrage mitteilte, ist eine Versammlung in der Neustadt geplant, die bis zum Hauptbahnhof zieht. Gerechnet wird mit 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern. In Bremen-Blumenthal werden 100 Menschen zu einer Kundgebung erwartet. Die Sozial- und Kulturwissenschaftlerin Ulrike Flader beschäftigt sich in ihrer Arbeit mit der Situation von Kurden insbesondere in der Türkei. Sie erklärt, welche Bedeutung das Fest für die kurdische Community hat.
Frau Flader, was ist das Newroz-Fest?
Es ist ein Fest des Frühlingsanfangs und kein religiöses Fest. Es signalisiert den Anfang eines Jahres, einen Neuanfang. Es ist auch kein Zufall, dass es mit dem Frühlingsanfang in unseren Breitengraden fast zusammenfällt.
Wie lange gibt es das Fest schon und woher kommt es?
Da gibt es verschiedene Angaben. Von einigen Quellen wird es auf das siebte Jahrhundert vor Christi zurückdatiert. Schon da hat man diesen Frühlingsanfang gefeiert. Bei den Kurden ist es so, dass das Newroz-Fest mit einer Legende in Verbindung gebracht wird, der Legende eines Aufstands gegen einen tyrannischen Herrscher, Dahak.
Nach dieser Legende wachsen ihm plötzlich zwei Schlangenköpfe und er muss sie füttern mit den Hirnen von jungen Menschen. Seine Untertanen haben diese Menschen zu liefern, die dafür umgebracht werden. Daraufhin fliehen die Untertanen zum Teil in die Berge, oder sie schlachten Schafe und füttern die Schafshirne. Sie können aber keinen Widerstand leisten, bis Kawa, ein Schmied, der auch seine Kinder dadurch verloren hat, die Bevölkerung mobilisiert und sie von dem tyrannischen Herrscher befreit.
Das wird gefeiert, indem am Palast des Herrschers ein Feuer entfacht wird und damit auch allen Geflüchteten gezeigt wird, dass sie jetzt befreit worden sind. Das Feuer beim Newroz-Fest ist ein Symbol für die Befreiung von einem tyrannischen Herrscher.
Ist diese Legende des Aufstands und der Befreiung von Tyrannei der Hintergrund, weshalb es zu Zusammenkünften und Demos kommt?
Absolut. Als Kulturwissenschaftler und Anthropologen wissen wir, dass Tradition nichts ist, was man einfach nur hat. Es ist etwas, was immer wieder gelebt, reproduziert, neu erfunden werden muss. Das Newroz-Fest und die Legende kommen immer wieder in verschiedener Literatur und Erzählungen vor. Die politische Bewegung hat es auch aufgegriffen. Es ist heutzutage ein Fest, was quasi fraktionsübergreifend gefeiert wird, aber immer im Zusammenhang mit der Idee des Aufstands gegen einen Unterdrücker. Es ist tatsächlich so, dass die Kurden immer noch hochgradig mit Rassismus und Assimilationspolitiken konfrontiert sind in den verschiedenen Ländern, aus denen sie kommen. Auch in Deutschland ist es nicht einfach.
Deshalb ist Newroz heute immer noch verbunden mit der Idee des Widerstands, aber auch der Hoffnung, dieser Idee, dass es Hoffnung geben kann trotz der desaströsen Lage. In der Türkei ist das Fest selbst verboten worden, auch in anderen Ländern wurde nicht akzeptiert, wie gefeiert wird. Wenn man so etwas verbietet, wird natürlich das Feiern selbst schon zu einer Art des Widerstands und zum Teil einer Anerkennung als unterdrücktes Volk, als Kampf für Freiheit und Frieden. Als der türkische Staat gemerkt hat, dass es mit dem Verbot nicht funktioniert, hat man versucht, sich das anzueignen, dem einen türkischen Zusammenhang zu geben.
Welche Bräuche gibt es noch zum Fest?
Man zieht sich festlich an, manchmal auch traditionell, man kommt zusammen, es kann auch sein, dass man Gräber besucht. Im kurdischen Kontext ist es sehr stark mit einem öffentlichen Zusammenkommen verbunden, wo man tanzt, ein Feuer anzündet und feiert.
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Next, 20. März 2024, 14:30 Uhr