Immaterielles Kulturerbe: Berlin hat den Techno und Bremen den Rollo?
Die Berliner Technokultur ist einer von sechs neuen Einträgen auf der Liste des immateriellen Kulturerbes in Deutschland. Welches Kulturerbe hat Bremen zu bieten?
Mit der Liste für immaterielles Kulturerbe sollen innovative deutsche Kulturformen gewürdigt werden. Wie die Kulturministerkonferenz der Bundesländer gemeinsam mit Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) entschieden hat, zählt seit neustem auch die Berliner Technokultur dazu.
Das Abkommen zur Erhaltung des immateriellen Kulturerbes der Unesco, der für Kultur zuständigen Organisation der Vereinten Nationen, gibt es seit 2003. Deutschland ist seit 2013 Vertragspartei. Das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes beinhaltet lebendige kulturelle Traditionen und Ausdrucksformen, die in Deutschland praktiziert und weitergegeben werden.
Zum immateriellen Kulturerbe gehören Musik und darstellende Kunst, Bräuche und Feste, Mensch und Natur, Traditionelle Handwerkstechniken, Überlieferungen und Leben in Gemeinschaft sowie Modellprogramme der Erhaltung. Auf der Liste befinden sich bereits Einträge wie der Rheinische Karneval, die Brotbackkultur oder die Tradition von Schützenvereinen.
Warum es schwer ist, immaterielles Kulturerbe zu definieren
Die Vorschläge für das Verzeichnis für immaterielles Kulturerbe kommen direkt aus der Zivilgesellschaft. Bremen hat bereits zwei wichtige Welterbestätten: das Bremer Rathaus und den Roland, die seit 2004 zum Unesco-Weltkulturerbe gehören. Doch was hat Bremen an immateriellen Kulturerbe zu bieten? Kurzer Spoiler: Auch wenn der Rollo Bremens Fastfoodkultur maßgeblich geprägt hat, zählt der leider nicht zum immateriellen Kulturerbe.
Laut dem Kulturwissenschaftler Jan Christian Oberg von der Universität Bremen ist es schwer zu bestimmen, was alles immaterielles Kulturerbe sein kann. Dies sei davon abhängig, wie man es definiert und aus welchem sozialen Umfeld heraus man diskutiert.
Nach der Definition der deutschen Unesco-Kommission gelten Bräuche und Feste als immaterielles Kulturerbe, wenn die gesellschaftlichen Bräuche, Rituale und Feste zu zeitlich fest definierten Tagen oder Jahreszeiten stattfinden, wenn sie Menschen zusammenbringen, auf zivilgesellschaftlichem Engagement beruhen und wenn sie ein Gefühl von Identität fördern.
Identitätsstiftung durch Schaffermahl und Freimarktsumzug
Beim Bremer Schaffermahl, das seit knapp fünf Jahrhunderten in Bremen stattfindet, treffen sich 100 kaufmännische und 100 seemännische Mitglieder vom "Haus Seefahrt" mit Gästen aus Wirtschaft, Politik und Kultur zum gemeinsamen Festessen. Laut der Definition der deutschen Unesco-Kommission könnte das Schaffermahl als immaterielles Kulturerbe gelten, da es immer am zweiten Freitag im Februar stattfindet und durch das Sammeln von Spenden auf zivilgesellschaftlichem Engagement beruht. Außerdem fördert das Schaffermahl ein Gefühl von Identität der Seefahrer und Kaufleute.
Auch der Freimarktsumzug ist ein wichtiger Teil des Bremer Kulturerbes. Viele Bremer sehen ihn als das Highlight der "fünften Jahreszeit". Er gilt als identitätsstiftend für die Bremer Kultur und findet findet jährlich am zweiten Samstag des Freimarkts statt. Bei dem Umzug präsentieren bunte Gruppen, Spielmannszüge und Festwagen aus Bremen und umzu ihre Kostüme. Aufgrund dieser Gegebenheiten könnte der Freimarktsumzug, laut der Definition der Unesco, weitestgehend als immaterielles Kulturerbe gelten.
Kohltouren mit dem falschen Schwerpunkt
Eine weiterer, mehr als hundert Jahre alter Bremer Brauch ist die Kohltour. Sie findet traditionell im Winter während der Kohlzeit statt. Dabei wandern Freunde, Familien oder Kollegen gemeinsam umher, trinken und spielen Spiele, bevor es zum Grünkohlessen in ein Restaurant geht.
Der Kulturwissenschaftler Jan Christian Oberg spricht hier von Vergemeinschaftungsprozessen. Dementsprechend könnte die Kohltour aufgrund seiner gemeinschaftsstiftenden Funktion als immaterielles Kulturerbe gelten – aber es ist unwahrscheinlich, dass Kohlfahrten von der Unesco jemals zum Kulturerbe gezählt werden, da sich Kohltouren weniger um Kultur drehen als ums "Saufen".
Weinkultur ist bereits immaterielles Kulturerbe
Die Weinkultur in Deutschland gehört bereits zum immateriellen Kulturerbe, da sie seit Jahrhunderten den Lebensrhythmus von Menschen in Weinanbauregionen prägt, woraus zahlreiche Bräuche und Feste sowie Redewendungen wie "reinen Wein einschenken" entstanden sind.
Auch Bremen trägt zur deutschen Weinkultur bei: Im Bremer Ratskeller, unterhalb des Rathauses, befindet sich das weltweit größte Sortiment deutscher Qualitätsweine, in dem alle 13 deutschen Anbaugebiete vertreten sind. Der Ratskeller ist einer der ältesten Weinkeller Deutschlands und beeinflusst den Import und Weinhandel der Hansestadt seit Jahrhunderten maßgeblich. Im Ratskeller treffen somit zwei Welterbe aufeinander: die 2.000-jährige deutsche Weinkultur und das Bremer Rathaus.
Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Läuft, 14. März 2024, 11:43 Uhr