Lachforscher zu Loriot-Humor: "Das hält sich Jahrhunderte"
Loriot wäre in diesen Tagen 100 geworden – sein Humor begeistert nicht nur Bremerinnen und Bremer noch immer. Warum ist das so? Ein wissenschaftlicher Erklärungsversuch.
Humor spaltet bekanntlich die Gemüter, doch auf einen Komiker können sich wohl die meisten Deutschen einigen: Vicco von Bülow alias Loriot. Obwohl er in diesen Tagen seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte – und auch sein Werk deshalb schon ein stolzes Alter hat –, sind seine Sketche immer noch beliebt. Warum das so ist, hat Rainer Stollmann, Lachforscher und emeritierter Kulturwissenschaftler der Uni Bremen, auf Bremen Zwei erklärt.
Herr Stollmann, was hat Sie persönlich bei Loriot zum Lachen gebracht?
Eigentlich alles. Loriot hat mich sozusagen mein Leben lang begleitet, wie viele in meiner Generation. Die Herren im Bad oder das schiefe Bild stehen mir besonders nahe.
Im heutigen Zeitalter von Comedy geht es ja oft um den schnellen Lacher, häufig auch auf Kosten von anderen, zum Beispiel von bestimmten gesellschaftlichen Gruppierungen. Da wirkt der Humor von Loriot, der den Zeitgeist der 50er- und 60er-Jahre atmet, ziemlich aus der Zeit gefallen. Warum lachen wir dennoch heute über seinen Humor?
Er ist ein Klassiker. Klassiker werden die, die den Nerv ihrer Zeit ganz besonders gut treffen. Und komische Klassiker müssen ihn eben so treffen, dass es die Leute kitzelt.
Und Loriots Klassiker treffen auch noch die heutige Zeit.
Ja. Was ich in der heutigen Zeit aber vermisse, ist Loriots Höflichkeit. Ich glaube, man kann sagen: Er ist der höflichste Komiker der Welt. Dass es ausgerechnet ein Deutscher ist, ist schon verwunderlich, denn die Deutschen gelten nicht als besonders höflich.
Wie hat Loriots Humor funktioniert?
Man weiß ja von Loriot, dass er Szenen auch mal zehn, zwanzig, dreißig Mal gedreht hat – und das konnte er nur hier bei seinem kleinen Haussender Radio Bremen, weil da die Wege kurz waren und man das hier so arrangieren konnte. Das heißt: Der Sender hat etwas beigetragen zum Genie von Loriot. Und wie man weiß, ist 80 Prozent des Genies harte Arbeit. Das zeichnet Loriot aus: Er ist nicht zufrieden, bis alles stimmt – also bis die Nudel richtig sitzt.
War er so etwas wie der Literat, der Philosoph unter Deutschlands Komikern?
Das war er bestimmt. Aber: Jeder zweit- und drittrangige Schriftsteller zieht eine Reihe von Dissertationen nach sich, von Loriot gibt es bisher aber unter zehn. Ich kenne bloß zwei! Daran sehen Sie, dass die Germanistik noch einen Bogen um die Komik macht. Was schade ist.
Wenn wir jetzt so ein bisschen in die Glaskugel gucken: Wird Loriots Humor weiter überleben und die Menschen erfreuen?
Wenn wir es mal ein bisschen politisch sehen: Loriots Zielscheibe ist der Spießbürger der Adenauer-Ära, der so tut, als ob er kein Spießbürger mehr ist, sondern seiner Frau die Jodelschule empfiehlt. Und der stirbt aus, glaube ich. Das wird sich nicht lange verlängern lassen. Aber andere Dinge, die Loriot auszeichnen, bleiben aktuell – zum Beispiel der Hang zum Absurden. Sie wissen ja bei den Herren im Bad nicht: Sind das zwei Brüder, die die Mutter ins Bad gesteckt hat? Oder sind das hohe Autoritäten? Und mit diesem Widerspruch spielt ja der ganze Sketch.
Das geht ewig, wie Don Quichotte. Das hält sich Jahrhunderte.
Rainer Stollmann, emeritierter Kulturprofessor der Uni Bremen
Wenn sie einem heutigen Comedian einen Tipp, einen Ratschlag mit auf den Weg geben könnten, welcher wäre das – auch mit Blick auf Loriots feinen Humor?
Ich glaube, die heutige Comedy leidet etwas darunter, dass zu viel direkt gepredigt wird. Also Oliver Welke schätze ich sehr, und die "heute-show". Aber er neigt dazu, den Leuten direkt zu sagen was er meint. Das ist keine Komik, das ist eine Predigt.
Das Interview hat Britta Lumma auf Bremen Zwei geführt und Julian Beimdiecke für butenunbinnen.de aufbereitet.
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Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Vormittag, 6. November 2023, 10:10 Uhr