Interview

Was Bremer Kinder über den Wahlkampf wissen wollen

Politiker zu Besuch in einer Grundschulklasse, die Fragen der Schüler beanworten

Was Bremer Kinder über den Wahlkampf wissen wollen

Bild: dpa | Matthias Balk

Im laufenden Wahlkampf kommt die Perspektive von Kindern nur selten vor. Warum ist das so? Ein Bremen-Vier-Kinderreporter hat einen Experten gefragt.

Nicht nur Erwachsene beschäftigt die anstehende Bundestagswahl, auch Kinder haben Fragen – nicht nur zum Wahlkampf, sondern auch zum politischen Alltag allgemein.

Zebra-Vier-Kinderreporter Thole hat sich deswegen mit dem Politikwissenschaftler Andreas Klee getroffen und ihn bei Bremen Vier gefragt, warum sich Politiker so viel streiten, wie man sich selbst politisch engagieren kann und warum der Klimawandel momentan kein großes Thema mehr ist.

Wenn man in den Nachrichten sieht, wie sich die Politiker im Bundestag streiten, dann denke ich manchmal: 'Das sieht ein bisschen aus wie in meiner Schulklasse!' – vor allem, wenn noch reingerufen wird. So löst man doch keine Probleme. Warum streiten die sich so viel?

Ich finde das eigentlich ganz gut, dass die sich so streiten. Und wenn du sagst, das ist wie in deiner Schulklasse, dann ist das, glaube ich, gar nicht so weit weg davon. Streiten gehört dazu. Das ist eigentlich das, warum es sowas wie Politik gibt: weil wir unterschiedlich sind. Menschen sind unterschiedlich und das ist auch gut so. Die sollen sich streiten, weil wir in der Demokratie die Hoffnung haben, dass streiten – unter bestimmten Regeln – hilft, eine bessere Lösung zu finden.

Es wird immer dann schlecht, wenn man sich nur anbrüllt und dann irgendwann sagt: 'Jetzt habe ich keine Lust mehr', alle davonlaufen und es keine Lösung gibt.

Aber wenn man sich streitet, heißt das ja auch, dass man die Argumente der anderen hört, vielleicht anfängt, darüber nachzudenken und sich sagt: 'Okay, ich kann ein Stück weit auch nachvollziehen, was Du mir gesagt hast und versuche, das in meine eigene Position mit einzubauen.' Das ist das, was wir in der Demokratie den Konsens nennen.

Vom Konsens erhoffen wir uns, dass der immer besser ist als die jeweiligen Einzelpositionen davor. Das heißt: Streiten ist erstmal gut, streiten ist richtig. Wenn man aber nur streitet, ohne zueinander zu finden, dann macht das keinen Sinn, da gebe ich dir vollkommen Recht.

Manchmal habe ich das Gefühl, dass die Politik vor allem Gesetze für ältere Leute macht und dass die uns Kinder ein bisschen vergessen. Ist das so?

Das ist so.

Warum?

Das ist vielleicht eine ganz schreckliche Wahrheit – aber ich finde, dass muss mal offen ausgesprochen werden: Ihr dürft nicht wählen. Das ist ein zentraler Punkt. Politikerinnen und Politiker sind keine schlechten Menschen, die sich nicht für Kinder interessieren. Aber gerade in solchen Phasen wie jetzt, im Wahlkampf, setzen sie alles daran, die Menschen zu erreichen, die sie wählen können.

Aber wir sind doch die Wähler, die in der Zukunft wählen. Wenn die sich jetzt schon bei uns beliebt machen und wir sie dann wählen, ist das doch auch besser für sie!

Das könnte eine mögliche Strategie sein. Aber ich glaube, dass es immer noch reicht, sich darum zu kümmern, wenn ihr soweit seid. Aber wir dürfen nicht vergessen: Es gibt auch Zeiten zwischen den Wahlen. Und da ist es so, dass Politikerinnen und Politiker nochmal anders orientiert sind – und dann schon der eine oder andere die Kinder mehr im Blick hat.

Viele Schülerinnen, Schüler und Kinder sind ja in den letzten Jahren auf die Straße gegangen und haben bei den Fridays-For-Future-Demos für den Klimaschutz demonstriert. Hat das was gebracht?

Das hat was gebracht, ja. Und zumindest für eine bestimmte Phase hat es das Thema in unserer Gesellschaft ganz weit nach vorne gestellt und Aufmerksamkeit erzeugt.

Aber für die Politik scheint das Thema Politik ja gerade nicht mehr so wichtig zu sein. Warum?

Politik hat immer eine gewisse Aufmerksamkeitsspanne.

Es gibt auch in der Politik immer Trends. Das kennt man ja auch aus dem Alltag, dass bestimmte Dinge interessant sind und ein halbes Jahr später spielen sie keine große Rolle mehr. Und so ist das auch in der Politik.

Andreas Klee Politikwissenschaftler Universität Bremen
Andreas Klee, Politikwissenschaftler

Wir haben alle nicht damit gerechnet, dass Russland plötzlich die Ukraine überfällt und das ein Riesen-Thema wird. Dann wurden die Themen Energie- und Gaspreise plötzlich ganz groß. Und Klima – obwohl es auch aus meiner Sicht das wichtigste Thema von allen ist – spielt aktuell nicht so eine große Rolle.

Wenn ich jetzt denke: 'Ich will mich mehr einbringen, ich will was verändern und mich für die Themen, die mich interessieren, einsetzen.' Wie kann ich das machen?

In deinem Umfeld, da wo du lebst, in deiner Nachbarschaft, gibt es sicherlich Organisationen. Das muss keine Partei sein, es gibt Vereine, Gruppen, die sich zum Beispiel für bestimmte Umweltthemen einsetzen. Und dort kannst du Mitglied werden.

Ich möchte dazu eine Sache sagen: Man fängt sowas ja oft wegen einer bestimmten Angst oder Sorge an, oder wenn man sagt: 'Es passieren Dinge in unserer Welt, die würde ich gerne aufhalten.' Dann merkt man aber oft: 'Ich kann das gar nicht unmittelbar aufhalten.' Es ändert sich also nicht sofort etwas.

Es ist sehr wertvoll, sich an kleinen Schritten zu beteiligen oder auch nur zu einer Gruppe zu gehen und sie dadurch größer zu machen. Man kann sich das vorstellen wie ein Puzzle, das man zusammensetzt. Das sind Gruppen an vielen Orten, die sich engagieren, und dadurch entsteht die Wirkung.

Andreas Klee Politikwissenschaftler Universität Bremen
Andreas Klee, Politikwissenschaftler

Da würde ich sagen: Sowas sollte jede und jeder von uns machen, so wie er sie das schafft, sich ein bisschen einzubringen. Und dann ist das eine Entwicklung, die auch für uns alle von Bedeutung ist.

Das Interview führte Kinderreporter Thole für Bremen Vier. Für butenunbinnen.de aufgeschrieben hat es Marcel Foltmer.

Bremer Jugendliche lassen sich von Tiktok-Wahlwerbung nicht beirren

Bild: Radio Bremen

Mehr zur Bundestagswahl:

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Vier, Zebra Vier, 9. Februar 2025, 9 Uhr