Interview
Bremer CDU will gegen Haushalt vorgehen: "Gefährden Stahlwerke nicht"
Die CDU hält den Bremer Haushalt teilweise für verfassungswidrig, erklärt der finanzpolitische Sprecher Jens Eckhoff. Doch eine Klage könnte weitreichende Folgen haben.
Herr Eckhoff, die CDU lehnt den Haushalt ab – aber werden Sie auch dagegen klagen?
Das ist heute sehr wahrscheinlich, weil es einfach bestimmte Punkte gibt, die nach unserer Auffassung nicht verfassungskonform sind. Wir haben uns zwar bei der Frage nach der Transformation der Wirtschaft grundsätzlich mit dem Senat verständigt, wenn er eine entsprechend verfassungskonforme Formulierung findet. Aber wir haben in den Gesprächen schon gesagt, dass es erhebliche Differenzen bei der Geno, bei der BSAG und bei den Kosten für Flüchtlinge gibt. Insofern ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass wir auch klagen.
Aber widersprechen Sie sich da nicht selbst? Immerhin würden Sie bei einem Teil der Schulden durchaus mitgehen, nämlich beim Sondervermögen für die Transformation der Wirtschaft. Wenn Sie klagen, würden Sie dieses Sondervermögen dann nicht aufs Spiel setzen, am Ende unter Umständen zum Totengräber der Stahlwerke werden?
Es gibt nur einen Haushalt – und deshalb kann man auch nur einen Haushalt beklagen. Das war, glaube ich, ein bisschen die Hoffnung des Senats, dass wir sagen: "Okay, wenn wir uns bei den Stahlwerken verständigen, dann klagen wir gar nicht gegen den Haushalt." Aber wie gesagt: Bei den Gesprächen haben wir da schon gleich einen Punkt vorgesetzt. Wir haben gesagt, dass wir vom Senat erwarten, die anderen Punkte im normalen Haushalt zu lösen. Das tut er nicht. Deshalb ist die Klage wahrscheinlich. Wir müssen noch abwarten, wie die zweite Lesung läuft. Und dann würden wir in der Begründung der Klage sehr wohl differenzieren. Zu welchem Urteil der Staatsgerichtshof dann kommt, das wissen Sie erst vor Gericht.
Wir haben gesagt, dass wir vom Senat erwarten, die anderen Punkte im normalen Haushalt zu lösen. Das tut er nicht. Deshalb ist die Klage wahrscheinlich.
Jens Eckhoff, CDU-Fraktionssprecher für Haushalt
Sie hoffen also, dass bei einem möglichen Urteil das Stahlwerk ausgenommen, alles andere aber vom Tisch geräumt würde?
Ja, man muss aber auch fairerweise sagen, dass die Stahlwerke in diesem Jahr für die Transformation 300.000 Euro brauchen. Wenn die Entscheidung für die Stahlwerke fällt, brauchen sie dann im kommenden Jahr 23 Millionen Euro. Wir gefährden also mit einer Klage gegen diesen Haushalt nicht die 300 Millionen für die Stahlwerke.
Sie werfen dem Senat auch vor, keine Sparanstrengungen vorzunehmen, halten aber Investitionen durchaus für nötig. Wo würden Sie denn sparen, um solche Summen freizumachen?
Da gibt es ganz viele kleine Beispiele. Ich fange mal mit dem Beispiel Personal an: 2019 hat der Senat beschlossen, für jedes Ressort einen Personalbedarfsplan zu machen. Den gibt es bis heute nicht. Wir kritisieren überhaupt nicht zusätzliche Lehrer. Wir kritisieren auch nicht zusätzliche Polizisten. Aber in vielen Bereichen der Kernverwaltung sind neue Positionen geschaffen worden, die teilweise zur Problemlösung da waren.
Aber Sie stellen das immer so dar, als seien das Verwaltungsbeamte, die den ganzen Tag irgendwie Löcher in die Luft starren. Dabei handelt es sich ja um die Polizisten, um die Lehrkräfte, um Feuerwehrleute, um Erzieherinnen und Erzieher...
Nicht nur. Wenn wir uns beispielsweise das Wohnungsamt angucken: Da sind knapp 40 Leute hinbeordert worden, um einen Aktenberg wegzuarbeiten. Das ist relativ schnell gelungen und nun ist der Aktenberg weg. Die 40 Leute sind aber fast alle noch da. Da fragt man sich: "Was machen die heute, wenn sie es geschafft haben, einen Aktenberg wegzukriegen?"
(Anmerkung der Redaktion: Die Behörde weist daraufhin, dass die zusätzlichen Stellen in der Wohngeldstelle zur Einführung des "Wohngeldes plus" geschaffen wurden. Seit der Einführung seien allein in Bremen dreimal mehr Menschen berechtigt, Wohngeld zu empfangen. Dafür würden die Mitarbeiter auch jetzt eingesetzt.)
Wir müssen viel mehr digitalisieren. Wir müssen flexibler werden, dass wir bestimmte Leute auch schneller zu einzelnen Bereichen schicken. Wenn wir mit den 2.200 neuen Stellen heute ein super Bürgerservice hätten, wo die Leute innerhalb von drei Wochen einen Termin kriegen, wären alle angetan. Aber es dauert nach wie vor sechs Monate, bis man in Bremen einen Termin bekommt.
Stichwort Dauer: Sie wollen die Verwaltung entschlacken, die Geno teilprivatisieren. Das dauert alles seine Zeit. Aber Sie brauchen jetzt Geld, um das Geno-Defizit auszugleichen, für die BSAG und für viele andere Projekte.
Aber Sie finden ja relativ schnell für die Geno tatsächlich private Partner. Wir hören seit zehn Jahren von der Geno, dass es im nächsten Jahr besser wird. Es hat uns eine Dreiviertel Milliarde Euro gekostet – und nichts ist besser geworden. Die Struktur hat sich sogar verschlechtert. Und da muss man doch mal über seine bisherigen Positionen nachdenken und für die Zukunft etwas anders machen.
Und kurzfristig?
Natürlich bringt das auch kurzfristig Geld. Wenn ich jetzt damit anfange, kann ich spätestens zum Jahresende dort auch Möglichkeiten schaffen. Auch beim Thema Flüchtlinge. Da wird uns immer in den Mund gelegt wird, wir hätten etwas gegen Flüchtlinge. Haben wir nicht. Aber wenn wir zum Beispiel Leichtbauhallen errichten, die wir mieten, die bei einem Kauf 6 Millionen Euro weniger gekostet hätten, dann ist auch das eines von vielen kleinen Beispielen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 18. April 2024, 19:30 Uhr