Rechte, Christen, Islamisten: Wie Homophobie Bremer Extremisten eint

Wie extremistische Einstellungen in der Gesellschaft zunehmen

Bild: dpa | Sebastian Willnow

Ab Mittwoch verhandelt das Bremer Landgericht erneut gegen Pastor Olaf Latzel. Mutmaßlich homophobe Äußerungen sind aber kein Alleinstellungsmerkmal bibeltreuer Christen.

Als im Sommer 2022 das erste Berufungsverfahren gegen Olaf Latzel vor dem Bremer Landgericht verhandelt wird, ist das Interesse der Öffentlichkeit groß. Unterstützer des evangelischen Pastors aus der Bremer St.-Martini-Gemeinde sind gekommen, ebenso wie Gegner Latzels. Menschen aus der LGBT-Community demonstrieren vor dem Gericht für die Rechte queerer Personen.

Olaf Latzel, Pastor der evangelischen Bremer St.-Martini-Kirche, vor Beginn der Revisionsverhandlung am Bremer Oberlandesgericht (OLG) im Bremer Justizzentrum.
Der evangelikale Pastor Olaf Latzel steht ab Mittwoch erneut vor Gericht. Bild: dpa | Eckhard Stengel

Latzel wird Volksverhetzung vorgeworfen. In einem Eheseminar soll er von "Gender-Dreck" gesprochen haben und den "Verbrechern vom Christopher Street Day". Latzel bestreitet die Vorwürfe: Er habe mit seinen Aussagen nicht homosexuell lebende Menschen generell gemeint, sondern nur "militante Aggressoren", die die Gemeinde immer wieder angegriffen hätten.

Mit dabei im Landgericht ist auch ein junger Mann aus Delmenhorst: Huseyin Özoguz. Er betreibt den Youtube-Kanal "Actuarium". Die Richtung dieses Kanals ist schnell zu erkennen. Viele Videos sind pro Iran. Hisbollah und Hamas werden verherrlicht oder verharmlost. Andere Beiträge richten sich gegen Israel und die Bundesregierung.

Auch Islamist feiert Latzels Freispruch

Die Veröffentlichungen auf dem Kanal zeichnen sich laut niedersächsischem Verfassungsschutz zudem durch "eine deutliche Ablehnung bis hin zu Diffamierung und Hetze gegenüber Personen aus dem LGBTIQ+-befürwortendem Spektrum aus". Damit stellten die Videos "die freiheitlich-demokratische Grundordnung und den Gedanken der Völkerverständigung in Frage".

Auch über seinen Besuch beim Latzel-Prozess hat Özoguz ein Video gedreht. Die Begegnung mit den Anhängern Latzels beschreibt er als "faszinierend". Das seien "so richtige Christen" gewesen, "evangelische, gläubige Christen". Dabei seien die doch eigentlich in Deutschland vom Aussterben bedroht.

Der Freispruch für Latzel vor dem Landgericht ist dann für den Islamisten und Iran-Freund Özoguz auch ein "kleiner positiver Schimmer, in einem Land das LGBT-mäßig eindeutig in die falsche Richtung geht".

Dass Latzel, der gewiss kein Islamist ist, von dieser Seite Beifall bekommt, überrascht den Bremer Verfassungsschutz nicht. So beobachte man etwa schon seit längerem, dass das Thema Homophobie verschiedene Szenen verbinde, beispielweise auch den Rechtsextremismus und Islamismus: "Wir haben festgestellt, dass dieses Thema insbesondere in den sozialen Medien an Bedeutung gewinnt", sagt der Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz Thorge Koehler. "Und aus Perspektive der Extremisten stellt es ein einendes Feindbild dar."

Die Szenen nutzen ihre gegenseitigen Echokammern. Das ist gefährlich, weil sie digital eine ganz andere Reichweite erzielen.

Thorge Koehler, Leiter des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz

Ein Feindbild, das auch im sogenannten Islamischen Kulturzentrum am Bremer Breitenweg gepflegt wird. Etwa durch den salafistischen Influencer Abul Baraa, der in seinen Vorträgen etwa gegen die gleichgeschlechtliche Ehe hetzt.

So heißt es in einem Video: "In einer kranken Welt, wo man dir erzählt, dass eine Familie aus Vater und Vater besteht oder aus Mutter und Mutter. Bald werdet ihr sehen: Man kann bald sein Haustier heiraten."

Unterschiedliche Extremisten, gleiche Symbolik

Bei manchen Darstellungen und Memes im Netz zeigt sich in verschiedenen Szenen eine bemerkenswerte Übereinstimmung. So findet sich auf der Seite eines islamistischen Twitter-Profils ein Bild eines herabtropfenden Regenbogens, gegen den sich die Familie – Vater, Mutter, zwei Kinder – nur durch den Regenschirm der Scharia schützen kann.

Zwei homophobe Memes mit ähnlicher Symbolik, einmal von Islamisten, einmal von Neonazis
Gleiche Symbolik, unterschiedlicher Hintergrund: Mit solchen Bildern hetzen Islamisten (links) und Neonazis im Netz gegen queere Menschen. Bild: Screenshot

Das gleiche Bild findet sich auch auf rechtsextremen Seiten. Nur, dass dort nicht von der Scharia die Rede ist. Stattdessen findet sich auf dem Bild ein perfider, zusätzlich noch den Holocaust verharmlosender Schriftzug: "Aus Anne wird Frank, das ist doch krank."

Auf diese Weise beeinflussen sich die Szenen laut Verfassungsschutzchef Koehler wechselseitig: "Die Szenen nutzen ihre gegenseitigen Echokammern. Das ist gefährlich, weil sie digital eine ganz andere Reichweite erzielen."

Auch die AfD wettert gegen queere Aktivisten

Auch die Bremer AfD hat ihre Meinung zum Thema. Gegen den "Pride Month", den die queere Szene im Juni feiert, setzt sie auf Facebook den sogeannten "Stolzmonat", an dem sich zahlreiche Akteure der neuen Rechten beteiligen. So fordert sie: "Heimatliebe statt Randgruppenkult. Schwarz-Rot-Gold ist bunt genug."

Als Homophobie will man das aber nicht verstanden wissen. Auf Nachfrage teilt die Pressestelle der AfD Bremen mit, man habe überhaupt nichts gegen Homosexuelle. Die seien in der AfD willkommen. Stattdessen gehe es um "Vereinnahmung von homosexuellen Menschen durch linke Identitätspolitik".

Landgericht muss Aussagen Latzels bewerten

Die Regenbogenflagge oder "Pride Flag" stehe für Wokeismus und damit für "Gendersprache, Bekämpfung von Familie und Frühsexualisierung", so die AfD. "Das ist für uns (Regenbogen/Vielfalts-) Irrsinn, den wir entschieden ablehnen."

Ob die Aussagen von Pastor Olaf Latzel wirklich eine Volksverhetzung darstellen, das wird das Bremer Landgericht erneut zu klären haben. Sicher ist: Mit dem Thema Sexualität und Gender lassen sich Extremisten verschiedenster Art mobilisieren.

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Autor

  • Steffen Hudemann
    Steffen Hudemann Autor

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 27. August 2024, 19:30 Uhr