Sensationsfund 1962: Hansekogge lag 600 Jahre auf dem Grund der Weser
Eigentlich wollen die Bauarbeiter mit ihrem Baggerschiff nur das Hafenbecken erweitern, als sie auf ein hölzernes Wrack stoßen. Die Ärchäologen sind begeistert.
Bisher kannte man solche Schiffstypen nur von Münzsiegeln und aus wissenschaftlichen Aufzeichnungen. Professor Detlev Ellmers, Direktor des Deutschen Schifffahrtsmuseums Bremerhaven, ist beeindruckt: "Das Schiff ist 24 Meter lang, acht Meter breit und viereinhalb Meter hoch an der niedrigsten Stelle. Und dann kommt noch das Kastelldeck drauf, sodass es eine ganz anständige Höhe hat."
Fast 600 Jahre lag das Wrack im Brackwasser und ist erstaunlich gut erhalten. Konservator Per Hoffman: "Die Kogge ist wohl nicht ganz fertig gewesen, als sie unterging. Sie muss ziemlich schnell versunken sein und dann mit Fluß-Sedimenten zugedeckt worden sein, so dass das Milieu sehr sauerstoffarm wurde. Das ist die Ursache dafür, dass das Holz über 600 Jahre nicht von Bakterien oder Pilzen völlig aufgefressen worden ist."
Bergung aus der Weser dauert drei Jahre
Die Archäologen können die Kogge aber nicht als Ganzes heben sondern nur Stück für Stück. In einer ersten Bergungsaktion werden die Hauptteile des Wracks geborgen. Dazu tastet sich ein Helmtaucher durch das trübe Weserwasser und holt Planke für Planke einzeln heraus. Die schweren Teile hebt ein Schwimmkram aus dem Schlick. Die Einzelteile werden vermessen und nummeriert, bevor sie in großen Wasserbecken in einem Hafenschuppen eingelagert werden. Für den Rest der Kogge kommt im Sommer 1965 das Taucherglockenschiff "Carl Straat" zur Hilfe. In bis zu fünf Metern Tiefe tauchen so mehrere Hundert weitere Fundstücke an die Oberfläche. Insgesamt 274 Mal wird die Taucherglocke umgesetzt, damit die Forscher des Bremer Landesmuseums eine Fläche von 1.400 Quadratmetern untersuchen können.
Um das Alter der Kogge zu bestimmen, wenden die Forscher eine dendrochronologische Untersuchung des Eichenholzes an. Dazu werden die Jahresringe der Bäume analysiert. Unter Berücksichtigung der Herkunft des Holzes und der notwendigen Transportwege kann der Bau der Bremer Kogge auf das Jahr 1380 datiert werden. Höchstwahrscheinlich lag die Kogge damals noch in der Werft und wurde bei Hochwasser weggespült. Darauf deuten Werkzeuge hin, die beim Wrack gefunden wurden und die für den damaligen Schiffbau typisch sind.
Wiederaufbau als Riesenpuzzle
1972 beginnt unter der Leitung des Holzschiffbauers Werner Lahn der Wiederaufbau in Bremerhaven. Dazu müssen mehr als 2.000 Einzelteile und 45 Tonnen Holz an den richtigen Stellen wieder zusammengesetzt werden. Um das Holz weiterhin feucht zu halten, wird das Schiff während der gesamten siebenjährigen Bauphase mit Rasensprengern bewässert. Denn wenn das mit Wasser getränkte Holz getrocknet wäre, hätte ein Schrumpfungsprozess eingesetzt. Die Kogge hätte ihre ursprüngliche Form und Größe verloren. Um die restaurierte Hansekogge dauerhaft ausstellen und erhalten zu können, musste sie konserviert werden.
Für die Konservierung der Kogge wird ein eigenes Verfahren entwickelt, bei dem ein farbloses wasserlösliches Kunstwachs zu Einsatz kommt. Es zieht ins Holz ein und stabilisiert es an den Stellen, an denen sich Hohlräume gebildet haben. So wird das Schrumpfen verhindert, wenn das Holz trocknet. Um die gesamte Kogge damit zu tränken, wird eine riesige Badewanne um das Schiff herum gebaut: 110 Tonnen Stahl für 800.000 Liter Inhalt. Darin wird die Kogge für ganze 19 Jahre gelagert. Seitdem ist die Hansekogge als Prunkstück dauerhaft im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven zu sehen.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 8. Oktober 2012, 19:30 Uhr