Wie sich eine Bremerin vor 20 Jahren den Friedenstunnel ausdachte

Die Anschläge auf das World Trade Center 2001 brachten eine Künstlerin auf eine wunderbare Idee: auf den Friedenstunnel. Lange sah er eher nach einem Luftschloss aus.

Die Zwillingstürme des World Trade Centers waren kaum eingestürzt. Der Verdacht, dass das islamistische Terrornetzwerk Al-Quaida hinter den Anschlägen stünde, war noch frisch. Da ahnte Regina Heygster bereits: "Jetzt werden Muslime auf aller Welt verunglimpft." Die Bremer Künstlerin verspürte den Wunsch, etwas für den Frieden zu tun.

Schon vor dem 11. September 2001 hatte Heygster immer mal wieder mit dem Gedanken gespielt, ein vernachlässigtes Gebäude neu zu gestalten. Noch am Tag der Anschläge brachte sie diese alte Idee mit der neuen Weltlage zusammen: "Mir war sofort klar: Ich will einen Friedenstunnel machen", erinnert sie sich und erklärt: "Tunnel sind meistens dunkel, dreckig und riechen unangenehm. Es sind Bauwerke, durch die die Leute in der Regel einfach nur schnell durch wollen."

Acht Religionsgemeinschaften unter einem Dach

Jogger vor bunt ausgeleuchteten Texttafeln in einem Tunnel
Der Friedenstunnel bei Dunkelheit von innen: Texttafeln mit religiösen Versen hängen an den Wänden. Darüber steht das Wort "Frieden" in 135 Sprachen. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

All dies galt im Jahr 2001 auch für den Rembertitunnel, eingangs der Parkallee. Von Beginn an war dieses Bauwerk Heygsters Wunschtunnel für eine Neugestaltung als Friedenstunnel. Vor allem, weil er so dicht am Bahnhof liegt und keine Busse oder Bahnen hindurchfahren. Statt dessen nutzen viele Radfahrer und Fußgänger den Tunnel mit seinem runden Gewölbe, um zur Innenstadt oder zurück zu gelangen. "Der Tunnel war zwar verwahrlost. Aber ich habe ihn gesehen und sofort gewusst: Der lässt sich total schön gestalten, davon werden viele Menschen etwas haben", sagt die heute 66-jährige studierte Grafikdesignerin, die neben ihrer künstlerischen Arbeit auch als Pädagogin und Dozentin für Hospiz-Themen tätig ist.

Noch im Herbst 2001 holt sich Heygster das Grüne Licht für ihr Projekt von der Deutschen Bahn, der der Tunnel gehört, und von Bremens Senatspräsident Henning Scherf (SPD). Sie spricht mit der Evangelischen Kirche wie mit der Katholischen, mit der Islamischen Föderation und mit der Deutsch-Indischen Gesellschaft, mit dem Zenkreis Bremen und mit der Jüdischen Gemeinde. Später kommen noch die Baháʼí-Gemeinde Bremen hinzu, ebenso die Alevitische Gemeinde und Brahma Kumaris. Sie alle stimmen der Idee Heygsters zu: der künstlerischen Umgestaltung des dunklen Remberti-Tunnels zum strahlenden Friedenstunnel als gemeinsames Zeichen für den Frieden.

Geld für den Friedenstunnel

Doch so groß die Zustimmung der Beteiligten für das Projekt auch ist – finanziell möchte zunächst niemand in größerem Stil einsteigen. Aus der "Interessengemeinschaft Tunnel-Projekt" wird im Oktober 2003 der Verein "Bremen setzt ein Zeichen der Verbindung zwischen den Religionsgemeinschaften e.V." Die Vereinsgründung soll das Einwerben von Spenden erleichtern. Heute gehören etwa 35 Mitglieder dem Verein an.

Statt allein das Bauwerk stehen seit seiner Gründung immer mehr Aktionen wie Konzerte, interreligiöser Begegnungen und Seminare rund um das Thema Frieden im Fokus. Einige davon finden direkt im Tunnel statt, andere im Rathaus oder direkt bei den Religionsgemeinschaften. Dank dieser Veranstaltungen wird das Projekt Friedenstunnel immer bekannter. Jetzt gelingt es dem Verein auch, mehr Bremerinnen und Bremer dafür zu gewinnen, Geld in den Friedenstunnel zu investieren.

Taube-Schlüssel-Emblem als Wahrzeichen

Emblem aus Taube und Bremer Schlüssel über einem Tunnel
Das Wahrzeichen des Friedenstunnels: eine Taube über dem Bremer Schlüssel. Bild: Radio Bremen | Alexander Schnackenburg

Im Winter 2008/2009 kann Heygster das erste Mosaik legen und die Front des Tunnels in Richtung der Kreuzung "Am Stern" sanieren. Dort prangt seither das große Taube-Schlüssel-Emblem, das Wahrzeichen des Friedenstunnels. Bis zum Jahr 2015 dauern die Arbeiten des Vereins am Friedenstunnel an.

Wir möchten, dass der Friedenstunnel auch dann noch bestehen bleibt und gepflegt wird, wenn es unseren Verein irgendwann nicht mehr gibt, wenn wir alle nicht mehr leben.

Regina Heygster, Künstlerin

Heygster und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter sanieren das Gebäude, legen Mosaike und installieren eine regenbogenfarbene Beleuchtung im Innern des Tunnels. Das bunte Licht fällt auf ein Mosaikfries, auf dem in 135 Sprachen das Wort "Frieden" steht. Darunter, auf Augenhöhe der Passanten, hängen Texttafeln an den Wänden mit religiösen Versen aller beteiligten Religionsgemeinschaften.

"Es ist uns geglückt, dass viele Menschen durch diesen Tunnel gerne gehen, stehen bleiben, die Texte lesen und sich über die Beleuchtung freuen – alles Dinge, die vorher keiner im Rembertitunnel gemacht hat", sagt Heygster. Jetzt komme es darauf an, dafür zu sorgen, dass der Friedenstunnel dauerhaft als Kulturdenkmal Bestand habe. "Wir möchten, dass der Friedenstunnel auch dann noch bestehen bleibt und gepflegt wird, wenn es unseren Verein irgendwann nicht mehr gibt, wenn wir alle nicht mehr leben", sagt die Künstlerin. Sie befinde sich dazu mit der Politik in einem guten Austausch.

"Bundesweit einmalig"

Frau mit roter Brille lächelt für Foto in Kamera
Hat den Friedenstunnel erfunden und in die Tat umgesetzt: Regina Heygster. Bild: Regina Heygster

Die ersten Erfolge dieses Austauschs lassen sich mittlerweile auch auf der Website des Bremer Kulturressorts ablesen. Unter dem Reiter "Kunst im öffentlichen Raum" präsentiert das Ressort das Projekt "Friedenstunnel" auf seiner Webseite mit zahlreichen Fotos, würdigt den Tunnel als "bundesweit einmalig, denn er wirbt in Bremen und über Bremen hinaus mit seiner symbolhaltigen Mosaikkunst für Frieden und Verständigung."

Einer weiteren Auszeichnung für das Projekt sieht Regina Heygster für den heutigen Sonnabend entgegen: Zum 20. Geburtstag des Bremer Friedenstunnels kennzeichnet die Bremer Straßenbahn AG die Straßenbahnhaltestelle "Rembertistraße" an der Vorderseite des Tunnels mit dem Zusatz "Friedenstunnel". Die feierliche Enthüllung des neuen Straßenbahnschilds durch Bürgermeisterin Maike Schaefer (Grüne) ist für 11 Uhr geplant.

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 11. September, 19.30 Uhr