Fragen & Antworten
Feuer auf Auto-Frachter in der Nordsee: Experten planen Bergung
Der in Bremerhaven beladene Frachter brennt weiter. Das Feuer sei inzwischen aber kleiner. Wie steht es um Umweltgefahren, E-Auto-Risiken und Vorbereitungen der Feuerwehr auf Ernstfälle?
Bis zu 1,7 Millionen Fahrzeuge werden über Bremerhaven jedes Jahr umgeschlagen. Damit gehört der Hafen zu den weltweit größten Autoterminals. Der in der Nacht zu Mittwoch ausgebrochene Brand auf dem Auto-Frachter "Fremantle Highway" vor der niederländischen Küste offenbart Sicherheitsprobleme an Bord der Schiffe. Der Transport von E-Autos birgt offenbar erhebliche Risiken. Außerdem droht eine Umweltkatastrophe an der Nordsee.
Wie steht es aktuell um den brennenden Frachter?
Inzwischen wurde das Feuer laut der Küstenwache kleiner, offene Flammen seien von außen nicht mehr zu sehen. Nun wollen Bergungsspezialisten beginnen, einen Bergungsplan zu erstellen.
Löscharbeiten sind kaum möglich, denn es darf kein Wasser ins Schiffsinnere gelangen. Sonst droht das Schiff zu kentern. Betreten weren kann das Schiff aktuell auch nicht – die "Fremantle Highway" ist ein brennender, aufgeheizter Stahl-Koloss. Die Löscharbeiten könnten demnach noch Tage, schlimmstenfalls sogar Wochen dauern.
Wie groß ist die Gefahr, dass das Schiff noch sinkt?
Diese Gefahr besteht nach wie vor – und dann könnten natürlich erhebliche Mengen Schadstoffe entweichen, Schweröl und Rückstände von den Tausenden Autos an Bord. Das könnte eine Katastrophe für die ganze Küste und das Wattenmeer werden. Deshalb gibt es bereits große Sorge, vor allem auf den Inseln.
Niederländischen Behörden sagen, möglicherweise austretender Schadstoff oder Öl gelänge mit dem Wind eher weg von der Küste in Richtung offenes Meer. Auch das Havariekommando in Cuxhaven teilt diese Ansicht. Das würden entsprechende Modelle zeigen. Das Havariekommando bereitet sich weiter auf einen möglichen Schadstoffaustritt vor. Es stehen zwei Schiffe des Bundes und fünf Schiffe der Bundesländer bereit, wie ein Sprecher des Havariekommandos in Cuxhaven sagte.
Wie ist der Stand zum Ursprung des Feuers und die Ereignisse an Bord?
Nach ersten Informationen der niederländischen Küstenwache, soll das Feuer bei den Elektroautos an Bord ausgebrochen sein. Es sei zumindest der Bereich betroffen, wo geladene E-Autos gestanden haben sollen. Die Informationen kamen wohl auch von der Besatzung. Hinweise gab es demnach aus dem Funkverkehr, wo von einer Explosion die Rede war. Abschließend geklärt ist die Ursache für den Brand aber noch nicht.
Die Besatzung musste Hals über Kopf das Schiff verlassen. Ein Mensch ist ums Leben gekommen, unter den übrigen 22 Crewmitgliedern gab es Verletzte. Sieben von ihnen sprangen Berichten zufolge aus einer Höhe von über 30 Metern von Bord. Sie wurden geborgen. Ein Mann überlebt die Evakuierung nicht, er starb auf einem Rettungsboot. Die übrigen Besatzungsmitglieder wurden später mit Hubschraubern gerettet.
Welche Rolle spielt die Beladung des Schiffes in Bremerhaven und wer haftet?
Auf der "Fremantle Highway" sollen nach dem letzten Stand etwa 3.800 Autos geparkt gewesen sein – darunter wohl 500 E-Autos. Zunächst hieß es, auf dem Schiff wären 25 E-Autos gewesen. Der Bremer BLG-Konzern hatte gestern mitgeteilt, seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hätten in Bremerhaven 2.500 Autos auf das Schiff gebracht. Die BLG habe in dem Fall nur den Job gehabt, die Autos an Bord zu bringen, betonte eine Sprecherin. Auftraggeber ist wohl eine japanische Großreederei – und die Reeder müssen die entsprechenden Transporte versichern.
Wie schätzen Experten die Gefahren von E-Auto-Transporten ein?
Die Debatte wird durch den aktuellen Fall noch mal verschärft. Zuletzt hatte es mehrfach Schiffshavarien gegeben. Unter anderem vor den Azoren im Februar 2022 – wo die Brandursache mutmaßlich auch Akkus für E-Autos gewesen sein sollen. Das Schiff "Felicity Ace" war mit 4.000 Autos beladen. Es sank und konnte nicht mehr geborgen werden.
Versicherer sind nun in Sorge. Die Allianz dürfte der weltweit größte Versicherer in dem Bereich sein, mit Prämienaufkommen von rund einer Milliarde Euro im Jahr. Das Unternehmen hatte schon im Mai in einer Studie gewarnt, dass die meisten Schiffe weder über ausreichenden Schutz noch über ausreichend Frühwarn- oder Löschfähigkeiten für derartige Brände verfügen. Versicherer fordern deshalb andere Notfall-Pläne. Denn die Transporte von E-Autos legen ja gerade weltweit deutlich zu – auch aus Asien kommen immer mehr Fahrzeuge.
Wie ist die Feuerwehr Bremerhaven auf Schiffsbrände vorbereitet?
Die Bremerhavener Feuerwehr hat dafür Spezialkräfte. Das Risiko durch Feuer ist auf Schiffen höher als bei Hausbränden, sagt Frank Klaeßen, Einsatzleiter See. Auch in Bremerhaven hat es schon Fälle gegeben. Ähnlich wie bei einem Kellerbrand müsse man von oben nach unten, Enge und steile Leitern erschwerten dies. Oft sei kein Durchkommen mit Atemschutz. "Das trainieren wir jährlich und kennen die Besonderheiten und Probleme auf Schiffen", so der Einsatzleiter.
Die Spezialkräfte trainieren auch das Überleben auf See – den Ausstieg aus Hubschraubern, den Umgang mit Rettungsinseln und Spezialausrüstung oder taktisches Vorgehen. Sie kennen Container- und Auto-Transporter oder Tanker. Von mehr als 220 Bremerhavener Feuerwehrleuten werden 55 Einsatzkräfte und 7 Einsatzleiter speziell geschult. Insgesamt gibt es nur wenige Feuerwehren in Deutschland mit dieser Spezialisierung. Sie sind laut Klaeßen beim Havariekommando gemeldet und arbeiten im Notfall zusammen. Weitere Spezialkräfte sitzen in Cuxhaven oder Wilhelmshaven.
Wir haben Expertise und kennen uns aus, aber es ist trotzdem nicht ungefährlich.
Frank Klaeßen, Feuerwehr Bremerhaven
Wie schätzt die Feuerwehr Bremerhaven den aktuellen Fall ein?
Das Vorgehen in Verbindung mit E-Autos ist nicht anders als bei anderen Schiffsbränden, sagt Klaeßen. Durch die chemischen Reaktionen in den Batterien kann sich ein Feuer zwar bis zu 72 Stunden wieder selbstentzünden, auch auf einem Frachter. Es dürfte aber wegen der großen Hitze nicht viel von den Batterien übrig sein, so der Einsatzleiter.
Wie bei anderen Schiffsbränden auch sei es besonders problematisch, nicht an Bord gehen zu können. "Keiner kann Wasser hin und her pumpen, um das Schiff zu stabilisieren, keiner kann einen Anker werfen", so Klaeßen. Alles müsse erst abkühlen, um an Bord zu können.
"Wie lange die Löscharbeiten dauern oder ob das Schiff sinkt, ist schwer zu sagen", sagt Klaeßen. Es gebe weltweit häufiger derartige Ereignisse, auch daraus ziehe man Erfahrung. Demnach könne ein brennendes Schiff nach einer Woche noch schwimmen oder aber sehr zügig sinken.
Muss die Feuerwehr Bremerhaven bei der "Fremantle Highway" unterstützen?
Nachdem das Havariekommando für den aktuellen Fall Unterstützung angeboten hat, ist eine Entsendung von Bremerhavener Kräften zwar nicht auszuschließen, aber eher unwahrscheinlich, sagt Klaeßen. "Es ist schwer zu sagen, das wäre ein Blick in die Glaskugel." Seiner Kenntnis nach arbeiten die Niederländer offenbar mit einem weltweit tätigen, niederländischen Bergungsunternehmen zusammen.
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Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Nachmittag, 27. Juli 2023, 14:10 Uhr