Tante Emma 2.0 – So sichert ein Bremer Konzept Einkäufe auf dem Land

Eine Frau hinter einem Bildschirm spricht mit einer Frau mit einem Einkaufskorb.

Tante Emma 2.0 – So sichert ein Bremer Konzept Einkäufe auf dem Land

Bild: Radio Bremen | Mirjam Benecke

Kurze Öffnungszeiten, wenig Auswahl – Einkaufen auf dem Lande ist mühsam. Ein Bremer Unternehmen expandiert mit Dorfläden 2.0, heute eröffnet nahe Bremerhaven die 16. Filiale.

Abends schnell nochmal zum Supermarkt laufen und Nudeln kaufen – für Menschen auf dem Land oft unmöglich, denn viele Dorfläden schließen früh oder haben schon vor Jahren komplett dichtgemacht. Da überrascht das Bremer Unternehmen "Myenso", das derzeit mit der Idee vom Dorfladen 2.0 erfolgreich ist. Heute eröffnet eine neue Filiale in Sievern im Landkreis Cuxhaven – die 16. bundesweit. In Sellstedt in der Gemeinde Schiffdorf nahe Bremerhaven gibt es schon seit knapp zwei Monaten solch einen modernen Tante-Emma-Laden. Ein Besuch vor Ort.

Lieselotte Uehlecke steht mit einem Einkaufsbeutel am Eingang vom "Tante Enso"-Laden in Sellstedt. Sie schaut sich den Ständer mit Grußkarten an – eine Karte zur Goldenen Hochzeit soll es sein. Die Rentnerin läuft weiter durch die Regalreihen. Der Mini-Supermarkt in Sellstedt hat etwa 3.000 Artikel im Sortiment – von Nudeln, Käse und Schokolade bis zu Eiern und Kartoffeln vom Bauern nebenan. Uehlecke faltet einen kleinen Einkaufszettel auseinander. Tee und Zucker will die 84-Jährige noch kaufen. 

Ich kaufe hier viel ein – also fast alles. Ich habe kein Auto und kann nirgends hinkommen. Mit dem Fahrrad kann ich nicht mehr so gut, bin ja über 80. Mir gefällt das sehr gut. Dass das hier so bleibt, wollen wir ja hoffen.

Lieselotte Uehlecke, Rentnerin

Einkauf rund um die Uhr möglich

Ein Mann steht im Gang eines Supermarktes.
Sellstedts Oberbürgermeister Ralf Wolter sieht den Laden als wichtigen Teil der INfrastruktur. Bild: Radio Bremen | Mirjam Benecke

Der Laden hat vor knapp zwei Monaten in Sellstedt aufgemacht – als erste "Tante Enso"-Filiale im Landkreis Cuxhaven. Das Besondere: Mit einer Kundenkarte kommen die Sellstedter auch wenn kein Personal da ist in den Laden – also rund um die Uhr und auch am Wochenende. Das nutzt auch Ortsbürgermeister Ralf Wolter (SPD).

Wir hatten Sonntag Adventsfeier in der Gemeinde. Da haben wir gesagt, für den nächsten Morgen brauchten wir noch einen Sack Kartoffeln. Und dann bin ich hier mit meiner Enso-Karte rein und hab denn Sonntag noch einen schnellen Einkauf gemacht.

Ralf Wolter, Oberbürgermeister Sellstedt
Im Gang eines Supermarktes stehen Regale mit zahlreichen Produkten.
Das Sortiment des Mini-Supermarktes umfasst 3.000 Artikel. Bild: Radio Bremen | Mirjam Benecke

Damit ein Dorf eine "Tante Enso"-Filiale bekommt, müssen die Einwohnerinnen und Einwohner mindestens 300 Genossenschaftsanteile kaufen. Dafür dürfen sie dann zum Beispiel mitbestimmen, wie die Filiale aussehen soll. In Sellstedt leben fast 2.000 Menschen. Die Genossenschaftsanteile hatten sie in wenigen Wochen zusammen und "Tante Enso" zog in den Ort. Dass die Sellstedter jetzt zum Einkaufen nicht mehr unbedingt in die Nachbarorte fahren müssen, ist laut Wolter ein großer Vorteil. 

Wir können nicht darüber reden, dass wir wachsen wollen mit neuen Baugebieten und einer neuen geplanten Kita, wenn wir gleichzeitig die Infrastruktur nicht mehr vorhalten können. Deshalb ist es wichtig, dass wir die Nahversorgung im eigenen Ort haben.

Ralf Wolter, Oberbürgermeister Sellstedt

Kunden können sich Sortiment wünschen

Petra Skörup greift zur Paprika im Gemüseregal. Dazu noch Brokkoli. Es soll eine Gemüsepfanne geben. Die Sellstedterin ist vom Ladenkonzept überzeugt: "Das Schöne ist, dass wir uns wünschen dürfen, was im Sortiment landen soll. So bekommt man auch in 'Kleinkleckersdorf' Sojamilch, was ich sehr schön finde."

Auf einer Tafel steht Text in bunter Schirft.
Auf einer Tafel können Kunden ihre Produktwünsche eintragen. Bild: Radio Bremen | Mirjam Benecke

Neben der Kasse hängt eine Schiefertafel. Dort können die Kunden mit bunter Kreide aufschreiben, was ihnen noch im Sortiment fehlt. Darauf steht: Hackbällchen, Servietten, Make-Up, Couscous. "Wenn es denn sinnvolle Wünsche sind, dann werden die verwirklicht und landen zwei bis drei Wochen später im Regal", sagt Filialleiterin Fay Disse.

Nudeln für 89 Cent, Mehl für 79 Cent. Die Preise im Mini-Supermarkt sind etwas höher als im Discounter. "Klar, wir sind ein Dorfladen", sagt Disse. "Aber es sind keine Preise, wo die Leute sagen: Och nö." Rund um die Uhr einkaufen im eigenen Ort: In Sellstedt sind die Menschen von ihrem Laden überzeugt. Hinzu kommt: "Man trifft sich endlich wieder im Dorf und kann den kleinen Klönschnack halten", so Disse. Auch andere Dörfer in der Region wollen nachziehen – darunter Drangstedt, Ihlienworth und Sandstedt.

Mehr zum Thema Einkaufen:

Autorin

  • Mirjam Benecke
    Mirjam Benecke Volontärin

Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 15. Dezember 2022, 8:20 Uhr