Wie sich dieses ungleiche Paar nach dem Krieg in Bremerhaven fand
Aufbruch, Liebe, Vorurteile – die Nachkriegszeit war auch für eine junge Bremerhavenerin und einen US-Soldaten sehr bewegt. Anlässlich einer neuen ARD-Serie erzählen sie ihre Geschichte.
"Ein Hauch von Amerika" ist ab heute im Fernsehen zu sehen, wenn die gleichnamige neue Serie im Ersten ausgestrahlt wird. Die Miniserie erzählt vom Aufeinanderprallen zweier Kulturen, als die US-Amerikaner Anfang der 1950er-Jahre Aufbruch, Freiheit und Freizügigkeit nach Westdeutschland brachten. Auch in Bremerhaven waren Amerikaner stationiert, wodurch manch eine Liebesgeschichte entstand. Wie die eines heutigen Ehepaares aus Sievern bei Bremerhaven.
Edward Mazurkiewicz war drei Jahre auf See als Schiffsoffizier. Ein Truppentransport führte ihn aus New York nach Vietnam, durch den Indischen Ozean und am Ende nach Bremerhaven. "Und da habe ich meine Frau kennengelernt, nach 65 Tagen auf See", erzählt der 81-Jährige mit leuchtenden Augen von diesem Tag im Sommer 1965. Eigentlich wollte der junge Marineoffizier mit seinen Kameraden den kurzen Aufenthalt nutzen.
Liebe zwischen Bratwurst und Strumpfautomat
"Ganz kurz gingen wir immer an Land in Bremerhaven, Bratwurst und Fisch essen – und so ist es passiert: Ich habe Waltraud gesehen." Auf dem Weg zum Bratwurststand erblickte der Soldat auf der anderen Straßenseite zum ersten Mal seine spätere Ehefrau. Die wollte eigentlich mit ihrer Freundin ins Kino, doch dann kam alles ganz anders.
Wir gingen die Hafenstraße hoch, da waren ja die ganzen Kinos damals. Man trug noch Nylonstrümpfe mit Strapsen und auf einmal habe ich eine Laufmasche bemerkt. Ein No-Go, aber wo kriegte ich jetzt neue Strümpfe her?
Waltraud Mazurkiewicz
Auf der Suche nach Wechselgeld für einen Strumpfautomaten begannen Waltraud und ihre Freundin Passanten anzusprechen. Schließlich gerieten sie an die Amerikaner. Die Männer halfen gerne aus und der geplante Kinobesuch war vergessen, ebenso das Bratwurstessen. Trotz fehlender Sprachkenntnisse verstanden sich Edward und Waltraud auf Anhieb. "So gut es ging mit unserem Schulenglisch", erinnert sie sich. "Wir waren in einer Bar und haben uns die ganze Nacht nur angeguckt."
Junge Liebschaften hatten es oft schwer
Heute sagt das Ehepaar, es war Liebe auf den ersten Blick. Damals tauschten sie ihre Adressen aus, am nächsten Tag stach der Marineoffizier wieder in See. Ein Jahr lang schrieben die beiden sich Briefe. Mal kam einer an, mal auch nicht. Waltraud glaubte zunächst nicht, dass sie sich wiedersehen würden. "Meine Freundin, mit der ich immer noch befreundet bin, hat damals gesagt: Der kommt wieder – und sie hat recht gehabt."
In Bremerhaven hat es viele solcher Liebschaften zwischen deutschen Frauen und amerikanischen Soldaten gegeben. Die Direktorin des Deutschen Auswandererhauses in Bremerhaven, Simone Blaschka, beschreibt solche Beziehung damals als schwierig. "Wir reden hier ja wirklich über einen sehr langen Zeitraum von 1945 bis in die 1990er-Jahre", so Blaschka. Eine Zeit, in der ein Wandel in der Gesellschaft stattfand.
Viele Deutsche haben die Amerikaner als Besatzungssoldaten wahrgenommen, sich als Verlierer gefühlt und die anderen als Sieger.
Simone Blaschka, Direktorin Deutsches Auswandererhaus
Zudem seien in Deutschland Nationalsozialismus, Diktatur und Holocaust noch nicht aufgearbeitet gewesen. Viele GIs gingen schließlich zurück in die Staaten, manche von ihnen kamen wieder. Und viele deutsche Frauen mit amerikanischen Partnern mussten gegen Vorurteile in ihren Familien kämpfen, sagt Blaschka. Eltern hätten ihren Töchtern zum Teil den Kontakt verboten, bei Schwangerschaften sogar auf Abtreibungen gedrängt – vor allem bei schwarzen Vätern.
Das sind üble rassistische diskriminierende Geschichten, die hier abgelaufen sind. Wobei man wirklich sagen muss, das war vor allen Dingen in den 50er, 60er, 70er-Jahren der Fall. Irgendwann normalisierte sich das.
Simone Blaschka, Direktorin Deutsches Auswandererhaus
Viel Schönes in Bremerhaven in Erinnerung
Würde man heute Bremerhavener frage, erinnerten sich die meisten an die schönen Dinge, sagt Blaschka. "An die Feste, an die Lebensmittel, an die Lebensart, die hier natürlich absolut gelebt wurde." Und Edward? Der kam nach einem Jahr mit zwei Koffern zurück. 1968 heirateten er und Waltraud in der Großen Kirche in Bremerhaven.
Als Zivilangestellter der Armee musste er immer wieder den Standort wechseln, die Familie zog mehrfach um: Washington, Neapel, wieder Washington und 1985 schließlich zurück nach Bremerhaven. Als dort 1995 der US-amerikanische Stützpunkt geschlossen wurde, ging es nach Rotterdam. 1999 ging Edward in Ruhestand und das Ehepaar endgültig zurück nach Bremerhaven.
Wir haben es versucht, es hat geklappt und wir sind immer noch zusammen – nun haben wir drei Kinder, sieben Enkel und zwei Urenkel.
Edward Mazurkiewicz
Dieses Thema im Programm: Bremen Zwei, Der Morgen, 1. Dezember 2021, 8:37 Uhr