Infografik

Das passiert mit Obdachlosen, die in Bremen sterben

Bremer erinnern mit Demo an Drogentote

Bild: Imago | Panthermedia

Wenn jemand stirbt, gibt es in der Regel eine Trauerfeier und Beerdigung. Doch was, wenn derjenige keine feste Bleibe hat? So geht Bremen dabei vor.

Dutzende Menschen sterben jedes Jahr in Deutschland auf der Straße. Meistens ohne die Nähe ihrer Angehörigen, fern von jeglichem Ort, das sich wie ein Zuhause anfühlt. Und teilweise an den Folgen eines illegalen Drogenkonsums. 27 Menschen sind 2023 in Bremen nach einer Drogenvergiftung ums Leben gekommen. Wie viele unter ihnen wohnungslos waren, ist unklar. Menschen, die einer Überdosis erleiden und keine feste Bleibe haben, sterben in Notunterkünften, aber auch an öffentlichen Orten oder in Krankenhäusern.

Was passiert dann mit diesen Menschen, mit ihren Leichen, wenn sie nicht mehr da sind? Was, wenn keine Familie da ist, die die Kosten für eine angemessene Trauerfeier tragen kann?

Anzahl der vom Sozialressort finanzierten Bestattungen in Bremen

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Ohne Anzahl von nachträglich gefundenen Angehörigen.

Dann springen die Stadt, Hilfsorganisationen, Initiativen und religiöse Einrichtungen ein. Mehr als 300 Bestattungen hat das Sozialressort 2023 finanziert. In diesen Fällen handelte es sich um Personen, deren Familien die Kosten einer Beisetzung nicht übernehmen konnten. Nicht jeder von diesen Menschen war obdachlos.

Nach Angaben der Bremer Rechtsmedizin haben 2023 zehn Wohnungslose eine sogenannte Sozialbestattung erhalten, von zwei weiteren Menschen, die an öffentlichen Orten gestorben sind, konnte man die Identität nicht herausfinden. Niemand weiß, wer diese Menschen waren oder wie sie gelebt haben. 2024 gab es bislang neun Sterbefälle.

Zunächst Angehörige gesucht

Wenn ein Mensch auf der Straße ums Leben kommt, egal welche Ursache, suchen die Behörden zunächst nach Hinterbliebenen. Denn die Erben sind gesetzlich verpflichtet, die Ausgaben für die Beerdigung zu tragen. Werden keine gefunden, oder sind die Todesumstände unklar, schaltet sich die Rechtsmedizin ein.

Das Institut, das in Bremen im Klinikum Bremen-Mitte sitzt, versucht, mindestens einen Kontakt zum familiären Umfeld des Verstorbenen ausfindig zu machen. War er oder sie vielleicht irgendwo bekannt? Obdachlosen- und eventuell Suchthilfevereine erhalten Anfragen, erläutert Axel Brase-Wentzell von der Wohnungslosehilfe der Inneren Mission, die sich ebenfalls um den letzten Abschied obdachloser Menschen kümmert.

Lassen sich binnen zehn Tagen keine Angehörigen finden, wird die Leiche von Amts wegen bestattet. Kremiert, dann in eine einfache Urne beigesetzt. Eine "schlichte Zeremonie", so nennt sie Christof Haverkamp, Sprecher der katholischen Gemeinden in Bremen. Mehrere Aschenurnen werden gesammelt und teilweise in einem stillen Trauerzug zum Ort der letzten Ruhe gebracht. Auf einem der städtischen Friedhöfe, etwa unter einem beschaulichen Baum, in einem Rasengrab. Ohne Namensschilder.

Vereine und Initiativen kümmern sich um würdevollen Abschied

Ein Denkmal für verstorbene Obdachlose auf einem Friedhof
Am Waller Friedhof erinnert ein Grabmal an verstorbene Obdachlose. Bild: Radio Bremen | Serena Bilanceri

Mehrere Verbände und Initiativen arbeiten zusammen, um diesen Menschen einen Abschied in Würde zu bieten. Der Verein für Innere Mission veranstaltet Andachten für alle, die ihr bekannt waren – unabhängig davon, ob Familienmitglieder bekannt sind. Aus dem Bereich Streetwork heraus organisiert und durch Kirchengemeinden unterstützt. "Für die Menschen, mit denen wir als Verein für Innere Mission in Bremen in Kontakt waren, besteht die Möglichkeit einer Bestattung auf unserer Grabstelle für verstorbene Wohnungslose auf dem Waller Friedhof", erzählt Brase-Wentzell. Dort gebe es zwei Grabmäler, die an gestorbene Obdachlose erinnern. Die Namen der Verstorbenen sind in kleinen Schildern eingemeißelt.

Eine weitere Initiative ist "Das letzte Geleit". Betreut wird sie vom Bestattungsinstitut Tielitz, die praktische Arbeit erledigen Ehrenamtliche, die sich einmal im Monat treffen. Seit elf Jahren organisieren sie kleine Trauerfeier und Trauerzüge für Menschen, die sie nicht kannten und an die sich niemand zu erinnern scheint. Ein Seelsorger hält die Trauerrede, Totengräber des städtischen Umweltbetriebs übernehmen die Beisetzung. Im Augenblick auf dem Friedhof Osterholz, doch die Begräbnisorte wechseln sich ab.

In den Worten von Bestatter Henrick Tielitz soll die Initiative sicherstellen, dass "auch die Namenlosen nicht vergessen werden". Damit sie den letzten Weg nicht so ganz alleine gehen müssen. Und wenn dies den Toten nicht mehr helfen soll, dann zumindest den Lebenden.

Die Ehrenamtlichen und Unterstützer unterstreichen die Bedeutung von Mitgefühl und Gemeinschaft in einer zunehmend anonymen Gesellschaft.

Henrick Tielitz, Bestatter

Kirchen beteiligen sich

Mehr als 600 Obdachlose soll es in der Hansestadt geben, schätzt das Sozialressort. Für Menschen, die ohne Angehörige versterben, gibt es zusätzlich zu den genannten Möglichkeiten Grabanlagen in Bremen-Neustadt, Blumenthal und Hastedt, die von evangelischen Gemeinden betreut werden.

Unsere Haltung ist, dass jeder Mensch eine Würde vor Gott hat und nicht namenlos irgendwo verscharrt werden sollte.

Sabine Hatscher, Sprecherin der Bremischen Evangelischen Kirche

Um katholische Hingeschiedene kümmert sich hingegen die Bremer Vizenz-Konferenz. So erzählt beispielsweise Haverkamp, ein Obdachloser hätte sich zu Lebzeiten eine Trauerfeier in der Propsteikirche St. Johann gewünscht. Nach seinem Ableben habe man ihm dem Wunsch gewährt.

Den christlichen Kirchen ist es wichtig, diese Beisetzungen zu begleiten. Damit wollen sie deutlich machen, dass bei Gott jeder einzelne Mensch zählt.

Christof Haverkamp, Sprecher des Katholischen Gemeindeverbands in Bremen

Für die Ehrenamtlichen und Unterstützer, die ihre Zeit opfern, um Menschen zu begraben, denen sie zu Lebzeiten nie begegnet sind, ist dies jedoch vor allem eines: ein Zeichen von Respekt. Von Menschlichkeit.

Kundgebung zum Gedenktag für Drogenopfer in Bremen (Rückblick)

Bild: Radio Bremen

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Autorin

  • Serena Bilanceri
    Serena Bilanceri Autorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 21. Juli 2024, 19:30 Uhr