Interview

"Nein zu sagen, reicht oft aus": Das hilft gegen Stammtischparolen

Mehrere Hände mit Bierkrügen prosten sich zu.

Argumentationstrainer verrät, was gegen Stammtischparolen hilft

Bild: Imago | Pressedienst Nord

Egal ob in der Kneipe oder beim Familientreffen: Bei unterschiedlichen politischen Ansichten kann Streit drohen. Ein Argumentationstrainer erklärt, wie man im Gespräch bleibt.

Argumentationstrainer Tim Tjettmers weiß, was sich auf diskriminierende und rassistische Sprüche entgegnen lässt und wie man sich ihnen entgegenstellt. Das bringt er Menschen in Kursen bei – wie zum Beispiel am Sonntag im Landkreis Cuxhaven. Auch im Interview bei Bremen Eins gab der zertifizierte Trainer Tipps.

Es geht um Vorurteile und um unbewusste Vorbehalte gegenüber fremdgelesenen Menschen. Haben wir die, wenn wir ehrlich sind, nicht alle, Herr Tjettmers?

Tim Tjettmers: Vorurteile sind in der gesamten Gesellschaft verankert, das ist genau der Punkt. In diesen Trainings machen wir häufig Übungen, bei denen man die Rolle übernimmt, Stammtischparolen von sich zu geben.

Die Erkenntnis dabei ist, dass all das in unseren Köpfen abgespeichert ist, und es ist einfach, es abzuspulen. Genau das ist ein Aspekt des Trainings, wie leicht es ist, Vorurteile zu äußern und wie schwer es ist, auf der anderen Seite adäquat zu reagieren.

Wie reagiert man denn adäquat?

Es ist nicht einfach. Die Parolen können überall auftreten, ganz plötzlich – im Bus, in der Bahn oder sogar in der eigenen Familie. In unserem Training lernen wir, konkretes Nachfragen zuzulassen, Pauschalisierungen nicht hinzunehmen, Widersprüche aufzuzeigen, aber auch Brücken zu bauen, um im Gespräch zu bleiben. Denn das Ziel sollte sein, respektvoll miteinander zu sprechen.

Welche pauschalen Aussagen begegnen uns denn immer wieder? Was ist da Ihre Erfahrung?

Es gibt Aussagen wie: "Erfolgreiche Frauen haben sich nur hochgeschlafen", "Migranten sind alles Messermänner und kommen nur hierher, um unsere Sozialsysteme auszubeuten" oder "Die da oben machen eh nur, was sie wollen" und so weiter.

Die Parolen können überall auftreten, ganz plötzlich – im Bus, in der Bahn oder sogar in der eigenen Familie.

Argumentationstrainer Tim Tjettmers

Sie machen diese Trainings regelmäßig. Wer nimmt daran teil?

Jeder, der Interesse hat, sich gegen Stammtischparolen zu wappnen. Das kann der Lehrer in seiner Schulklasse sein, der Verkäufer an der Kasse oder auch eine Oma, die im Kegelverein keine Lust mehr hat zu schweigen. Denn:

Schweigen ist die größte Schwierigkeit. Schweigen bedeutet immer Zustimmung.

Argumentationstrainer Tim Tjettmers

Einfach ein absolutes Nein zu sagen, ohne weit auszuholen, reicht oftmals schon aus, um einen Standpunkt zu setzen.

Können Sie Beispiele geben, wie man auf oft geäußerte Parolen antworten könnte?

Inhaltlich darauf zu reagieren, ist anspruchsvoll, denn man kann sich nicht überall komplett auskennen. Wichtig ist, bei Aussagen wie "Die Flüchtlinge plündern unser Sozialsystem" zu fragen: "Hast du konkrete Zahlen oder Quellen, die das belegen?" Viele Studien zeigen doch, dass wir gerade Flüchtlinge brauchen, weil viele Arbeitsplätze ansonsten nicht besetzt werden würden.

"Was denkst du, hast du selbst schon mal solche Erfahrungen gemacht?" Man sollte am Thema bleiben und nicht von einer Parole zur nächsten springen.

Das Gespräch führten Jens-Uwe Krause und Katharina Guleikoff für Bremen Eins. Aufgeschrieben und redigiert hat es Marike Deitschun.

Autorinnen und Autoren

  • Jens-Uwe Krause
    Jens-Uwe Krause
  • Katharina Guleikoff
    Katharina Guleikoff Moderatorin

Quelle: buten un binnen.

Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 14. Februar 2025, 8:40 Uhr