Wie der Kult-Sketch "Dinner for One" zum Silvester-Dauerbrenner wurde
Vermutlich ist es der weltweit am häufigsten gefeierte Geburtstag: der 90. von Miss Sophie. Für für viele Fernseh-Zuschauer ist es ein absolutes Muss an Silvester.
Es war am letzten Tag des Jahres 1972, an einem Sonntag, als Bundeskanzler Willy Brandt (SPD) in seiner Neujahrsansprache unterstreicht, wie wichtig es sei, den Frieden in der Welt auf Dauer zu sichern, die Tutanchamun-Ausstellung im britischen Museum in London mit 1,6 Millionen einen Besucherrekord verzeichnet und für die meisten bundesdeutschen Familien ein ganz normaler Silvesterabend beginnt.
Die Weihnachtsbäume haben ihr Lametta gegen bunte Luftschlangen eingetauscht, auf den Esstischen stehen Fondue-Töpfe, Gläser mit Party-Zwiebeln und Tischfeuerwerk und die Zuschauer zu Hause in ihren Wohnzimmern freuen sich darauf, mit dem Fernsehballett ins neue Jahr zu tanzen.
Statt Fernsehballett erstmal ein Bühnen-Sketch
In diesem Jahr läuft es etwas anders. Denn neu ist an diesem 31. Dezember, dass nämlich noch etwas Anderes gefeiert werden soll: ein runder Geburtstag! Ganz genau ein 90. Geburtstag und zwar der einer gewissen Miss Sophie, die ihre vier engsten Freunde eingeladen hat.
Eingeweihte kennen ihre Namen vielleicht aus der Fernsehserie "Percy Stuart": Es sind Mr. Pommeroy, Sir Toby, Admiral von Schneider und Mr. Winterbottom. Doch leider muss die Jubilarin allein am Tisch sitzen, denn ihre vier Gäste haben bereits das Zeitliche gesegnet. Angestoßen werden soll aber trotzdem und zwar in allen vier Fällen gemeinsam mit ihrem Butler James. Und das bedeutet für den treuen Frackträger nicht nur prosten, sondern auch trinken: vier Mal vier Gänge lang mit Sherry, Weißwein, Champagner und Portwein.
Das war es eigentlich in Kürze, was bereits Anfang der 60er Jahre in der Sendung "Guten Abend Peter Frankenfeld" erstmals gezeigt und dann im "Studio B" des Norddeutschen Rundfunks aufgezeichnet worden war. Schauspieler Freddie Frinton, hatte den Sketch zusammen mit seiner Partnerin May Warden bereits auf englischen Varieté-Bühnen gespielt und darauf bestanden, die Szene auch fürs deutsche Fernsehen vor Publikum aufzuzeichnen.
In 18 Minuten serviert Butler James seiner betagten Chefin Mulligatawny-Suppe, Nordsee-Schellfisch, Hühnchen und Obst, stolpert elf Mal über das lebensgroße Tigerfell, macht insgesamt 23 Runden um den Tisch und leert dabei brav 15 Gläser der anderen Gäste – einmal greift er daneben und nimmt einen kräftigen Schluck aus der Blumenvase mit dem Kommentar "Oh I’ll kill that cat!".
Als Pausenfüller zufällig Kult geworden
Ursprünglich war dieses "Dinner for One" übrigens gar nicht als Unterhaltung zum Jahresende geplant. Es wurde lediglich hin und wieder als Pausenfüller im ARD-Fernsehen verwendet. Als solcher sollte die alte Magnetaufzeichnung auch am Silvesterabend 1972 fungieren, als der damalige NDR-Unterhaltungschef Henry Regnier den Sketch ins Programm nahm und damit ganz zufällig eine Kultsendung schuf.
Freddie Frinton konnte den Erfolg seines Sketches nicht mehr erleben – er starb bereits 1968 in London. In England ist "Dinner for One" bis heute gänzlich unbekannt. Dafür gibt es hierzulande unzählige Nachahmungen und Varianten in allen möglichen Dialekten und Mundarten.
Das Original – der wohl berühmteste Jahres-End-Sketch des Deutschen Fernsehens wird auch diesen Silvesterabend wieder mehrfach ausgestrahlt – wie vor 50 Jahren als Miss Sophie und Butler James zum Silvester-Dauerbrenner wurden.
Plattdeutsche Übersetzung
Eine Radio-Version entstand bei Radio Bremen im Jahr 1999: Redakteurin Gesine Reichstein übersetzte den Sketch "up platt" – also in die plattdeutsche Sprache. Unter der Regie von Hans Helge Ott wurde "Dinner for One" als niederdeutsches Hörspiel umgesetzt mit dem Titel "Abendeten för Een". Als Sprecher konnten Peter Kämpfe, Ursula Hinrichs und Wilfried Dziallas engagiert werden.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Der Morgen, 31. Dezember 2022, 5:40 Uhr