Fragen & Antworten
Nach Wohninvest-Aus: Sind die Rechte am Weser-Stadion noch attraktiv?
Das Weser-Stadion geht mit seinem alten Namen in die neue Saison, doch die Rechte sollen erneut verkauft werden. Was muss besser laufen? Und was kann der Klub seinen Fans zumuten?
Der 28. Juni war ein Tag der Freude für viele Werder-Fans. Vor allem für diejenigen, die der aktiven Fanszene des Klubs angehören. Dass Werders Geschäftsbeziehung mit Wohninvest aufgrund der finanziellen Probleme des Unternehmens bald vorbei sein könnte, hatte sich schon vorab abgezeichnet, ehe Wohninvest im Mai die Insolvenz anmelden musste.
An eben jenem 28. Juni verkündete Werder dann offiziell, dass zum 30. Juni die Partnerschaft zwischen der Bremer Weser-Stadion GmbH, an der der Klub und die Stadt Bremen jeweils zur Hälfte beteiligt sind, und Wohninvest enden wird.
Wenn die Bremer nun ihr erstes Heimspiel der Saison gegen Borussia Dortmund (31. August, 15:30 Uhr) bestreiten, wird die Partie nicht mehr im "wohninvest WESERSTADION", wie das Stadion in den vergangenen fünf Jahren offiziell hieß, sondern wieder im Weser-Stadion ausgetragen.
Wirklich akzeptiert wurde Wohninvest in der Fanszene nie. Schon im Sommer 2019 kritisierten mehrere Ultra-Gruppierungen den Verkauf der Namensrechte. Unter anderem, weil bei dem Deal mit dem Immobilien-Unternehmen die "soziale Verantwortung des Vereins" das Nachsehen habe. "Mal wieder stellt ein Sponsoring-Vertrag die Doppelmoral der Geschäftsführung unter Beweis", warfen die Ultras Werder seinerzeit vor.
In der Folge gab es wiederkehrende Proteste gegen Wohninvest. Schon kurz nach der Verkündung des Deals zogen im Juni 2019 rund 600 Menschen bei einem Protestmarsch unter dem Motto "Weserstadion unantastbar" durch Bremen. Werders Finanzchef Klaus Filbry hat allerdings bereits angekündigt, dass die Namensrechte am Stadion alsbald erneut verkauft werden sollen. Aber worauf sollte Werder dabei unbedingt achten? Haben die Namensrechte durch das Desaster mit Wohninvest an Wert verloren? Und was passiert, falls der Name "Weser-Stadion" dieses Mal komplett verschwindet? Wir klären die wichtigsten Fragen.
Wohninvest wurde von der organisierten Fanszene in Bremen regelmäßig angefeindet. Hat sich der Deal für das Unternehmen unter dem Strich trotzdem gelohnt?
Immer wieder gab es in Bremen Aktionen gegen Wohninvest. Vor allem in der Ostkurve, in der die Fans auch mal Banner mit der Aufschrift "Immobilienhaie, Vorsicht bissig" nutzten, um die Logen von Wohninvest während eines Spiels zu verhüllen. Auf dem Bremer Trainingsplatz entfernten im November 2019 Anhänger nachts zudem Werbebanner des Unternehmens.
Fraglich erscheint daher, ob sich in Anbetracht der Feindseligkeit das Sponsoring für Wohninvest am Ende tatsächlich rentiert hat. Auf eine diesbezügliche Anfrage von buten un binnen hat das Unternehmen nicht reagiert. "Wohninvest war vermutlich etwas blauäugig", glaubt aber Prof. Dr. Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Ein Sponsor muss laut ihm vorab einschätzen können, welche Risiken seine jeweilige Branche und seine Unternehmensgeschichte mit sich bringen. Und sich dabei vor allem fragen, ob er womöglich gewisse Bezugsgruppen des Klubs reizen könnte und inwieweit sich das Sponsoring im Anschluss kommunikativ steuern lässt.
Nach den Erfahrungen mit Wiesenhof in Bremen hätte Wohninvest dafür sensibilisiert sein müssen.
Prof. Dr. Christoph Breuer vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
Wiesenhof warb zwischen 2012 und 2023 auf der Brust des Bremer Trikots, stand aufgrund angeblicher Tierquälerei aber häufig in der Kritik. Wie Breuer erklärt, verfolgen Unternehmen mit einem Sponsoring aber nicht immer Imagefaktoren, sondern wollen manchmal schlichtweg nur ihren Bekanntheitsgrad erhöhen. Dabei verweist er auf den Uhrenhersteller Festina, der in den 1990er-Jahren das Radsportteam "Team Festina" gesponsert hat. Bei diesem hätten die damaligen Doping-Skandale seinerzeit extrem zur Bekanntheit der Marke beigetragen.
Wie attraktiv sind die Namensrechte am Weser-Stadion noch nach den Erfahrungen, die Wohninvest in Bremen machen musste?
Wie Filbry Ende Juni erklärte, gibt sich Werder bis zum Frühjahr 2025 Zeit, um einen Nachfolger für Wohninvest zu finden. "Für Werder wird es durch die Geschehnisse bei Wohninvest nicht einfacher, zu attraktiven Konditionen einen attraktiven Partner zu gewinnen", prognostiziert Breuer.
Die Sponsoring-Manager der Unternehmen werden ihre Hausaufgaben gut machen und die Erfahrungen, die Wohninvest machen musste, definitiv im Blick haben. Da das Risiko eingepreist wird, dürften die Angebote deshalb kleiner ausfallen.
Prof. Dr. Christoph Breuer
Breuer vermutet, dass die Sponsoren bei Werder "nicht Schlange stehen und auch nicht alle in der gleichen Höhe zahlungsbereit sind".
Macht der Widerstand der Fanszene es für Traditionsklubs wie Werder schwieriger, einen passenden Sponsor für die Namensrechte zu finden?
Mit Beginn der neuen Bundesliga-Saison haben 13 von 18 Bundesligisten die Namensrechte an ihrem Stadion verkauft. Neben dem Bremer Weser-Stadion ist dies ansonsten beim FC St. Pauli (Millerntor-Stadion), bei Borussia Mönchengladbach (Borussia-Park), Union Berlin (Stadion An der Alten Försterei) und Holstein Kiel (Holstein-Stadion) nicht der Fall. Auffällig ist: Sie alle sind Traditionsvereine.
Das Beispiel Wohninvest hat an der Weser bereits gezeigt, dass der Verkauf der Namensrechte die Fans auf die Barrikaden bringen kann. "Bei Traditionsvereinen haben wir die Besonderheit, dass sie keine puren zweckrationalen Organisationen sind, die alles zu 100 Prozent der Maximierung des sportlichen Erfolgs unterstellen", erläutert Breuer. "Wir haben mittlerweile Klubs, die politischen Organisationen ähneln. Diese müssen die unterschiedlichen Interessen der Bezugsgruppen austarieren."
Das gilt insbesondere für Werder Bremen, wo es eine starke aktive Fanszene gibt.
Prof. Dr. Christoph Breuer
Die Quintessenz: Ein Klub wie Werder kann nicht bei jeder Entscheidung einzig und allein auf den höchsten finanziellen Profit achten.
Hätte ein Unternehmen aus der Region es als Käufer der Namensrechte am Weser-Stadion leichter als Wohninvest?
Die Wohninvest Holding GmbH hat ihren Sitz in Fellbach, also in Baden-Württemberg. In Bremen war das Unternehmen zuvor weitestgehend unbekannt. Durch die Immobilien-Branche besaß es bei den Fans aber von Beginn an einen schlechten Ruf.
Geachtet werden muss laut Breuer immer darauf, wie "herausfordernd" der neue Sponsor und wie bedeutsam der alte Stadionname für die Fans ist. In Bremen ist die Identifikation mit Werder groß. Und groß ist auch die Identifikation mit dem Weser-Stadion, das idyllisch mitten in der Stadt am Osterdeich steht. Regionale Sponsoren aus einer nicht so polarisierenden Branche sind für die Fans dabei aber leichter zu ertragen, so Breuer.
Ein Unternehmen aus der Region hat es immer leichter. Vor allem, wenn es ein großer Arbeitgeber, auch von vielen Fans, ist.
Prof. Dr. Christoph Breuer
Vor Wohninvest hat die EWE die Namensrechte am Weser-Stadion gehalten, den Namen aber nicht verändert. Hat das Image der EWE davon profitiert? Oder hat das Unternehmen damit schlichtweg Geld verbrannt?
Laut Vertrag sollte Wohninvest von 2019 bis 2029 die Namensrechte am Weser-Stadion halten und dafür insgesamt 30 Millionen Euro zahlen. Pro Jahr also drei Millionen Euro. Diese Summe hatte zuvor auch die EWE investiert, um sich die Namensrechte zu sichern. Das Oldenburger Unternehmen hielt jedoch Abstand davon, dem Stadion einen neuen Namen zu verpassen. Das Weser-Stadion blieb das Weser-Stadion.
Mit einer solchen Lösung könnten sicherlich auch die Werder-Fans wieder leben. Ihr Klub erhält Geld, doch der traditionelle Name des Stadions bleibt trotzdem. Das Verhalten der EWE bezeichnet Breuer als "eher eine Art 'Mäzenatentum'", bei dem der Werbefaktor für das Unternehmen allerdings begrenzt ist. Das Problem sei, dass die EWE im Rahmen der Berichterstattung um die Bundesliga am Wochenende nie namentlich erwähnt wurde.
Deshalb konnte es kein kommunikativer Erfolg werden, sondern lediglich in der Bremer Region für einen kleinen 'Goodwill'-Faktor sorgen.
Prof. Dr. Christoph Breuer
Wäre es ein Fehler, wenn der Name "Weser-Stadion" in der Zukunft komplett verschwindet?
Als Werder die Trennung von Wohninvest verkündete, machte Filbry deutlich, dass der Name Weser-Stadion auch komplett Vergangenheit sein könnte, sobald ein neuer Käufer für die Namensrechte gefunden wurde.
Ob es am Ende ein Verkauf des kompletten Namens wird, eine Vornamens-Lösung wie bei Wohninvest oder eine andere Variante wird, ist jetzt noch nicht abzusehen.
Klaus Filbry
Eine Vornamens-Lösung gab es bisher nicht nur in Bremen sondern wird aktuell auch in Bochum gelebt, wo das altehrwürdige Ruhrstadion nun offiziell "Vonovia Ruhrstadion" heißt. "Es ließe sich mehr Geld rausholen, wenn der Name 'Weser-Stadion' komplett fällt", ist sich Breuer sicher. Fraglich bleibt allerdings, ob dies die Anhänger des Klubs ohne größeren Widerstand hinnehmen würden. "Das Thema ist komplex und emotional aufgeladen", erklärte Filbry bereits Ende Juni. "Wir wollen eine gute und passende Lösung finden, daher werden wir uns ausreichend Zeit dafür nehmen."
Quelle: buten un binnen.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Rundschau, 28. Juni 2024, 12 Uhr