Interview
Weihnachten im ewigen Eis: So feiert die Crew der Arktis-Expedition
Festgefroren nahe des Nordpols: Mit Weihnachten und Silvester stehen den Forschern der "Mosaic"-Expedition emotionale Tage bevor. Die Feiern sind längst geplant – nur eines bleibt geheim.
Für die größte wissenschaftliche Expedition in der Arktis haben sich Forscher und Crew des Forschungsschiffes Polarstern im Eis der Arktis einfrieren lassen. Sie sind im Dienste der Klimaforschung unterwegs. Weihnachten und Silvester erleben die Teilnehmer der "Mosaic"-Expedition fernab ihrer Familien. Fahrtleiter Christian Haas vom Alfred Wegener Institut in Bremerhaven erzählt, wie die Wissenschaftler gemeinsam die Festtage verbringen: was sie an Heiligabend essen, ob sie Lieder singen – und vom Verzicht auf viel Vertrautes.
Wie geht es Ihnen im ewigen Eis – haben sie schon Heimweh?
Uns geht es allen sehr gut und ich glaube Heimweh hat noch niemand. Das liegt auch daran, dass wir gerade erst hier angekommen sind. Ein russischer Eisbrecher hat uns hierhergefahren und die erste Gruppe wieder mit zurückgenommen. Sie werden es aber leider nicht rechtzeitig zu Weihnachten nach Hause schaffen, weil das Schiff wegen des dicken Eises sehr sehr langsam fährt. Je nach Fortschritt werden sie frühestens an Neujahr zu Hause sein können, unter Umständen noch später.
Wo befinden Sie sich gerade, wie leben und arbeiten Sie dort?
Wir sind ungefähr 360 Kilometer vom Nordpol entfernt und etwa 800 Kilometer nördlich des nächstgelegenen Landes. Wir liegen eingebettet in Eis – das ist einen Meter dick. Im Umkreis von zwei bis drei Kilometern haben wir Messegeräte aufgebaut und auch Zelte, die das Camp bilden. Die benutzen wir anfangs nur tagsüber. Es sind ja hier unter Umständen Eisbären in der Nähe. Wenn wir in den Zelten übernachten wollten, dann müssten wir nachts Wachen engagieren, die aufpassen, dass keine Eisbären kommen.
Wie feiern Sie Weihnachten an Bord?
Wir haben viele chinesische, russische und indische Kollegen dabei, die feiern anders oder gar nicht. Aber der Großteil kommt aus Nordamerika und Europa – vor allem aus Deutschland. Deswegen feiern wir am 24. Dezember abends. Natürlich viel bescheidener, als wir das vielleicht zu Hause tun würden. Das Essen ist ein Geheimnis, sonst wäre es nur halb so spannend. Aber ich habe schon einmal Weihnachten an Bord verbracht und da gab es geräucherten Lachs, Bockwurst mit Kartoffelsalat, dann zum Festmahl Ente mit Rotkohl und Kartoffelklößen und Vanilleeis mit heißen Himbeeren. Alles was man sich nur wünschen kann. Uns fehlt es an nichts. Wir werden das zu einem ganz besonderen Tag machen. Früher wurden sogar echte Tannenbäume mitgenommen, aber da wir ja schon vor mehreren Monaten aus Bremerhaven abgefahren sind, ist das ein bisschen schwierig. Deswegen gibt es künstliche Tannenbäume und die werden natürlich auch geschmückt.
Wie läuft dann der Heiligabend genau ab?
Wir sind ja hier 100 Leute, das heißt, man kann fast nichts spontan machen. Für die Feier gibt es einen sehr geeigneten Raum, den "Blauen Salon". Das ist ein ganz vornehm gestalteter, festlicher Raum. Wir werden bestimmt auch Weihnachtslieder singen. Das hängt davon ab, was uns unsere Musiker vorschlagen. Einen Gottesdienst machen wir nicht offiziell, aber jeder hat natürlich für sich die Möglichkeit das besonnen zu begehen. Bei den Geschenken sind wir sehr gut organisiert und haben vorher allen mitgeteilt, dass wir "Julklapp" machen möchten, uns also gegenseitig etwas schenken wollen. Alle Forscher haben zwei Geschenke mit – eins für die Wissenschaftler und eins für die Mannschaft als kleines Dankeschön, dafür, dass sie uns unterstützen.
Ein Rundgang über das Forschungsschiff "Polarstern"
Über fehlende weiße Weihnacht können Sie sich ja nicht beklagen …
… nein, es ist klar: Wir werden hier weiße Weihnachten haben. Es wird auch lange dunkel sein, nämlich 24 Stunden. Das gehört oft ja auch zur romantischen Stimmung. Und wir werden an Silvester auch gut ins neue Jahr reinrutschen bei dem ganzen Eis. Wenn wir uns mal ein bisschen Zeit nehmen, werden viele von uns auch rausgehen und ein Ski laufen mit Langlaufskiern. Und einfach die besondere Umgebung genießen und ausnutzen.
Können Sie mit Ihrer Familie sprechen?
Das geht leider nicht, weil wir über diese Satellitenverbindung gar nicht so viele Daten für Videomitteilungen schicken können. Aber natürlich können die, die es möchten, zu Hause anrufen. Wir haben Telefonzellen, wo man sich eine Karte kaufen kann. Wobei man sich das vielleicht – jetzt, wo wir so frisch hier sind – auch für später aufheben sollte, wenn man tatsächlich irgendwann einmal Heimweh bekommen sollte.
Sie sind zwar zum Arbeiten da, aber nach Weihnachten kommt schon bald Silvester. Feiern Sie den Jahreswechsel?
Auch da werden wir eine kleine Feier machen – ohne Knaller und ohne Raketen, allein schon wegen der Umweltverschmutzung. Dann werden wir aber sehr, sehr schnell sehen, dass wir wieder den Normalzustand erreichen und wirklich 100 Prozent unserer Leistung bringen und die Forschung vorantreiben. Wir werden abends eine kleine Feier machen und damit ist es dann gut. Es wird sicherlich auch etwas Besonderes zu essen geben, aber keine speziellen Silvester-Gerichte wie Raclette oder Fondue – alleine schon, weil es für so eine große Personengruppe nicht realistisch machbar ist. Wir benutzen gerade Moskau-Zeit, so gesehen sind wir vor Deutschland dran und für uns beginnt das neue Jahr zwei Stunden früher.
Dieses Thema im Programm: Der Morgen, Bremen Eins, 21. Dezember 2019, 6:15 Uhr