Das waren die 5 größten Streitpunkte im Wahlmobil in Bremerhaven

Wahlmobil aus Bremerhaven: Wie kann Integration gelingen?

Bild: Radio Bremen

Die Migrationsdebatte bestimmt den Bundestagswahlkampf – nicht erst seit den umstrittenen Abstimmungen im Bundestag. Im Wahlmobil in Bremerhaven bezogen Bremer Kandidaten Stellung.

Im Apollo-Theater Bremerhaven diskutierten die Bundestagskandidaten Kevin Lenkeit (SPD), Michael Labetzke (Grüne), Mario Sander (CDU), Arno Staschewski (AfD) und Christopher Schulze (BSW) zum Thema "Wie kann Integration gelingen?" Dabei stellten sie sich nicht nur den Fragen von Moderatorin Anja Goerz, sondern auch denen des Publikums.

1 Zu viele Geflüchtete?

Mario Sander (CDU) in der Diskussionsrunde
CDU-Kandidat Mario Sander will vor allem Fachkräfte nach Deutschland holen. Bild: Radio Bremen

Bremen hat deutlich mehr Geflüchtete aufgenommen, als nötig gewesen wäre. Eine politische Entscheidung, sagte CDU-Kandidat Sander: "Es ist alles überlastet – und am Ende sind alle die Verlierer, weil das Land Bremen überfordert wird. Dass jetzt gegengesteuert wird, finden wir richtig."

Widerspruch kam vom Bremerhavener Grünen-Politiker Labetzke: "Bremerhaven als Kommune ist nicht überfordert." Drei neue Schulen würden gebaut, bei Kita-Plätzen sei die Stadt "weit vorne". "Verallgemeinern hilft hier nicht weiter", sagte Labetzke.

Auch AfD-Kandidat Staschewski bezeichnete die Aufnahme von mehr Geflüchteten als verpflichtend gewesen wäre als Fehlentscheidung. "Der Wohnungsmarkt ist dermaßen unter Druck, dass es so nicht weitergehen kann", sagte er. Die allgemeine Lösung der AfD: Grenzen schließen, Menschen abschieben. "Jemand, der kein Asyl bekommt, muss das Land wieder verlassen."

Christopher Schulze (BSW) in der Diskussionsrunde
BSW-Kandidat Christopher Schulze fordert, die Migration zu begrenzen. Bild: Radio Bremen

Auch Schulze beklagte auf dem Wohnungsmarkt eine "reale Konkurrenzsituation". Deshalb müssten mehr Sozialwohnungen gebaut werden, die auch nicht nach ein paar Jahren aus der Sozialbindung fallen dürften. Auch das BSW wolle die Zahl der Menschen, die nach Deutschland kommen, senken.

2 Arbeit

Hier stießen vor allem die Meinungen von SPD und CDU aneinander. Die CDU wolle zwar die illegale Migration stoppen, sagte Sander. Es gebe aber ein "klares Ja zu Fachkräfte- und Arbeitskräfte-Einwanderung". Es müssten gezielt die Menschen nach Deutschland kommen, die benötigt werden.

Bei der Unterscheidung von Flucht- und Arbeitsmigration lügen wir uns selbst an.

Kevin Lenkeit (SPD)
Kevin Lenkeit (SPD) in der Diskussionsrunde
Kevin Lenkeit (SPD) sagt, dass Deutschland für viele Fachkräfte nicht attraktiv sei. Bild: Radio Bremen

Fachkräfte würden nicht nach Deutschland kommen, um zu arbeiten, entgegnete SPD-Politiker Lenkeit: "Weil Deutschland kein attraktives Land für Fachkräfte ist." Stattdessen würden heute zwei Drittel der Menschen, die nach Deutschland gekommen sind, arbeiten. "Wir haben aus der Geflüchteten-Migration eine Arbeits-Migration gemacht." Ginge es nach CDU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz, dann wären viele Menschen, die heute in Deutschland arbeiten, bereits an der Grenze abgewiesen worden.

Labetzke setzte sich dafür ein, Menschen schneller in Jobs zu bringen. "Wir müssen weg von der Bürokratie", sagte er. "Wir brauchen diese Menschen, um die Systeme zu stabilisieren." BSW-Politiker Schulze will hingegen verhindern, dass Migranten ausgenutzt werden, um Lohndumping zu betreiben. Und Staschewski will erst einmal die Potenziale in Deutschland nutzen. Denn statt Zuwanderung von Arbeitnehmern würden deutsche Fachkräfte das Land verlassen.

3 Fluchtursachen

Die erste Publikumsfrage ließ die Kandidaten abdriften. Denn ob Deutschland Fluchtursachen vermehrt bekämpfen sollte, führte zu einer teils hitzigen Auseinandersetzung über den Krieg in der Ukraine. Nachdem BSW-Politiker Schulze forderte, dass Deutschland durch Waffenlieferungen dafür mitverantwortlich sei, "dass in vielen Kriegsgebieten die Auseinandersetzungen immer weiter gehen" und diese diplomatisch gelöst werden müssten, entgegnete Lenkeit, dass ohne Unterstützung für die Ukraine heute nicht eine Million, sondern mehrere Millionen Ukrainer in Deutschland Schutz suchen würden.

Michael Labetzke (Grüne) in der Diskussionsrunde
Michael Labetzke (Grüne) wünscht sich eine Willkommenskultur in Deutschland. Bild: Radio Bremen

Auch Labetzke kritisierte Schulze, sagte aber auch, dass als eine der Hauptfluchtursachen der Klimawandel bekämpft werden müsse. CDU-Mann Sander sprach sich zwar ebenfalls für Entwicklungshilfen aus, verwies aber auch auf sogenannte "Pull-Faktoren". Deutschland sei attraktiv. "Nur Entwicklungshilfe ist nicht ausreichend", sagte er.

AfD-Kandidat Staschewski wählte einen ähnlichen Ansatz: "Wir werden die Probleme der Welt in Deutschland nicht lösen." Das Problem sei das deutsche Sozialsystem. Deshalb müssten die Grenzen zu. Stattdessen sollten Flüchtlinge in Nachbarländern untergebracht werden.

4 Kitas und Schulen

Zentrales Thema für alle Kandidaten ist die Situation in Kitas und Schulen – allerdings mit völlig anderen Ansätzen. SPD-Politiker Lenkeit setzt auf Investitionen, insbesondere für mehr Lehrerinnen und Lehrer in den Schulen. "Das geht vor allem über Geld", sagte er. Und kassierte damit prompten Widerspruch von Staschewski. "Die deutschen Kapazitäten sind begrenzt. Wir können nicht dauernd mehr Schulden machen, es gibt nicht mehr Lehrer. Wir müssen die Zuwanderung begrenzen", sagte er. Die Schülerinnen und Schüler, die bereits da seien, müssten erst einmal Deutsch lernen, "bevor sie am Regelunterricht teilnehmen". Funktioniere das, brauche es keine weiteren Ideen zur Integration an Schulen.

Arno Staschewski (AfD) in der Diskussionsrunde
AfD-Kandidat Arno Staschewski setzt sich für geschlossene Grenzen ein. Bild: Radio Bremen

Labetzkes Ansatz zielt eher auf die Stimmung an den Schulen. "Wenn sich die Menschen angenommen fühlen, als vollwertiger Teil der Gesellschaft, ist das ein ganz wichtiger Punkt", sagte der Grünen-Kandidat. Für BSW-Politiker Schulze reicht das hingegen nicht. "Die Gemeinschaft kann so toll sein, wie sie möchte. Wenn der Unterricht ausfällt, bringt das auch nichts", entgegnete er. Stattdessen müsse mehr investiert werden.

CDU-Kandidat Sander forderte ebenfalls zusätzlichen Deutschunterricht – mit einer Prüfung. Generell sehe er aber auch ein "Einstellungsproblem". Vielen Schülern würde zuhause ein falscher Umgang vor allem mit Lehrerinnen beigebracht. Das ließ eine Lehrerin des Bremerhavener Schulzentrums Carl von Ossietzky im Publikum nicht unwidersprochen: "Das stimmt so nicht – auf gar keinen Fall. Was ich meinen Schülerinnen und Schülern entgegenbringe, das kommt auch zurück."

5 Integration

Für die AfD ist Integration eine "Bringschuld", sagte Staschewski. Kein Wunder also, dass Moderatorin Anja Goerz nach eigener Aussage im Programm der Partei nichts zum Thema gefunden hat. "Wir fördern das mit Deutschkursen", sagte Staschewski zwar. Aber nur für alle, die berechtigt seien, in Deutschland zu bleiben. Alle anderen müssten ohnehin gehen. "Wir sind nicht das Sozialamt der Welt."

Da hätten CDU und BSW die Punkte der AfD auch weitgehend übernommen, sagte Staschewski – und erntete dafür ein "Blödsinn" von BSW-Kandidat Schulze. Für die Wagenknecht-Partei gehe es vor allem darum, mehr in Schulen und Kitas zu investieren. "Denn dort beginnt Integration", sagte Schulze. Und dafür brauche es Geld vom Bund.

Niemand leugnet, dass es auch Probleme gibt. Wir kriegen das aber gewuppt, wenn auch nicht von gestern auf heute.

Michael Labetzke (Grüne)

Labetzke setzte sich für "weniger Hass und Hetze" ein. "Wir brauchen eine Willkommenskultur", sagte er. "Dann kann das eine Erfolgsgeschichte für unser Land sein." Allerdings bräuchte gerade ein finanzschwaches Bundesland wie Bremen Geld vom Bund. Lenkeit verwies auf Bremerhaven, in dessen Historie sich Einwanderer durch Arbeit integriert hätten.

Die CDU will, dass vor allem Fachkräfte gezielt nach Deutschland geholt werden. Dann sei auch der Aufwand bei der Integration deutlich geringer, sagte Sander. Wie Schulze widersprach auch er Staschewski: "Es wird keine Zusammenarbeit mit der CDU geben – da hat sich unsere Partei ganz klar positioniert."

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Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 12. Februar 2025, 19:30 Uhr