Hintergrund
E-Zigaretten an Bremens Schulen: qietschbunt und brandgefährlich
Vapes sind bei Jugendlichen im Trend – obwohl erst 18-Jährige sie konsumieren dürfen. Warum die E-Glimmstengel gefährlich sind, erklärt ein Bremer Suchtexperte.
Der Markt für Tabakprodukte ist in den vergangenen Jahren unübersichtlicher geworden. Neben der klassische Zigarette haben sich Nikotinbeutel und E-Zigaretten etabliert – vor allem bei Jugendlichen sind solche Snus und Vapes beliebt wie nie. Für Suchtforscher ist das ein Grund zur Sorge. Oliver Peters, Leiter der Stelle für Suchtprävention im Land Bremen, erklärt die Mechanismen, mit denen Jugendliche über Vapes und Co. in die Sucht getrieben werden können.
Herr Peters, als "Vapes" bezeichnete Einweg-E-Zigaretten sind bei Schülern beliebt wie nie. Warum ist das so?
Das fragen wir uns auch immer wieder, wie bestimmte Suchtphänomene zur Mode werden. Beim Vapen gibt es wohl gleich mehrere Gründe. Zum einen werden in sozialen Netzwerken Konsummuster vorgelebt, die Schülerinnen und Schüler dann nachahmen. Vielen Teenagern gefällt auch, dass Vapes sehr bunt, klein und handlich sind. Ein weiterer Faktor ist ihr süßer Geschmack und die vielen verschiedene Aromen. Vapes wirken daher auch harmlos und stehen sogar im Ruf, gesünder als normale Tabakprodukte zu sein.
Und sind sie gesünder?
Nein. Das ist ein Mythos, über den wir aufklären müssen. Denn dass Vapes gesundheitsschädlich sind, ist mittlerweile durch Studien belegt. Es ist auch belegt, dass E-Zigaretten keine Ausstiegshilfen aus dem normalen Tabakkonsum sind. Wir wissen, dass es am Ende stattdessen oft im kombinierten Konsum endet. Und das ist sogar noch schlimmer, als nur Tabak zu rauchen.
Vapes dürfen doch nur von 18-Jährigen gekauft werden. Wie kommen Jugendliche da trotzdem dran?
Jugendschutzgesetze verbieten ja beispielsweise auch den Verkauf von Alkohol an Minderjährige. Bei einem Produkt wie Alkohol oder E-Zigaretten gibt es aber genug Ältere, die den Jüngeren einen Gefallen tun und mit ihrer EC-Karte bezahlen. Das Verbot ist eben kein Bollwerk.
Gerade die Einweg-Vapes sind auch leicht zugänglich. Sie werden an Automaten verkauft und sind meist günstiger als normale Tabakprodukte.
Elterneinschätzung: So hat sich der Umgang von Jugendlichen mit Suchtmitteln von 2011 bis 2021 verändert
Was macht diese Produkte für Jugendliche so gefährlich?
Zum einen ist es ein Problem, dass sich junge Menschen überhaupt mit E-Produkten beschäftigten – ob mit oder ohne Nikotin. Meist fangen Schülerinnen und Schüler mit ausprobieren an, mit experimentieren. Wenn sie dann positive Erfahrungen machen, kommt es zu regelmäßigem Gebrauch. Die eigentliche Sucht beginnt dann, wenn der Konsum die Gefühlswelt berührt – wenn also mit dem Konsum negative Gefühle bekämpft werden sollen.
Andere regulierende Mechanismen wie ein gutes Stress- und Krisenmanagement kommen dann bei den Jugendlichen nicht mehr zum Tragen. Es geht daher in der Schule auch sehr darum, die Resilienz, also die emotionale Widerstandsfähigkeit, zu stärken. Junge Menschen müssen ein Portfolio an Fähigkeiten entwickeln, um mit negativen Gefühlen, stressigen Situationen und schwierigen Lebensereignissen umzugehen.
Eine weitere große Gefahr ist auch, dass Vapes zum Einfallstor für psychisch-aktivierende Substanzen werden, die Rauschmittel, Stimulanzen und andere chemische Wirkstoffe enthalten können.
Gibt es denn Zahlen zum Konsum an Bremens Schulen?
Ja. In der jüngsten Schulbus-Studie von 2021 wird der Kontakt von Schülerinnen und Schülern mit verschiedenen Suchtmitteln wie Glücksspiel, Alkohol und eben auch Tabak und E-Produkten untersucht. Demzufolge tranken 2021 in der Stadt Bremen 47 Prozent der Jugendlichen mindestens einmal im Monat Alkohol. Zum Vergleich: E-Produkte wie Vapes haben 17,2 Prozent der Jugendlichen mindestens einmal im Monat genutzt. Nebenbei haben auch 21,7 Prozent Kontakt mit Tabakprodukten gehabt und mindestens 7,2 Prozent regelmäßig geraucht.
Wie gehen Bremer Schulen mit dem Problem um?
Keine Schule muss sich das gefallen lassen. Und das lässt sich über die Hausordnung regeln. Das erste, was Schulen tun müssen, ist dort die Mitnahme und den Besitz von E-Zigaretten, Tabakerhitzern und Lutschtabak wie Snus zu verbieten. Alles was verhindert, dass sich Schüler etwas reinpfeifen, sollte getan werden. Die Bremer Schulen sind ja auch alle rauchfreie Schulen.
Das gilt aber nicht für die Lehrkräfte, oder?
Ob die Lehrer Vapes nutzen, hängt auch mit der Haltung des Kollegiums zusammen. Denn auch das hat Einfluss auf die Schulkultur. Wir würden es in der Suchtprävention als am günstigen ansehen, wenn Kollegen sich dazu verpflichteten, in der Schule nicht zu rauchen. Denn es ist ein Problem, wenn Sie Jugendlichen den Konsum verbieten und es selbst nicht vorleben.
In Großbritannien soll der Tabakproduktverkauf bald komplett verboten werden. In Deutschland fordert beispielsweise Niedersachsens Gesundheitsminister Andreas Philippi ein Verbot von Aromen in E-Zigaretten. Was halten Sie von diesen Maßnahmen?
Das sind richtige Maßnahmen. Aber wichtig ist, zu verstehen, dass einzelne Maßnahmen nicht genügen. Es muss immer ein Policy-Mix sein. Man kann viel tun, um den Rahmen einzuschränken. Neben Aromenverboten gäbe es zahlreiche weitere Maßnahme wie beispielsweise den Verkauf nur über zertifizierte Verkaufsstellen, eine Preiserhöhung durch höhere Steuern, aber auch Werbeverbote und vermehrte Testkäufe durch das Ordnungsamt.
Zur Aufklärung und Prävention machen wir von unserer Dienststelle aus beispielsweise Elternangebote und Risikoaufklärung und einiges mehr. Beispielsweise schicken wir regelmäßig ein Team von ehemaligen Süchtigen in die Schulen, die heute stabil clean sind. Diese Menschen erzählen den Schülern mit einem hohen Grad an Authentizität ihre Geschichte. Damit erreichen wir rund 3.500 Schülerinnen und Schüler pro Jahr.
Dieses Thema im Programm: buten un binnen, 25. April 2024, 19:30 Uhr