Interview
Sommersturmfluten bedrohen Küken auf der Nordsee-Insel Scharhörn
Häufige Sommersturmfluten können für die Vogelwelt dramatisch enden: Küken werden weggespült oder ertrinken. Ein Vogelwart dokumentiert die Lage und bringt Scharhörn ins Kino.
In der Nähe der Elbfahrrinne westlich von der Insel Neuwerk im Wattenmeer vor Cuxhaven, da liegt eine 86 Hektar große Düneninsel. Ihr Name Scharhörn bedeutet so viel wie "steile Kante". Auch dort haben die Sommersturmfluten zuletzt ihre Spuren hinterlassen. Viele Jungvögel sind durch die Fluten weggerissen worden. Das hat Folgen für die heimische Vogelwelt. Welche, das weiß der Vogelwart von Scharhörn, Kilian Helmbrecht, vom Verein Jordsand. Er ist hauptberuflicher Dokumentarfilmer und dreht einen Film für die große Leinwand.
Wie schlimm waren denn dort die bisherigen Sturmfluten?
Ich hatte vor allem eine, letzten Sonntag. Wie schlimm die ist, das kann ich nicht genau bemessen. Scharhörn ist vor allem die Düneninsel. Es ist aber in den letzten Jahren eine große Salzwiese rund um die Insel herum entstanden, wodurch sich die Fläche vervielfacht hat. In der sitzen viele Brutvögel – Rotschenkel, Austernfischer – und die Gelege wurden überspült.
Ich kann aber nicht sagen, ob die Küken das geschafft haben. Mit Glück sind sie mit den Eltern ins hohe Gras gerannt und haben sich dort gerettet. Mit Pech sind die in der Sturmflut ertrunken. Das werde ich aber erst mit der Zeit sehen, wenn ich dann mal am Spülsaum merke, da liegt ein Küken. Erst mal sind die aber so versteckt, dass wir die Schäden zum Beispiel nebenan auf Neuwerk beobachten konnten.
Was bedeuten solche Ereignisse für die Vogelwelt dort?
Das bedeutet, dass sie Probleme haben, ihren Nachwuchs hochzukriegen. Die Arten sind darauf angepasst, dass es solche Sturmfluten gibt. Klar, die gab es immer, die wird es auch immer geben. Ein Austernfischer kann zum Beispiel bis zu knapp 50 Jahre alt werden. Wenn in der Zeit einmal so eine Sturmflut drin ist, ist es für die einzelnen Küken schade, aber an sich für den Art-Erhalt kein Ding.
Wir merken aber in den letzten Jahren, dass die Fluten fast jährlich kommen und in manchen Jahren sogar mehrere. Das bedeutet, dass sie den Nachwuchs nicht mehr hochbekommen können. Die Folgen davon werden wir aber erst in vielen Jahren spüren, wenn dann die 50-jährigen Austernfischer und auch die 25-Jährigen von uns gehen und dann vielleicht aber keinen Nachwuchs mehr hinterlassen haben.
Vogelwart auf Scharhörn, das klingt sehr romantisch – wie wird man das und was macht man da?
Man wird Vogelwart, indem man einfach richtig großes Interesse an der Vogelwarte hat, sich das zutraut und die Leute einem das zutrauen, für ein halbes Jahr die Verantwortung für so ein Schutzgebiet zu tragen. Das hat bei mir zum Glück geklappt.
Der Tag sieht so aus, dass ich vor allem sehr viel Zeit damit verbringen, die Vögel hier zu beobachten, verschiedene Erfassungsprogramme habe, die Brutvögel kartiere, dass ich weiß wo sind zum Beispiel Austernfischer, die dann so eine Sturmflut treffen könnte. Aber auch, dass sich Müll- und Spülsaum-Monitoring mache, aber auch Führungen gebe. Wer will, kann auch bei Niedrigwasser von Neuwerk rüberlaufen und kriegt eine halbe Stunde die Insel gezeigt.
Man muss mit sich alleine sein können, bei so einem Job, oder?
Ja. Ich glaube, es hilft, wenn einem die Einsamkeit nicht so auffällt oder zu Kopf steigt. Die Zeit, in der ich mich wirklich einsam und alleine gefühlt habe, das begrenzt sich auf wenige Stunden. Was damit zu tun hat, dass hier einfach immer was los ist und auch immer wieder Leute vorbeikommen.
Derzeit drehen Sie einen Dokumentarfilm über Scharhörn, wann und wo gibt es den zu sehen?
Der Film ist gerade im Entstehen, ich drehe noch einige Monate und bin die ganze Saison hier. Das sind dann 300 Stunden Material, da werden wir noch mal zwei Jahre dran nagen, bis der dann in die Kinos kommt. Als Kinofilm, der einen mit nach Scharhörn nimmt. Man kann hier für 30 Minuten hin, aber wie es wirklich ist, ein halbes Jahr hier zu sein, das wissen natürlich die wenigsten. Und das will ich damit zugänglich machen.
Das Interview führte Dirk Böhling, aufbereitet von Joschka Schmitt.
Dieses Thema im Programm: Bremen Eins, Das Wochenende aus Bremerhaven, 16. Juni 2024, 11:40 Uhr